1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 8 (Beginn bis Seite 71)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Catherine, ein eher unscheinbares Mädchen, Kind eher unscheinbarer Eltern kommt im England des 19. Jahrhunderts langsam in das Alter, das sie zu einer Heiratskandidatin macht. Das bedeutet für sie, dass sie ihr bisheriges, ruhiges Leben im Verborgenen der englischen Provinz (hier heißt das wohl eher "countryside") verlassen muss, um sich anzubieten auf dem Markt der Heiratsfähigen. Zurschaustellen und anziehend sein ist nun ihre Aufgabe und zwar an einem Ort, an dem sich dieses Verhalten auch lohnt. Bath ist das Ziel, dieser altehrwürdige englische Badeort, an dem sich in diesem Frühjahr alles versammelt, was irgendwie Rang oder Namen oder auch Geld hat. Ein Jahrmarkt der Eitelkeiten und Anziehungen beginnt, auf dem Catherine zunächst wenig gute Karten zu haben scheint. ihr Blatt allerdings wendet sich immer mehr zum Positiven mit der ein oder anderen Bekanntschaft, die trotz ihrer langweiligen Begleitung (Mr und Mrs Allen) gemacht werden können.
Mir gefällt bisher an dieser Geschichte und deren Darstellung vor allem die spitze Zunge bzw. Feder, mit der Jane Austen über ihr Personal und vor allem ihre Heldin Catherine spricht(schreibt. Sie lässt keinen Zweifel daran, was sie von dieser Art des Heiratsmarkts und den Rollen, die die Akteure (vor allem die Frauen) darin zu spielen haben, hält - ziemlich wenig. Da steckt immer wieder eine volle Portion Ironie in ihren Worten, die nicht zu überhören ist:
Doch zwischen fünfzehn und siebzehn bereitete sie sich auf ihren Auftritt als Romanheldin vor und las alle Bücher, die Heldinnen lesen müssen, um ihr Gedächtnis für die Wechselfälle ihres ereignisreichen Lebens so zweckdienlichen und erbaulichen Zitaten zu versorgen.
Jane Austen spielt immer wieder geschickt mit dem Leser. Sie reißt ihre Romanheldin aus der Illusion der Eigenverantwortlichkeit für ihr Handeln heraus und macht deutlich, wer hier die Macht über die Geschichte hat: sie selbst: Jane Austen:
Ja, Romane! - Ich will nämlich die kleinliche, unkluge Angewohnheit so vieler Romanautoren nicht übernehmen, die verächtlich und missbilligend eben die Kunstform herabsetzen, in der sie sich selbst betätigen, und die sich mit ihren ärgsten Feinden zusammentun, indem sie diese Literatur mit den gröbsten Schimpfnamen belegen und kaum zulassen, dass ihre eigene Heldin sie liest, .....
Solche Brüche im Erzählfluss bringen für mich sehr viel Spannung und Modernität in den Roman, der mich zwischendurch dann aber auch immer wieder einfach nur wunderbar abtauchen lässt in die wunderbar antiquierte Atmosphäre von Bath!
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich bin zwar noch nicht komplett durch mit diesem Abschnitt, zur Zeit bin ich auf Seite 51, dennoch schon mal ein kurzes Fazit von mir.
Jane Austen hat einen erfrischenden Schreibstil. Bei der Vorbemerkung musste ich schmunzeln, da mittlerweile viel mehr Jahre verstrichen sind, wir haben nun etwas mehr als 13 Jahre zu berücksichtigen ;) Ob die Autorin sich das wohl vorstellen konnte, dass ihre Romane einmal zu Klassikern werden und nach so langer Zeit noch regelmäßig gelesen werden?
Die junge Catherine Morland möchte junge Männer kennenlernen, um einen potentiellen Heiratskandidaten ausfindig zu machen. Herrlich wie Austen diese Bemühungen beschreibt. Man fühlt regelrecht mit, als sie noch befangen den Saal betritt, in der Hoffnung, dass die Augen der Männer auf sie gerichtet sind.
Das Gespräch mit Henry Tilney hat sie neugierig auf ihn gemacht. Für heutige Verhältnisse kaum vorstellbar, dass man sich nur vorsichtig umgarnt, damals gehörte dies allerdings zum guten Ton. Es macht Spaß in diese Zeit abzutauchen.
Die Freundschaft mit der älteren Isabella Thorpe könnte noch interessant werden, da es zum jetzigen Zeitpunkt so aussieht, dass diese ihren Bruder mehr als nur mag. Ist sie deshalb direkt bereit gewesen eine Freundschaft mit der 5 Jahre jüngeren zu beginnen?
 

