1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 7 (Seite 9 bis 74)

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.651
12.957
49
47
Ich lese den Roman bisher mit gemischten Gefühlen. Allerdings scheint er mir auf dem richtigen Weg zu sein, denn die letzten beiden Kapitel dieses Abschnitts fand ich bisher am besten. Vor den beiden wäre mein Urteil wohl mit "relativ genervt" ausgefallen.

Für mich gibt es eine Diskrepanz zwischen der Entwicklungsgeschichte von Andrew Green und dem Kriminalfall 1903. Greens Geschichte gefällt mir gut, er ist eine schillernde Figur, die spannend genug zu sein scheint, um diesen Roman zu tragen. Greens Zweifel im Hinblick auf seine Maskulinität, die aufkommende Homosexualität, die fehlende Liebe in der Familie, sein Gang nach New York - das hat mir gut gefallen, und ich folge seinem Weg gern weiter. Noch dazu habe ich eine wunderbare Empfehlung kennengelernt, die ich vielleicht auch mal auf Bücher anwenden werde, die mir nicht so zusagen. Gemeint ist natürlich Greens auf Seite 24 geschilderte Lesetechnik mit den jeweils zehn Seiten von Beginn und Ende eines Buches - herrlich und wirklich witzig.

Womit ich dann allerdings auch beim "Aber" bin. Denn der Humor rund um den Mord an Green, diese kauzigen Figuren und das übertrieben Skurrile in sehr vielen Szenen ist überhaupt nicht meins. Das hat mich genervt und gelangweilt und wirkt auf mich altmodisch-onkelig. Dass der Mordfall aus zwei Perspektiven fast doppelt erzählt wird, wirkte auf mich unglaublich lang. Dabei gab es in der Erzählung Mrs. Brays nur wenig Neues. Aufgefallen ist mir vor allem ihre offensichtliche Fehleinschätzung (?), Green habe im Gespräch mit Cornelius nach einer Miss Davis gefragt. In den Kapiteln davor las sich das ja anders.

Ein kleiner Seitenhieb auf die amerikanische Polizei, offenbar gab es auch vor über 100 Jahren schon Polizeigewalt gegen Schwarze, was dem Roman eine gewisse Aktualität gibt. Allerdings vermute ich, dass es sich hier nur um einen Nebenaspekt handelt. Die Szene mit den Polizisten fand ich insgesamt aber auch so bemüht witzig.

Naja, mal schauen, was der Roman noch so bringt, wenn er angeblich der "beste amerikanische Roman des Jahres" sein soll. Da müsste er sich in meinen Augen aber noch erheblich verbessern.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.733
2.679
49
Für mich gibt es eine Diskrepanz zwischen der Entwicklungsgeschichte von Andrew Green und dem Kriminalfall 1903.
Für mich auch, allerdings geht es mir genau andersherum. Ich lese gerne Krimis und der Teil der Beschreibung hat mich dazu gebracht, mich für das Buch zu interessieren. Das ist dann auch der Teil, der für mich Spannung entwickelt. Die Lebensgeschichte ist zwar auch interessant, aber eben zweiter Sieger.
 

wal.li

Bekanntes Mitglied
1. Mai 2014
2.733
2.679
49
Gemeint ist natürlich Greens auf Seite 24 geschilderte Lesetechnik mit den jeweils zehn Seiten von Beginn und Ende eines Buches
Zwar nicht genauso, aber doch so ähnlich ist ja auch das Buch geschrieben, immer abwechselnd vom Ende des Lebens und vom Anfang. Diese quasi Übertragung hat mit gut gefallen.
 

