1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 7 (Beginn bis Seite 84)

RuLeka

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30. Januar 2018
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Wir haben es hier mit einem Familienroman zu tun, der auf zwei Zeitebenen erzählt wird.
Der eine Teil spielt in der Gegenwart. Drei Brüder treffen sich nach Jahren wieder an dem früheren Ferienhaus der Familie. Sie haben sich hier getroffen, um die Asche ihrer Mutter an diesem Ort zu verstreuen.
Dieser Strang wird zeitlich rückwärts erzählt. Es beginnt um 23.59 Uhr, mit der Ankunft eines Polizeiwagens. Der mittlere der Brüder hat diesen gerufen, weil sich die beiden anderen beinahe totgeprügelt haben. In den weiteren Kapiteln werden langsam die Geschehnisse aufgeblättert, die in dieser Eskalation endeten.
Neben dem Gegenwartsstrang gibt es einen Blick zurück in die Vergangenheit, in denen die Brüder noch Kinder waren. Sie sind zu diesem Zeitpunkt sieben ( Pierre) , neun ( Benjamin ) und dreizehn ( Nils) Jahre alt. Benjamin hält sich ständig in der Nähe der Eltern auf, beobachtet und belauscht sie, während Nils sich absondert und das Familienleben weitgehend ausblendet. Diese Kapitel werden im Wechsel mit Kapiteln aus der Gegenwart erzählt.
Trotz der Idylle am See ist es keine Astrid Lindgren- Geschichte, keine Heile Welt Familie. Im Gegenteil! Die Eltern verbringen die Ferientage am Ufer sitzend und Alkohol trinkend. Der Vater animiert die Jungs immer mal wieder zu irgendwelchen Spielchen, bei denen sie in Konkurrenz zueinander treten, die aber eher dazu dienen, die Kinder zu beschäftigen. So z.B. sollen die Jungs um die Wette bis zur Boje schwimmen, um herauszufinden, wer der Schnellste ist. Die Entfernung ist aber von ihnen kaum zu schaffen, sie haben Todesangst und unterstützen sich gegenseitig, um wieder ans Ufer zurückzukehren. Dort angekommen, stellen sie fest, dass die Eltern längst wieder im Haus sind. Das Ergebnis hat beide überhaupt nicht interessiert.
Das nächste Kapitel war für mich fast nicht zu ertragen. Die Eltern halten Siesta, die Jungen gehen angeln und braten danach den noch lebenden Fisch.
Auch das folgende Kapitel zeigt wieder, wie die Jungs bestrebt sind, es ihren Eltern Recht zu machen, aber sie werden wieder zurückgestoßen .
Vernachlässigte Kinder, alkoholsüchtige Eltern…. Nach „ Shuggie Bain“ das zweite Buch innerhalb kürzester Zeit mit diesem Thema.
Wieder keine angenehme Lektüre, doch ich lese mit Spannung weiter.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich habe mich vorab nicht mit der Erzählstruktur des Romans befasst und war überrascht, dass einer der beiden Stränge rückwärts erzählt wird. Mir gefällt die Idee aber ganz gut. Ich bin mal gespannt, wie sie im weiteren Verlauf trägt. Aber das könnte so prima funktionieren. Es macht gleich neugierig darauf, wie es so weit kommen konnte, dass die Brüder derart aneinander geraten sind.

Ansonsten packt mich die Geschichte bis jetzt noch nicht so sehr. Der Vergangenheitsstrang ist recht deprimierend und etwas monoton. Das Verhalten der Eltern lässt mich kopfschüttelnd zurück. Das wird definitiv wieder keine leichte Kost.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Vernachlässigte Kinder, alkoholsüchtige Eltern…. Nach „ Shuggie Bain“ das zweite Buch innerhalb kürzester Zeit mit diesem Thema.
Da 'Alphabet' auch nicht gerade vor optimistischen Themen strotzte, ist dies jetzt das dritte Buch in Folge mit einem derart deprimierenden Thema. Puh, ich glaube ich brauche ganz bald was von Herrn Kling und dem Känguru.
Dennoch - der erste Teil gefiel mir. Auch wenn der erste Eindruck der Kindheit erst mal etwas scheinbar Beruhigendes und Harmonische hat, ist schnell klar, dass dies nicht zutrifft. Der ständige Alkoholgenuss der Eltern, ihre ausartenden Streitereien, die wechselnden Launen der Mutter - dass sich dies in den Kindern niederschlägt, verwundert da nicht allzu sehr. Benjamin, der sich Zurückhaltende und Beobachtende; Nils, der sich komplett zurückzieht wie der große Bruder von Shuggie Bain; und Pierre, der zu Aggressionen und grausamen Verhalten neigt. Und irgendwann dann noch dieser große Knall in der Vergangenheit, der offenbar alles kapputt machte, was es halbwegs heiler Kindheit wohl noch gab.
Man schauen, was da noch kommt.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ich bin noch nicht ganz durch, finde es aber unfassbar, wie sehr die Eltern die Kinder vernachlässigen. Gänsehaut bekommt man bei dem Wettschwimmen. Die Kinder haben Todesangst und die Eltern kümmern sich nicht, kommen überhaupt nicht auf die Idee, dass das gefährlich sein könnte.
Die Szene mit dem lebendigen Fisch habe ich -als Mimose - mal überschlagen. Quälen denn alle Jungs gerne Tiere? Furchtbar.

