1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 9 (Beginn bis Seite 70)

Literaturhexle

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2. April 2017
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In der Buchbeschreibung von Draupadi wird mehrfach darauf hingewiesen, dass "Mai" in Hindi die Bedeutung "Mutter" hat.
Tolle Idee, liebe Kollegin! Mein Ideenreichtum hat nur dazu gereicht, im Glossar nachzuschauen, wo aber nichts steht dazu. Vielleicht im Nachwort - wo es fast zu spät wäre.

Man sieht wieder, wie schnell sich ein (Vor-)Urteil aus Unkenntnis bildet. Ruckzuck wird eine Zurückstellung der Mutter in den Text hineininterpretiert, die gar nicht da ist;)

Danke für deine schnelle Aufklärung, Renie!
 

Renie

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19. Mai 2014
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Hier ist noch mein erster Eindruck: die ersten Seiten sind mir nicht leicht gefallen. Ich hatte Schwierigkeiten mit diesen chronologisch unsortierten Erinnerungen und Gedanken. Mittlerweile kann ich mir aber ein Bild von dem Familienleben machen und genieße den Roman. Ich bin ja sowieso immer Fan von Romanen, die in anderen Kulturkreisen spielen. Ich habe mich also mittlerweile eingegrooved. :cool:
 

parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Bevor ich auf Eure Beiträge eingehe, möchte ich noch etwas zum umstrittenen "Mai" loswerden. Ich habe ein wenig recherchiert, weil mir die Erklärung, dass "Mai" ein Vorname ist, nicht richtig erscheint. Dieser Roman ist bereits 2010 in einem anderen Verlag im deutschsprachigen Raum erschienen: Draupadi Verlag, der vorwiegend indische Literatur veröffentlicht. In der Buchbeschreibung von Draupadi wird mehrfach darauf hingewiesen, dass "Mai" in Hindi die Bedeutung "Mutter" hat. Da indische Literatur die Kernkompetenz des Verlages war und ist, gehe ich nicht davon aus, dass es sich hierbei um eine Falsch-Information handelt. Darüberhinaus gibt es ein Interview bei TraLaLit (Magazin für übersetzte Literatur) mit Reinhold Schein, dem Übersetzer dieses Romans, Thema: Große kleine Sprache Hindi. In diesem Interview geht Herr Schein, zusammen mit einem anderen Hindi-Übersetzer, auf die sprachlichen Besonderheiten von Hindi ein sowie auf indische Literatur. In dem Zusammenhang nennt Herr Schein ebenfalls diesen Roman (Mai = Mutter).
Ich packe den Link zu dem sehr interessanten Interview in die "Vorstellungsrunde".

Insofern sollten wir uns von der Idee mit dem Vornamen lösen. Die Kinder verwenden den Begriff "Mutter", wie sie Großmutter, Papa und Großvater verwenden.
Ach, so einfach kann das sein. Dabei fand ich meine Theorie so schön... :rofl
 