Sassenach123

Bekanntes Mitglied
27. Dezember 2015
4.355
10.667
49
49
Mir fällt gerade ein Stein vom Herzen, denn auch ich habe mich bisher eher zum lesen zwingen müssen. Mir setzen auch die Zeitsprünge zu, Man muss schon sehr konzentriert lesen, um alles mitzubekommen. Green scheint ein sehr besonderer Mensch gewesen zu sein, ein besseres Wort zur Umschreibung fällt mir bisher nicht ein.Viele Infos finde ich obendrein wenig interessant, dazu gehört zum Beispiel auch die bereits erwähnte Leseart. Auf so einen Blödsinn muss man erstmal kommen, im Gegensatz zu @Christian1977 konnte mich das nicht überzeugen;)

Aber ich bleibe jetzt erstmal entspannt, es wäre nicht das erste Buch, in das ich schlecht starte, das mich dann am Ende aber doch noch überzeugen konnte
 
Zuletzt bearbeitet:

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.743
9.827
49
Aufgefallen ist mir vor allem ihre offensichtliche Fehleinschätzung (?), Green habe im Gespräch mit Cornelius nach einer Miss Davis gefragt.

Das! und dieser "Jongleur"! Beides hat mich regelrecht aus dem Tritt gebracht, weil ich glaubte, nachlässig gelesen zu haben. War da nicht auch noch ein Straßenschwein?

Mich interessiert Greens Entwicklungsgeschichte auch mehr, als die Ereignisse am 13.11.1903, wobei mich dieses Datum ungebührlich beschäftigt und in fast kaballa-artige Berechnungen "gestürzt" hat. Dafür kann der Autor zwar nix, aber trotzdem hätte ich eine spekulationsärmere Erwähnung seines Todesdatums bevorzugt.

Ich versuche mir die ganze Zeit auszumalen, wie New York damals ausgesehen hat und falle dabei immer wieder aus der Zeit. Das muss noch ein wenig einprägsamer werden, finde ich...
 

Circlestones Books Blog

Bekanntes Mitglied
28. Oktober 2018
1.430
4.535
49
72
Wienerin auf Rügen
www.circlestonesbooks.blog
Die Idee, die Kapitel mit den einzelnen Eingangstoren zum Central Park zu betiteln und auch in jedem Kapitel einen gewissen Zusammenhang zu erzeugen, gefällt mir gut und ist interessant. Allerdings habe ich Mühe mit dem Schreibstil, irgendwie kommt er mir sehr behäbig vor, falls der Autor poetisch erzählen wollte, so hat er dies bei mir bisher nicht erreicht. Mich hat dieses Buch wegen des tatsächlichen Lebens und vor seines kreativen, für die damalige Zeit innovativen und nicht unumstrittenen stadtplanerischen Schaffens interessiert, aber die Abschnitte seiner Kindheit und Familiensituation sind für mich langatmig, langsam mache ich mir Sorge, dass zu wenig Seiten für Stadtplanung, Architektur, usw. bleiben. Natürlich ist es für einen Autor nicht einfach, einen Roman zu einer realen Person, realen Vorkommnissen, Fakten, vorhandenen Biografien und Zeitungsartikel so zu schreiben, dass er nahe an den Fakten bleibt und sich trotzdem vom schon Vorhandenen unterscheidet. Ich lese jetzt mal gespannt weiter und lasse mich sehr gerne doch noch überzeugen.
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.651
12.957
49
47
Die Idee, die Kapitel mit den einzelnen Eingangstoren zum Central Park zu betiteln und auch in jedem Kapitel einen gewissen Zusammenhang zu erzeugen, gefällt mir gut und ist interessant.
Originell finde ich das auch, muss aber gestehen, dass ich den Zusammenhang nicht immer verstanden habe. Zum Beispiel "Gate of All Saints".
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
14.937
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Wie ihr auch bin ich noch nicht ganz in diesem Buch angekommen. Green scheint ein kauziger Typ zu sein, ein Sauberkeits- und Ordnungsfanatiker erster Güte, nicht unbedingt sympathisch. Sein Humor scheint bei seinen Zeitgenossen eher mäßig anzukommen. Zu seiner Haushälterin, Mrs. Bray, die seit etwa 40 Jahren für ihn arbeitet, hat er ein freundschaftliches Verhältnis. Beide sind anscheinend Außenseiter wegen ihrer sexuellen Orientierung.

Für einen so jungen Autor (geboren 1981) erscheint mir der Stil recht altmodisch. Oder ist der Erzählstil an 1903 angepasst? Das ist mir noch nicht so ganz klar.