Der Grundton ist unglaublich traurig. Aber ich mag das Buch. Es ist intensiv geschrieben. Ich rieche das Harz der Bäume. Ich fühle den Wind, der vom See her durch mein Haar streift, ich friere im kalten Wasser und meine Lippen laufen blau an. und ich bin traurig, weil so viel gesoffen wird und so wenig geliebt. Oder nachlässig geliebt.

Was für Erwachsene werden aus solchen Kindern? Wait and see.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Überschlagen. Man muss sich nicht alles zumuten. Tierquälereien finde ich dermaßen furchtbar, dass ich mich weigere, ihre Schilderungen zu lesen.
Da habe ich nur noch quer gelesen, war nicht auszuhalten.
Quälen denn alle Jungs gerne Tiere? Furchtbar
Ich glaube ( hoffe ), dass da ein Umdenken stattgefunden hat. Heute ist der Bezug zu Tieren ein anderer, das bekommen Kinder schon früh mit. Wobei man von solchen Tierquälereien schon öfter gelesen hat. Allerdings ist der Autor noch nicht so alt. Doch die Gefühlskälte der Eltern schlägt sich sicher im Verhalten der Kinder wieder.
Es ist intensiv geschrieben. Ich rieche das Harz der Bäume. Ich fühle den Wind, der vom See her durch mein Haar streift, ich friere im kalten Wasser und meine Lippen laufen blau an
Der Autor schreibt sehr sinnlich. Die Landschaft ist unglaublich präsent. Die Natur ist aber keine Idylle ( Kinder sagen auch nie, wie schön oder romantisch es irgendwo ist ), sondern eher unheimlich ( der Wald ) oder gefährlich ( der See).
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Überschlagen. Man muss sich nicht alles zumuten. Tierquälereien finde ich dermaßen furchtbar, dass ich mich weigere, ihre Schilderungen zu lesen.
Tatsächlich war das die einzige Szene im ganzen Buch, die für mich unnötig war. (Ich habe es schon gelesen und schaue hier nur ab und zu mal vorbei.)
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Der Autor schreibt sehr sinnlich. Die Landschaft ist unglaublich präsent. Die Natur ist aber keine Idylle ( Kinder sagen auch nie, wie schön oder romantisch es irgendwo ist ), sondern eher unheimlich ( der Wald ) oder gefährlich ( der See).
Gerade durch den Kontrast zwischen dem roten Schwedenhaus und der so gar nicht bullerbümäßigen Familie wirkte die Stimmung auf mich so bedrohlich.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Gerade durch den Kontrast zwischen dem roten Schwedenhaus und der so gar nicht bullerbümäßigen Familie wirkte die Stimmung auf mich so bedrohlich.
Och, auf mich nicht. Es ist schon idyllisch. Die Eltern denken ja auch, hier, wo nichts ist, kann den Kindern nix passieren. Stimmt fast. In der Rückschau wird es den Kindern schon schön vorkommen. Denk ich mal.

Nur, was in Kindern vor sich geht, davon haben die Eltern keine Ahnung. Aber sie waren doch selber mal Kinder.

Was ich vermisse ist, dass die Kinder nix zu essen bekommen. Die Eltern essen Wurst, was essen die Kinder? Wer kocht für sie? Keiner wahrscheinlich.

