1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 5 (Beginn bis Seite 45)

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.383
21.201
49
Brandenburg
aber sie ist verzweifelt, weil sie keine Wohnung findet
Ein durchaus lösbares Problem. Man muss es halt angehen. Vater und Tochter wollen durch Vitamin B umgehen, dass sie sich anstrengen müssen. Wie würde die Tochter eines bekannten Boxers keine Wohnung bekommen? Erzählt mir nichts.

Verdammen - das hab ich ja nicht gesagt. Nicht nachvollziehbar das Verhalten im Büro. Zumal mit ihrem sexuellen Erfahrungshorizont. Sie weiß sofort, was Sache ist und muss sich deutlich distanzieren. Wenn man mit 16 "in die Modebranche" geht und sich bereits prostituiert hat, ist man kein unerfahrenes Kind mehr.
Aber ist egal.

Dein Einwand: ist nicht immer alles banal, oder oft? Ja klar.
Ich wollte nur sagen, die Handlung ist spärlich. Andere Autoren haben mehr Action. Was jetzt weder für noch gegen den Roman spricht, ich stelle es nur fest. (Kafka hat auch keine Action, übrigens, aber Kafka wirkt!)

In der Regel kann ich bei dieser Art von Romanen erst spät sagen, wie ich ihn finde. Auf jeden Fall ist mein Interesse geweckt und ich möchte weiterlesen. Das ist schon mal was.

Die Vergleiche ... also ich mag es nicht, wenn sie so gehäuft auftreten und bei Dingen, die man sowie so kennt. Dabei braucht man sie nicht. Manche sind auch sehr weit hergeholt, auch wenn man die Absicht des Autors sofort versteht.

Dies ist ein französischer Roman, nicht? Französischer Roman und französischer Film - immer etwas anders.
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.556
12.500
49
47
Bin ich die Einzige, bei der jetzt erst der Groschen gefallen ist?
Weiß ich nicht, aber ich zog diese Verbindung mit dem Titel tatsächlich von Anfang an.

Ich kam zunächst mit den ersten paar Seiten überhaupt nicht klar. Ich ärgerte mich schon darüber, dass der erste Satz zwei Drittel meines realen Büchertagebuchs füllte. Dabei hatten wir erst Montag, wo sollen die Sätze der anderen Bücher nun noch hinpassen? Ich schreibe nämlich den ersten Satz jedes gelesenen Buches dort hinein.

Das war aber nicht das Hauptärgernis, sondern vielmehr die Bandwurmsätze allgemein, die mich zu Beginn furchtbar nervten. Da ich sie nicht einmal für literarisch besonders gelungen halte und sie auch nichts mit dem Erzähltempo zu tun haben, ist es wohl eher eine Spielerei. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt.

Der Roman baut eine recht subtile Spannung auf, denn ich weiß noch nicht genau, wohin oder wie Hase Laura laufen wird. Wird sie im Casino sexuell ausgebeutet und/oder sich prostituieren? Oder läuft es auf "Gefälligkeiten" hinaus? Was ist die Verbindung zwischen dem Bürgermeister und Franck? Wer ist der ominöse Ich-Erzähler, der sich nur einmal kurz zeigt? Das finde ich gelungen. Auch die Bilder, z. B. das Gesangsduett mit der Polizei, halte ich für originell.

Die Figuren riechen oder stinken hingegen nach Klischee, aber vielleicht überrascht uns Tanguy ja auch noch.
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.556
12.500
49
47
Aus irgendeinem Grund bin ich davon ausgegangen, dass "das Mädchen, das man ruft" - also Laura - ein Sympathieträger sein wird, also ein Sonnenschein, der von allen für ihre freundliche Art geschätzt wird und der Roman insgesamt ein Wohlfühlbuch mit netten Charakteren in einer netten Umgebung ist.
Gute Mädchen kommen nach Deephaven... ;)
 

Emswashed

Bekanntes Mitglied
9. Mai 2020
2.676
9.513
49
Jetzt weiß ich auch, was mit "das Mädchen, das man ruft" gemeint ist. Bin ich die Einzige, bei der jetzt erst der Groschen gefallen ist?

Nö, bei mir hat es auch ein wenig gedauert und ich habe erst ein der Landessprache nicht mächtiges Dienstmädchen im Hotel, oder ähnliches vermutet.
Weiß ich nicht, aber ich zog diese Verbindung mit dem Titel tatsächlich von Anfang an.