Ich kannte Green bisher nicht, wusste gar nichts über ihn, und bin daher gespannt, wie er es vom halbverhungerten Lehrling in einem Gemischtwarenhandel zum Stadtplaner brachte. Wahrscheinlich wäre es für die Lektüre von Vorteil, wenn man New York aus eigener Anschauung kennen würde, was bei mir leider nicht der Fall ist.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
14.937
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Das! und dieser "Jongleur"! Beides hat mich regelrecht aus dem Tritt gebracht, weil ich glaubte, nachlässig gelesen zu haben.
Mit der Jongleur-Szene konnte ich auch nichts anfangen, allerdings fällt hier erstmals die Bemerkung vom "gorßen Fehler" (als er die Zeitung in Brand setzt).
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.651
12.957
49
47
Ich kannte Green bisher nicht, wusste gar nichts über ihn,
Ich auch nicht, und ich meine mich zu erinnern, dass es in "Aspekte" hieß, selbst in den USA sei er trotz seiner Verdienste eine Art "vergessener Held". Schon deshalb finde ich es toll, dass er durch einen solchen - in den USA offenbar sehr erfolgreichen - Roman geehrt wird.
fällt hier erstmals die Bemerkung vom "gorßen Fehler" (als er die Zeitung in Brand setzt).
Der große Fehler kommt tatsächlich sehr oft vor. Ich glaube, die erste Erwähnung gab es schon, als Andrew seinen Mörder auf dessen Fleck am Schuh aufmerksam macht?
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
So, dieses Mal muss ich leider etwas hinterher tröpfeln, sorry dafür!

Puh, die ersten Kapitel machten mir den Einstieg nicht leicht. Der erste Satz ist zwar gut gewählt, danach werden wir aber mit Einzelheiten aus dem Leben eines uns noch unbekannten Charakters geflutet, die sich in meinem Hirn nicht recht verfangen wollten.

Mir gefällt der Schreibstil. Ich habe den Eindruck, dass der Autor versucht, sich an den Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts anzupassen - einer Epoche, die ich bekanntermaßen ja gerne lese. Er würzt manches mit etwas Humor, in dem er auf Absurditäten der Zeit hinweist (zum Beispiel die unterschiedlichen Wetterberichte am Todestag Greens). Anfangs fand ich das befremdlich, zunehmend gefällt es mir besser. Es finden sich schöne Sätze im Text (allerdings auch ein paar weniger gelungene):
"Die dünne weiße Schale hätte keinen Sinn, gehörte ihr Zerbrechen nicht zum PLan." 26
"...es war wohl richtig, dass bestimmte Leute mehr durch ihr Leben als durch ihren Tod zum Gemeinwohl beitrugen." 48

Wir erleben Green auf zwei Ebenen. Als Junge wirkte er auf andere offenbar feminin, was sich in seinem ersten Annäherungsversuch an seinen Freund manifestiert, als dessen Folge er nach NY geschickt wird. Die Mutter starb früh, das Verhältnis zum Vater ist angespannt. Zunächst empfindet man Greens Zwang zur Sauberkeit sehr eigenwillig. Wenn man aber seine Erfahrungen als Junge im dreckigen New York hinzuzieht, wird ein Schuh draus. Er kann den Dreck der Großstadt schwer ertragen. Der "große Fehler" taucht als Motiv wiederholt auf.

Früh schon denkt Andrew darüber nach, Baumeister zu werden. Er legt Wert auf Ästhetik und Schönheit.

Die Nebencharaktere werden sehr anschaulich beschrieben. Mir gefällt die virile Mrs Bray in ihrer Rolle, bei Inspector McClusky endlich mal wichtig sein zu können. Auch der Arzt Dr. Forbes mit seiner Taubenphobie, der sich kaum aus dem Haus traut und auf seinen Einsatz lauert.
Officer Kelly, der offenbar den Mob zum Lynchmord am farbigen Mörder aufrufen will. Der Rassismus in Amerika: omnipräsent!
Der geheimnisvolle Jongleur: Ich bin sicher, wir werden ihm wieder begegnen. Auch diese Szene war wunderbar bildlich beschrieben.