Diese letzte Aktion mit dem Birkenzweigeholen: vom Vater immer erst gutgemeint. Was mit den Kindern unternehmen, sie anzureizen, sich zu betätigen und auszuprobieren - dann verliert der die Lust und überlässt sie sich selbst.
Die Kinder müssen mitten in der Nacht Blumen pflücken. Warum Ben nicht sagt, gib uns ne Taschenlampe mit. No idea. Ich glaube, so bis 7 oder 8 Jahren sind Eltern Götter. Danach setzt die Götterdämmerung ein.
Ich möchte die Eltern besser kennenlernen. Was sind das für welche? Sind sie so so asoziale Leute, wie sie rüberkommen oder doch ganz anders. Beide sind ambivalent. Sie haben ihre Kinder lieb, so weit sie keine Mühe machen.
 
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Reaktionen: RuLeka

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Das Verhalten der Eltern ist vermutlich trinkertypisch: auf den Höhenflug, wo die Welt in Ordnung ist und sie sich aufgeschlossen und freundlich benehmen, folgt der Absturz - schlechte Laune, Abgeschlagenheit, "leckt mich doch alle".
Trotzdem - ihr könnt mich jetzt hauen, aber auf mich macht das alles bisher den Eindruck einer im großen und ganzen freundlichen Kindheit. Die Kinder haben einander, leben in einer schönen, friedlichen Umgebung, können auf Abenteuer ausgehen. Indessen weist der Titel "Die Überlebenden" darauf hin, dass es noch erheblich dicker kommen wird als bisher.
Interessant finde ich die Erzähltechnik: abschnittweise rückwärts, wie in dem Film "Memento". Ein sehr reizvolles Buch, auch sprachlich. Der Daumen zeigt schon mal nach oben.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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großen und ganzen freundlichen Kindheit. Die Kinder haben einander, leben in einer schönen, friedlichen Umgebung, können auf Abenteuer ausgehen.
Im Vergleich zu dem überbehüteten Alltag der Kinder von heute mag das sich ganz schön anhören. Doch für mich werden die Kinder vernachlässigt und zwar ziemlich stark. Zum Glück haben sie sich und im Sommer im Ferienhaus am See mag das noch angehen. Aber wie sieht es im Rest vom Jahr aus?
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Interessant finde ich die Erzähltechnik:
Ja, das ist wirklich interessant: die letzten Worte eines (Uhrzeit-)Abschnitts sind immer die ersten Worte eines vorangehenden Uhrzeit-Abschnitts - daran sieht man immer, wie viel Zeit vergangen ist. Ich bin noch nicht ganz durch mit dem Abschnitt, aber langsam fesselt mich die Geschichte; musste mich erst etwas einlesen.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Im Vergleich zu dem überbehüteten Alltag der Kinder von heute mag das sich ganz schön anhören. Doch für mich werden die Kinder vernachlässigt und zwar ziemlich stark. Zum Glück haben sie sich und im Sommer im Ferienhaus am See mag das noch angehen. Aber wie sieht es im Rest vom Jahr aus?
Mich erinnert das bisher schon ein bisschen an "Ferien auf Saltkrokan", wo man - gerade vor dem Hintergrund der heutigen Helikoptereltern - den Eindruck hat, die Kinder sind vollkommen sich selbst überlassen und streunen den ganzen Tag irgendwo herum.
Natürlich gibt es erhebliche Unterschiede; die Eltern auf Saltkrokan sind immer für ihre Kinder da. Trotzdem scheinen die Kinder ein ganz abgetrenntes Leben zu führen - wenn ich mich jetzt nicht gänzlich falsch erinnere.
Wie gesagt, der Titel "Die Überlebenden" spricht dafür, dass es noch weit schlimmer kommt. Mal schauen.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Mich hat in diesem LA vor allem interessiert und gefangen genommen, wie hier das Verhältnis der Geschwister beschrieben wird. Einerseits diese enge Gemeinschaft und der Zusammenhalt und dann immer wieder unterschwellige Rivalität und Gefahr füreinander. Das kommt in der Szene mit dem Schwimmwettbewerb rund um die Boje zum Ausdruck aber auch beim Fischefangen und -braten. Und immer wieder. Die Eltern nehmen sich hier eine Komplettauszeit am See. Sind sie wohl auch zu Hause so abwesende Eltern? Oder kommt das nur durch die ganz besondere Situation in den Ferien am See? Die zwei Zeitebenen kann ich hier sehr gut gegeneinander abgrenzen und sie ergänzen sich sehr sinnvoll und gut. Eine stimmige Angelegenheit ist bisher auf jeden Fall der Roman und irgendwohin wird uns dieses besondere Verhältnis der Geschwister zueinander auf jeden Fall noch führen.