Und ich kann Christians Aussage vielleicht etwas verifizieren, denn als ich meinen Mann nach dem Mädchen, das man ruft, fragte, wusste er auch sofort, was gemeint ist.
Was sagt uns das jetzt über unsere Männer?!
Insgesamt habe ich den Eindruck, dass der Autor unglaublich viele Worte macht, um einen Sachverhalt zu schildern, oft auch überflüssige Worte. Manches Mal denke ich: Jetzt komm endlich zum Punkt.
Oh ja, da musste ich mich jetzt auch mächtig umstellen und konzentrieren. Aber wenn man sich Zeit nimmt sind diese Sätze überaus virtous und zeugen von einem hohen handwerklichen Geschick. (Ich würde zwischendrin heillos den Faden verlieren.)
Irgendwie sind ja alle miteinander verstrickt...

Diese Kulisse finde ich äußerst bedrohlich, vor allem für jemanden, der die Verknüpfungen nicht alle kennt.
In diesem Moment frage ich mich allerdings, warum der Vater seine Tochter ungesehen in dieses Spinnennetz laufen lässt. Er kennt den Bürgermeister, er kennt den Casinobesitzer und weiß auch sehr genau, wie sie drauf sind.
Laura spielt sehr bewusst mit ihren Reizen, aber den Vater halte ich für naiv.
Ich ärgerte mich schon darüber, dass der erste Satz zwei Drittel meines realen Büchertagebuchs füllte.

Haha, blöd gelaufen. Kleb ein kleines Leporello in die Seite, dann weißt Du sogar noch nach Jahren, dass das eine etwas umständliche Nummer war. (Ich darf in meinem Lesetagebuch nur eine Din A6 Seite pro Buch füllen, das ist manchmal auch eine Herausforderung - vielleicht hilft Steno.)
Auch die Bilder, z. B. das Gesangsduett mit der Polizei, halte ich für originell.

Komischerweise habe ich die beiden Polizisten im weiteren Verlauf der Geschichte total ausgeblendet. Aber irgendeinen Grund muss es ja geben, dass der Autor sie genauso detailverliebt beschreibt, wie den Rest seines Personals.

Ich mag den Roman bis jetzt und sei es nur, weil er meine Konzentration verlangt und meine Phantasie in bildhaften Vergleichen anregt. Außerdem dieses "Vetterngewurschtel" in Kleinstädten ist äußerst spannend. Hauptsache der Autor verrät uns noch die begrabenen Leichen im Keller.
 

Christian1977

Bekanntes Mitglied
8. Oktober 2021
2.556
12.500
49
47
Laura spielt sehr bewusst mit ihren Reizen, aber den Vater halte ich für naiv.
Ich auch, beziehungsweise wird er in meinen Augen gar nicht wirklich charakterisiert. Wir erfahren auch überhaupt nichts über seinen Umgang mit Laura.
Was sagt uns das jetzt über unsere Männer?!
Sie können schneller die richtigen Schlüsse ziehen? ;)
Kleb ein kleines Leporello in die Seite, dann weißt Du sogar noch nach Jahren,
Basteln ist für mich völlig ausgeschlossen, zudem würde es die Ordnung stören. Dann doch lieber Steno.
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
trotzdem ich sie für recht vorhersehbar halte.
Tatsächlich? Ich frage mich die ganze Zeit, worauf die Geschichte hinauslaufen wird. Mehr, als ein Verbrechen, welches der Ursprung für die Befragung durch die Polizei sein wird, kann ich nicht erkennen. Nur welcher Art dieses Verbrechen sein wird, könnte ich noch nicht vorhersagen.
Ist bei Euch auch gleich zu Beginn das Kopfkino angesprungen, sozusagen der Film zum Geschehen aktiviert wurden?
Das auf alle Fälle. Ich kann das Hafenstädtchen vor mir sehen und die Figuren sind in aller Deutlichkeit skizziert. Es wäre auch ein Wunder, wenn nicht - immerhin lässt der Autor nicht viel Spielraum, sich seine eigenen Bilder machen zu können.
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich möchte Laura nicht so verdammen.
Nein, ich auch nicht. Denn ich kann noch nicht einschätzen, was bei ihr Masche ist und was Naivität. Sie versteht sicherlich, ihre Reize einzusetzen. Doch auch hier kann ich nicht erkennen, ob sie dies aus Berechnung macht oder aus Gedankenlosigkeit. Ich schwanke also noch zwischen "Femme Fatale" und "Blond und doof".
 