Die Anfänge im Handel stellen sich mehr als steinig für Andrew dar. Allerdings zeigt sich hier erneut (wie schon auf der Farm) sein Wille und Hang zum Perfekten, der der Grund ist, warum er sich als Lehrling bei seinem despotischen Chef halten kann. Andrew ist bei seinem mageren Lohn ein Gewinn für den Mann. Außerdem hat der Junge Nehmerqualitäten. Er träumt vom sozielen Aufstieg, auch wenn er noch keine Ahnung hat, wie ihm das gelingen soll.

Ein weiterer Protagonist scheint die Stadt NY selbst zu sein. Mich beeindrucken die Schilderungen vom Dreck, der noch aus den Fenstern geschüttet wird, vom verschmutzten Trinkwasser, von den räudigen Hunden überall (beeindruckend die Szene, als A. den Hund vor dem Tod retten will - eine prägende Erfahrung betitelet mit "Gewinn und Verlust", kaum etwas passt zu NY besser als das;)).

Andrew ist ein genauer Beobachter, sowohl seiner Umgebung als auch der Menschen darin."In seinem Kopf begann seine eigene Version New Yorks zu entstehen" 71
Er sucht intuitiv nach seiner Chance und Gelegenheit. Wie üblich habe ich mich nicht mit der Person Andrew Greens beschäftigt. Ich lasse das Buch so allein auf mich wirken. Abgesehen vom holprigen Einstieg gefällt mir gut, was ich bisher lese.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.488
50.100
49
Denn der Humor rund um den Mord an Green, diese kauzigen Figuren und das übertrieben Skurrile in sehr vielen Szenen ist überhaupt nicht meins. Das hat mich genervt und gelangweilt und wirkt auf mich altmodisch-onkelig.
Zunächst ging mir das ähnlich, scheint sich jetzt aber verloren zu haben. Hoffentlich bleibt es so.
Ich versuche mir die ganze Zeit auszumalen, wie New York damals ausgesehen hat und falle dabei immer wieder aus der Zeit.
Ich finde es ziemlich gut beschrieben. Mir geht es allerdings mehr um das Atmosphärische, das wahrscheinlich für viele Großstädte dieser Zeit gelten dürfte, die schneller wuchsen, als es die Infrastruktur erlaubte.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
14.937
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Die Nebencharaktere werden sehr anschaulich beschrieben. Mir gefällt die virile Mrs Bray in ihrer Rolle, bei Inspector McClusky endlich mal wichtig sein zu können. Auch der Arzt Dr. Forbes mit seiner Taubenphobie, der sich kaum aus dem Haus traut und auf seinen Einsatz lauert.
Officer Kelly, der offenbar den Mob zum Lynchmord am farbigen Mörder aufrufen will. Der Rassismus in Amerika: omnipräsent!
Der geheimnisvolle Jongleur: Ich bin sicher, wir werden ihm wieder begegnen. Auch diese Szene war wunderbar bildlich beschrieben.
Was Mrs. Bray betrifft, gebe ich dir recht. Sie ist bisher die sympathischste Figur, sie weiß den Sonderling Green zu nehmen und ist herrlich zupackend und direkt. Ansonsten sind mir die Nebencharaktere ein wenig zu skurril, ich merke, dass ich sie schnell wieder vergesse.
Zum Jongleur: Falls er nicht wieder auftaucht, finde ich die Szene überflüssig. Aber wir werden sehen.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
14.937
49
Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich denke, dass die meisten auch nicht wieder auftauchen. Für den Moment ihres Auftritts haben sie mir in ihrer Besonderheit aber gut gefallen und mich z.T. auch amüsiert.
Amüsiert haben sie mich teilweise auch. Manch einer - wie der Anwalt im zweiten Leseabschnitt - hätte einen eigenen Roman verdient. Nur haben mich diese Geschichten immer wieder sehr abgelenkt. Normalerweise stört mich das nicht und ich habe noch nicht ganz verstanden, warum es hier anders ist. Trotzdem gefällt mir der Roman zunehmend besser.