Lesehorizont

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29. März 2022
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Mainz
Ich habe mich sehr gefreut, endlich mal wieder in einen indischen Familienroman eintauchen zu können. Man lernt da doch immer wieder sehr viel über die indische Kultur. So ist es auch hier.
Erzählt wird die Geschichte von Mai, die dem indischen Kastensystem entsprechend, eine recht untergeordnete Rolle in der Familie spielt. Sie fügt sich dem weitgehend, findet aber kleinere Freiräume für eine At Widerstand, z.B. in der Friseurszene.
Ich finde der Autorin gelingt es sehr gut, die Besonderheiten der indischen Kultur darszustellen, ebenso wie die Veränderungen, die sich vollziehen: Indien zwischen Tradition und Moderne. Ich mag die Sprache der Autorin sehr und konnte gleich eintauchen in die Geschichte.
Das Kulinarische hat einen besonderen Stellenwert. Wäre ich ein Liebhaber der indischen Küche, würde mir hier permanent das Wasser im Munde zusammenlaufen. So aber lässt es sich für mich entspannter aushalten.
Ihr habt ja schon sehr viele Aspekte herausgearbeitet. Mal sehen, ob ich dem überhaupt noch etwas hinzufügen kann. Einiges hat mir sehr zum besseren Verständnis geholfen, so zum Beispiel der Hinweis von @Renie. Und @Irisblatt scheint sich ja auch gut auszukennen durch einen längeren Aufenthalt in Indien. Ich selbst bin noch nie in Indien gewesen und kann auf der Ebene nicht mitreden.
In jedem Fall freue ich mich auf die weitere Lektüre.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Ich muss sagen, ich habe am Anfang ein paar Mal nochmals auf den Klappentext geschaut, um mich zu vergewissern, dass Mai wirklich die Mutter und nicht eine der Hausangestellten ist, denn nicht nur durch die Nennung mit dem Vornamen statt "Mutter" oder so, rückte die Hauptfigur näher an diese Figurengruppe als an die Familie heran. Die Übermacht von Großmutter und Großvater, also den Schwiegereltern von Mai aus betrachtet, ist in diesem Haushalt schon sehr bemerkenswert. wenigstens für uns als nicht-indische Leser.
Denn: ich habe eine indische Bekannte, die mit ihrem Mann und den 2 Kindern nach Deutschland gekommen ist, damit der Mann hier einen guten IT-Job machen kann. Sie hat hart daran gearbeitet, für die Familie hier ein Leben aufzubauen mit Sprache lernen, den Kindern einen guten Schulbesuch ermöglichen usw. usw. Aber sie weiß ganz genau: Sobald es ihren Schwiegereltern gesundheitlich schlecht geht, wird sie ihre eigene Familie hier in Deutschland verlassen müssen um sich um die für sie ja weitestgehend fremden Schwiegereltern zu kümmern. Das ist die klare und noch heute wohl weitgehend unbestrittene Rolle von verheirateten Frauen. Wahnsinn, oder?!
Die anekdotenhafte Erzählweise in dem Roman ist sehr besonders. Unentwirrbare Zeitsprünge ergeben sich daraus, die mich aber gar nicht stören, sondern sie dienen eher dazu, das Geschehen aus dem individuellen Schicksal herauszuheben und ihm mehr generelle, allgemeinere Bedeutung zur Rolle der Frau in Familien und der Gesellschaft über die indischen Grenzen hinaus zu geben. Denn es geht nicht darum, genau das Leben von Mai und/oder der Erzählerin Suni wiederzugeben, sondern über die Rolle der Frau in diesen zwei Generationen, die so unterschiedlich sind, aber dennoch dann doch so viele Gemeinsamkeiten aufweisen zu erzählen und Erkenntnisse zu vermitteln.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Insgesamt finde ich den Text sehr informativ, aber auch redundant. Manche Gedanken wiederholen sich (zu) oft: die Sorge der Kinder um Mai und der Hinweis auf eine bessere Zukunft. Das hatte ich dann irgendwann begriffen. Ich bin empfindlich, wenn Autorinnen oder Autoren mich für begriffsstutzig halten;).
Da bin ich insgesamt ganz deiner Meinung. Die Redundanz stört mich bisher allerdings nicht, aber sie ist schon sehr auffällig.
Erstaunlich. Wir müssen uns hier dringend in die fremde Welt einfühlen. Wie Wanda schon sagte, Indien behandelt seine Frauen schlecht, die ganze Kultur ist hochgradig frauenfeindlich. Unseren Maßstäbe dürfen wir nicht anlegen. Wird man in eine solche Welt hineingeboren und -erzogen, erträgt sie sich leichter.
Das stimmt absolut. Mit "europäischem" Blick sollte man nicht darangehen, hinzu kommt ja auch, dass die Geschichte bisher zumindest in der etwas ferneren Vergangenheit angesiedelt ist, da war es um die Rolle der Frau ja auch noch schlechter bestellt (hier und da). Ich empfinde die Schilderungen von Mais Unterdrückung deshalb auch gar nicht als so krass, weil ich irgendwie nichts anderes erwartet habe. Hinzu kommt, dass sie ja doch eine - wenn auch sehr subtile - Form von Feminismus lebt.
Sie trägt mich durch den Text, nimmt mich mit in diese mir weitgehend fremde Welt mit ihren fast archaischen Sitten.
Die Sprache ist großartig und zauberhaft. Bei mir muss man nur vom "Guavenbaum" schreiben, da bin ich schon hin und weg. Ich mag die Stimmung und Welt, die hier so üppig und vor allem auf alle Sinne abzielend, entworfen wird. Es ist bunt, duftet, es ist warm und schmackhaft.
Es dreht sich in diesem Haushalt sehr viel ums Essen.
Meiner Meinung nach dient das Essen auch der Charakterisierung der Figuren. Irgendwo - ziemlich zu Beginn - wird doch ausführlich über die Essensvorlieben der Figuren berichtet.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Ich mag den Roman sehr! Eigentlich wusste ich nach drei Seiten schon, dass das etwas mit uns wird :smileeye, aber ich habe auch eine große Vorliebe indische Autoren und Themen.