Renie

Moderator
Teammitglied
19. Mai 2014
5.858
12.454
49
Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Vater und Tochter wollen durch Vitamin B umgehen, dass sie sich anstrengen müssen.
So ist es!
Wie würde die Tochter eines bekannten Boxers keine Wohnung bekommen?
Der bekannte Boxer hat aber seine besten Zeiten hinter sich gelassen. Von Ruhm und Ehre ist hier nichts zu spüren, ganz im Gegenteil. Genauso könnte man fragen, warum ein bekannter Boxer als persönlicher Chauffeur des Bürgermeisters arbeitet und diesen durch die Gegend kutschiert. Wenn er schon keinen angemessenen Job bekommt, warum sollte seine Tochter so ohne weiteres eine Wohnung bekommen?
 

Wandablue

Bekanntes Mitglied
18. September 2019
9.383
21.201
49
Brandenburg
Ich auch, beziehungsweise wird er in meinen Augen gar nicht wirklich charakterisiert. Wir erfahren auch überhaupt nichts über seinen Umgang mit Laura.
Wie denn? Auf 160 Seiten passt jetzt nicht viel Hintergrundinfo.
Bis jetzt finde ich das Personal nicht klischeehaft. Es gibt Kasionoinhaber. Es gibt Bürgermeister. Es gibt mehr korrupte Politiker als man denkt (vor allem in Frankreich, in D natürlich nicht) - na ja, das Mädchen. Hier spielt der Autor hoffentlich mit meinen Vorurteilen.
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.187
49
Dennoch lese ich den Roman gern, denn seine kuriosen Vergleiche entschädigen mich für manche Langatmigkeit.
aber die Sätze faszinieren mich.
Ich bin total geflasht vom Stil, für den hier schon tolle Worte gefunden wurden. In meiner langsamen Lesart kommen sie wunderbar zur Geltung. Den Spinnenvergleich musste ich gleich laut lesen: ein Genuss, sage ich euch!
Mich fessselt die Geschichte, trotzdem ich sie für recht vorhersehbar halte.
Da schwingt was von Metoo mit. Aber sonst habe ich da gar keine Vorsehung. Es wird ein Szenario aufgebaut, aber was sich daraus ergibt? Wir werden sehen.
Die "verschachtelte" Schreibweise punktet bei mir, sie ist irgendwie intensiv.
Und wie intensiv!!! Was haben wir hier nur für eine Erzählperspektive? Ich fühle ständig den allwissenden Erzähler, der alles weiß, der die Ränkespiele kennt, der Lauras Vorleben kennt, der die Empfindungen der einzelnen Leute akribisch beschreiben kann. Oder schwappt manchmal personale Erzählperspektive mit hinein? Auf alle Fälle wirkt die Sprache auf mich extrem fesselnd. Ich höre genau zu. Langweilig ist nix und banal auch nicht.
Sie hätte sofort aufstehen müssen und z.B. sagen, "ich sitze lieber auf einem Stuhl".
Sie ist kein Mauerblümchen, aber dennoch erst 20. Sie sitzt im Schaltzentrum der Macht, beim Arbeitgeber ihres Vaters. Sie will nichts falsch machen. Ich kann das nachvollziehen. Sie ist ein schönes Mädchen ohne Schulabschluss und mit halbseidenen Referenzen... Diesen Graben spürt sie. Man denke an den Eingangsvergleich Bürgermeister=Gutsherr und die damit einhergehende Aufregung.
Überhaupt empfinde ich den gesamten Schreib-/Erzählstil als recht kunstvoll-filigran.
Sehr schön gesagt!!!
Wer ist der ominöse Ich-Erzähler, der sich nur einmal kurz zeigt?
Hat er sich gezeigt? Pah, hab ich ihn verpasst. Das würde dann tatsächlich für den allwissenden Erzähler sprechen...
Aber wenn man sich Zeit nimmt sind diese Sätze überaus virtous und zeugen von einem hohen handwerklichen Geschick.
Ganz meine Meinung:)
 