Renie

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renies-lesetagebuch.blogspot.de
"Northanger Abbey" ist mein erster Jane Austen Roman. Ich bin sicher, dass ich mir noch weitere Romane von ihr einverleiben werde, allerdings mit reichlich Abstand zwischen den einzelnen Büchern.
Die Jane Austen Welt ist schon bemerkenswert. Das weibliche Personal verkörpert eigentlich alles, was man als moderne Frau ablehnen muss. Diese Tugendhaftigkeit und Keuschheit, dieser zuckersüße Liebreiz inklusive aufgesetzter Seufzer, diese Männlein/Weiblein Hierarchie inklusive bewusste Herabsetzen der weiblichen Intelligenz ist kaum zu ertragen. Aber ich liebe es :D und ich fühle mich großartig unterhalten. Es erstaunt mich, wie schmal der Grat zwischen Trivialliteratur und klassischer Literatur ist. Würde man dieselbe Geschichte in einer modernen Sprache, angepasst an die heutige Zeit erzählen, würden die meisten von uns in dieser Runde das Buch in die Ecke pfeffern. Aber für Jane Austen gelten eigene Gesetze.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich bin sicher, dass ich mir noch weitere Romane von ihr einverleiben werde, allerdings mit reichlich Abstand zwischen den einzelnen Büchern.
Genau so war auch der Konsens in meinem Literaturkreis, in dem wir "Überredung" lasen. Jeder einzelne Roman ist zauberhaft. Allerdings sind die Grundthemen rund um verschiedene Protagonisten sehr ähnlich, so dass es gut tut, Pausen zwischen den einzelnen Romanen zu setzen.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ein richtiges Wohlfühlbuch bisher ha ha ha. Die Affektiert- und Mariniertheit der weiblichen (aber auch der männlichen) Protagonisten - ich amüsiere mich kräftig. Nach all der schweren Literatur in letzter Zeit und besonders in diesen Zeiten tut es richtig gut, ein höchst amüsantes, mit spitzer Zunge formuliertes Buch zu lesen, bei dem man sich dem Inhalt ohne groß Nachzudenken einfach hingeben kann. Ja, auch als Mann gefällt mir das Buch :p:D.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Würde man dieselbe Geschichte in einer modernen Sprache, angepasst an die heutige Zeit erzählen, würden die meisten von uns in dieser Runde das Buch in die Ecke pfeffern. Aber für Jane Austen gelten eigene Gesetze.

Meinst du? Ich fände es auch dann witzig, weil sich Austen ja über solch eigentlich seichten Romane lustig macht. Sie nimmt die Klischees und Umstände mächtig aufs Korn. Gut gemachte Satire mag ich, auch in moderner Form.

Was gar nicht geht, sind ernst gemeinte Storys dieser Art.
 
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milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich glaube, wir sind uns einig. Mir bereitet die Lektüre auch viel Vergnügen. Die ersten Seiten sind etwas mühsam. Dann war ich voll drin und habe mich herrlich amüsiert. Wozu habe ich das Buch so lange aufgeschoben?

Ich bin allerdings froh, dass wir die Erläuterungen haben. Das hilft beim Verständnis der vielen feinen Nuancen enorm.

Mich erinnert der Roman ein bisschen an „The Importance of Being Earnest“ von Oscar Wilde, ein Werk, das ich sehr empfehlen kann. Die Story ist etwas anders und es ist ein Theaterstück. Aber Wilde macht sich darin auch über Standesdünkel und das Gehabe im 19. Jahrhundert lustig.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich habe schon einige Bücher Jane Austens gelesen. Sie bildet die Gesellschaft ihrer Zeit wunderbar ab, insbesondere auch die Standesdünkel der vermeintlichen Oberschicht.

Mir erscheint die hiesige Perspektive einer spöttischen allwissenden Erzählerin, die sich über manches erhebt und lustig macht, ziemlich neu. Wie sie ihre Heldin vorstellt, die doch eigentlich keine Heldin ist; wie sie sich über ihre eigene Profession, die Romane lustig macht, die ja keine ernstzunehmende Literatur sind. Ebenso wird die Frauenrolle fast bösartig aufs Korn genommen. Reden und Handeln bei den Figuren offensichtliche Gegensätze - niemand stört sich dran. Hoffentlich hält sich Catherine vom Gig-Fahrer fern. Nicht dass sie ihn aus lauter Höflichkeit noch heiratet...

Eine gewohnt nette Geschichte, deren Erzählweise ich einfach liebe:)
 
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