Mich hat bisher allen voran beeindruckt, wie authentisch der Roman wirkt. Und zwar sowohl in den Kindheitsszenen, als auch in den ersten beiden einleitenden Kapiteln der Gegenwart.
Durch den schnörkellosen Stil und das bedingungslose Einlassen auf die Perspektive des Kindes habe ich manchmal tatsächlich den Eindruck, eine Autobiografie zu lesen. Ich kann mir bei der Lektüre sehr gut vorstellen, dass ein Kind diese Kriegszeit so empfunden haben muss. Die Angst vor den Angriffen des "Feindes", die Faszination, die solche NS-Feiern (nicht nur) auf Kinder haben mussten - das bringt Felix Schmidt mir nahe, ohne dabei zu beschönigen oder zu übertreiben.
Ebenso die Ambivalenz des Vaters, der sich in der Erziehung als wenig liebevoll erweist, sich gesellschaftlich aber nicht einmal ansatzweise verbiegen lässt. Eine bemerkenswerte Figur, wie ich finde. Zudem erzeugt dieses Verhalten bei mir doch eine ziemliche Spannung, wie es mit ihm und seiner Familie weitergeht.
Zwischendurch gibt es immer wieder Sätze, die mich aufhorchen lassen und die mich berühren. Der letzte Absatz auf S. 15 zum Beispiel. Da habe ich eine Gänsehaut bekommen.
Oder eine Seite danach über die Großmutter: "Ihre wärmenden Hände haben mir auch in späteren Jahren die Liebe und den Halt gegeben, die ich von den Eltern nicht bekam."
S. 34: "Ich hätte gerne einen anderen, einen verständnisvolleren Vater gehabt."
Aus all diesen Sätzen lese ich eine große Ehrlichkeit heraus, die mir der wertvolle Kern dieses Buches zu sein scheint.
Lobend erwähnen möchte ich zudem noch den Umgang mit Corona. Ich habe schon Romane gelesen, die genau im ersten Lockdown spielten, und die Menschen lebten wie in früheren Zeiten, waren im Hotel, reisten umher etc. Felix Schmidt verschweigt die Pandemie nicht, gibt ihr aber genau den Raum, in dem sie für die Handlung und das Befinden des Ich-Erzählers von Bedeutung ist.
Was nun Fiktion ist und was autobiografisch? Unabhängig davon empfinde ich es als Geschenk, dass wir auch heute noch Romane von Zeitzeugen lesen können, die uns diese Zeit so in Erinnerung rufen, dass wir sie nicht vergessen. Gerade auch in den heutigen Tagen.
Sorry, falls das zu pastoral klang, aber genau so empfinde ich gerade.