Zuletzt bearbeitet:

ulrikerabe

Bekanntes Mitglied
14. August 2017
3.050
7.678
49
Wien
www.facebook.com
Manches Mal denke ich: Jetzt komm endlich zum Punkt.
Genau das war gelegentlich mein Gedanke. Manche Sätze muss ich mehrfach lesen, emtwirren. Dann funktioniert das Kopfkino auch nicht mehr so gut. Obwohl durch sehr genaue Beschreibungen Personal als auch Mobiliar ein Bild bekommen.
Ich mag die bildhafte Sprache sehr; die Meaphorik finde ich sehr passend und ist mir bislang nicht zu viel.
Ich bin am Caravaggio Vergleich hängen geblieben.
S. 14 ..weil hier die Hell Dunkel Kontraste einer Laufbahn erschütternder sind als auf einem Gemälde von Caravaggio.

Ich gestehe, dass ich keine Kennerin von Caravaggio bin, kann zu den Hell Dunkel Kontrasten also kein inneres Bild erzeugen. Dann habe ich mir überlegt ob Max Le Corre viel mit Caravaggio anzufangen wüsste? Das Bild stammt vielleicht eher aus der Welt des Erzählers und n icht des Erzählten. Ich fand es unstimmig (so als Gefühl)
Es gibt Bürgermeister. Es gibt mehr korrupte Politiker als man denkt (vor allem in Frankreich, in D natürlich nicht) - na ja, das Mädchen. Hier spielt der Autor hoffentlich mit meinen Vorurteilen.
Wobei ich natürlich bei meinen eigenen Vorurteilen ankomme. Denn ohne viel auf Klappentext einzugehen: junge Frau, mittelalter Mann in Machtposition wenn das nicht nach einer metoo Story schreit. Männer in Machtperson also per se als sexueller Angreifer verinnerlicht? So will ich eigentlich nicht denken müssen.

Korrupte Politiker gibt es wohl überall und Freunderlwirtschaft auch. quid pro quo, Leistung gegen Leistung, hier ein wohlwollender Bescheid, da eine nicht ganz saubere Ausschreibung. Und das schon seit ewigen Zeiten. Nur sind manche Beteiligte vorsichtiger als andere. Und manche einfach nur saublöd.
Was hier durchsickert ist ein Geflecht, in dem es wahrscheinlich um etwas mehr geht als Wirtschaftskriminalität oder Amtsmissbrauch. Ich bin gespannt!
 

Literaturhexle

Moderator
Teammitglied
2. April 2017
19.250
49.187
49
Hat er sich gezeigt? Pah, hab ich ihn verpasst.
Ich habe ihn wiedergefunden! Eingang Kapitel 2. Geheimnisvoll!

Auch die wechselnden Schauplätze verstärken meine Neugier. Mal das Verhör, mal vergangene Szenen, mal Expertisen zum Status quo.

Auch Laura wird vielschichtig charakterisiert. Sie lügt gerne und oft, will den Polizisten aber die Wahrheit sagen. Sie hofft, ihre Vergangenheit hinter sich lassen zu können, macht aber auch keinen geläuterten Eindruck... Sie ist ein interessanter Charakter.

Der Autor kann unheimlich viel Kraft in seine Beschreibungen packen. Habt ihr nicht auch Gänsehaut bekommen, als die Häscher die schöne Laura an der Schule abgepasst haben? Das hatte was von Rotkäppchen und dem bösen Wolf. Man möchte rufen: Tu es nicht, geh nicht mit!
Bewiesen wird das durch die zweifelhaften Fotos, die später überall auftauchen und Laura als ernstzunehmendes Model verbrennen (wie wir seit "Hundepark" wissen).

Spannend der letzte Satz des Abschnitts und vielleicht ein Hinweis, das Max le Corre die Bombe platzen lassen wird?
 

Naibenak

Bekanntes Mitglied
2. August 2021
1.209
5.306
49
Nein, ich auch nicht. Denn ich kann noch nicht einschätzen, was bei ihr Masche ist und was Naivität. Sie versteht sicherlich, ihre Reize einzusetzen. Doch auch hier kann ich nicht erkennen, ob sie dies aus Berechnung macht oder aus Gedankenlosigkeit. Ich schwanke also noch zwischen "Femme Fatale" und "Blond und doof".
Geht mir ganz genauso!