Hier gefällt mir insbesondere die sprachliche Detailliertest, die Bilder, die der Text so sinnlich hervorruft - er ist sehr üppig in seiner Beschreibung von Umgebung, Flora und Essen, aber irgendwie dann wieder äußerst sparsam und vage, wenn es um Fakten geht (siehe unsere Debatte um die Schulleiterin).

Ich finde es so spannend, diesen feministischen Roman zu lesen - denn das ist er. Es ist keinesfalls ein "Hau-drauf" und "in-your-face"-Feminismus und das macht es so erfrischend, faszinierend und interessant. Vielmehr wird hier eher verdeckt und glaubwürdig in den gesellschaftlichen Grenzen gearbeitet. Hierin erinnert der Roman stark an Romane des 19. Jahrhunderts, in denen ja auch Formen des "häuslichen" Feminismus gezeigt werden. Im Rahmen ihrer Rolle und vor allem dadurch, dass sie diese so vorbildhaft erfüllt und annimmt, erhält Mai Macht und übt diese auch. Interessanterweise erkennen die anderen Familienmitglieder diese Entscheidungen Mais dann auch an.
Ich denke, dass diese einfache Familienstruktur mit bösen autoritären Schwiegereltern, schwächlichem, aber zu Gewalt fähigem Ehemann und unterwürfiger Ehefrau nicht ganz so simpel ist, wie sie auf den ersten Blick (aus kindlicher Erinnerungsperspektive) erscheint und freue mich jetzt schon sehr auf das "Später".

Der mächtigen indischen Schwiegermutter bin ich erst kürzlich auch im

Buchinformationen und Rezensionen zu Das Porzellanzimmer von Sunjeev Sahota
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begegnet. Ich habe das Buch verschlungen und kann es nur empfehlen. Ein weiterer Blick auf ein indisches Frauenleben.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich mag die Stimmung und Welt, die hier so üppig und vor allem auf alle Sinne abzielend, entworfen wird
Ja. Das beschreibst du genauso, wie ich es auch empfinde.
Ich finde es so spannend, diesen feministischen Roman zu lesen - denn das ist er.
Vielmehr wird hier eher verdeckt und glaubwürdig in den gesellschaftlichen Grenzen gearbeitet.
Das ist das Besondere an diesem Roman. Er ist überhaupt nicht belehrend. Der Feminismus wirkt nicht aufgesetzt, sondern völlig organisch. Mai tut, was geht.
Ich habe das Buch verschlungen und kann es nur empfehlen. Ein weiterer Blick auf ein indisches Frauenleben.
Wirklich? Kein bisschen kitschig? Das Cover sieht so schön aus und ist uns schön früh aufgefallen. Die Zitate wirken indessen etwas sehr bluuuumig...
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Wirklich? Kein bisschen kitschig? Das Cover sieht so schön aus und ist uns schön früh aufgefallen. Die Zitate wirken indessen etwas sehr bluuuumig...
Tja, da muss ich gestehen, dass ich es als „China Room“ auf Englisch gelesen habe und daher nicht sagen kann, was die deutsche Übersetzung daraus gemacht hat Auf Englisch war es überhaupt nicht kitschig, äußerst fesselnd und sehr berührend. Meine Mutter hat es dann auf Deutsch gelesen, in einigen Szenen mit der drastischen deutschen Wortwahl gefremdelt - darüber hatten wir uns ausgetauscht - war aber dennoch überaus begeistert. Es ist eine gute Story. Es würde mich tatsächlich sehr interessieren, was ihr dazu sagt !
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Tja, da muss ich gestehen, dass ich es als „China Room“ auf Englisch gelesen habe und daher nicht sagen kann, was die deutsche Übersetzung daraus gemacht hat Auf Englisch war es überhaupt nicht kitschig, äußerst fesselnd und sehr berührend. Meine Mutter hat es dann auf Deutsch gelesen, in einigen Szenen mit der drastischen deutschen Wortwahl gefremdelt - darüber hatten wir uns ausgetauscht - war aber dennoch überaus begeistert. Es ist eine gute Story. Es würde mich tatsächlich sehr interessieren, was ihr dazu sagt !
Ich habe es schon hier liegen - nur so wenig Zeit zum Lesen.