Diese ersten kurzen Seiten in der Gegenwart im Angesicht einer unheilvollen Diagnose sind unglaublich empathisch und realistisch geschildert.Ich habe diesem Tag gleich beim Aufstehen nicht getraut.
Diese Gefühlslage lässt den Ich-Erzähler aufbrechen zurück in die Kindheit...Ein diffuses Gefühl existentieller Bedrohung, dem man hilflos ausgeliefert ist. (...) Es ist ein Seelengefängnis. Wie nur bin ich da hineingeraten? 9
Es gibt Sätze in diesem Buch, die muss man laut lesen und sie schwingen lassen. Das ist einer davon.Siebenundachtzig Jahre sind vergangen, seit ich in diese Welt hineingeboren wurde. Ich bin um vieles älter geworden als der Vater. So lange hat es gebraucht, um über das schreiben zu können, was sein Schicksal war und in meinem Leben ein Angstgefühl hinterlassen hat. 15
Wie wahr!Aber Familie ist Schicksal. Auf die Entscheidung, zu wem wir gehören, haben wir keinen Einfluss. 17
Damit ist so unendlich viel ausgedrückt. Geschwister können sehr unterschiedlich sein - das liegt eben auch an der Art dieses Windes...Er hatte einen günstigen Wind in seinem Lebenssegel. 17
Das habe ich darauf geschoben, dass der Junge ja noch recht jung ist, und der Vater ihn gar nicht ernst nimmt. Obwohl der Junge sehr schlau ist für sein Alter, er versteht deutlich mehr Zusammenhänge als man für ein Kind seines Alters vermuten würde. Wobei viele Erkenntnisse vielleicht später aus dem Erlebten gezogen worden sein können.Ich wundere mich, dass jener sich nicht stärker bemüht, das Hören des feindlichen Senders oder seine gefährliche Meinung zu verheimlichen vor dem kleinen Sohn.
Und genau das macht es für mich sehr schwierig beim lesen,ich leide enorm mit beim lesen, da ich mir vorstellen kann, dass es so stattgefunden hat. Das ein junger Mensch, der unbefangen aufwachsen sollte, geprägt wird von solchen Ereignissen. Dennoch hat die Handlung eine Sogwirkung auf mich, auch wenn sie mir an die Substanz geht, mich zum nachdenken anregt.@Christian1977
Ich kann dir in allem nur beipflichten! Hier wird mit relativ wenigen Worten eine sehr intensive, historische Geschichte erzählt. Sie fühlt sich tatsächlich autobiografisch an. Aber eigentlich ist das egal. Sie könnte genau so stattgefunden haben. Das transportieren zu können, ist die Kunst der schreibenden Zunft.
Das habe ich genauso empfunden. Deswegen konnte ich auch über die Bemerkung hinweglesen, der Schuldienst seines Freundes sei "gemächlich". Ich weiß nicht, ob es früher tatsächlich so war, aber aus heutiger Sicht kann man das nicht mehr so schreiben.Empathie, Einfühlungsvermögen - das sind die Vokabeln, die mir zunächst einmal einfallen, wenn ich über diesen Schreibstil sprechen will. Man kann sich in die Emotionen des Protagonisten wunderbar hineinversetzen, sowohl in die des betagten Kranken, als auch in die des Kindes, von dem anschließend die Rede ist.
Für deine These spricht auch, dass der Vater beim gemeinsamen Mittagessen ebenfalls über die Nazis schimpft und seine beiden Söhne offenbar nicht als mögliche "Bedrohung" wahrnimmt.Das habe ich darauf geschoben, dass der Junge ja noch recht jung ist, und der Vater ihn gar nicht ernst nimmt.
In früheren Zeiten könnte das aber (zumindest von außen und im Vergleich mit der schweren Arbeit auf dem Feld) zugetroffen haben. Die Klassen waren zwar groß, aber diszipliniert. Der Lehrer war eine Autorität. Gleich nach dem Bürgermeister. Kaum jemand hätte ihn kritisiert, die Bauern beschenkten ihn mit den Früchten ihrer Arbeit.Ich weiß nicht, ob es früher tatsächlich so war, aber aus heutiger Sicht kann man das nicht mehr so schreiben.
Ich glaube, es ist ihm völlig egal, er steht dazu. Es ist allgemein bekannt, wie er denkt. Er zeigt den Nazis offen die Stirn. Da kann es kaum schaden, wenn der Sohn sich verplappern sollte. Denkt der Vater zumindest.Für deine These spricht auch, dass der Vater beim gemeinsamen Mittagessen ebenfalls über die Nazis schimpft
Dieser Seitenhieb war die einzige Bemerkung, die mich in diesem Abschnitt gestört hat. Als Schulleiter hat dieser Freund einen größeren Betrieb geleitet, der viel Arbeit, Konfrontation mit Leid, Ärger und schwierige Situationen mit sich brachte. Mein Vater war stellvertretender Schulleiter eines kleineren Gymnasiums. Ich weiß also, wovon ich rede. Man kann sein Geld wesentlich bequemer verdienen.Das habe ich genauso empfunden. Deswegen konnte ich auch über die Bemerkung hinweglesen, der Schuldienst seines Freundes sei "gemächlich". Ich weiß nicht, ob es früher tatsächlich so war, aber aus heutiger Sicht kann man das nicht mehr so schreiben.
Der Vater war völlig unbeherrscht, hatte sich nicht unter Kontrolle. Zumindest zu Beginn mag er aber auch die Gefahr unterschätzt haben.Für deine These spricht auch, dass der Vater beim gemeinsamen Mittagessen ebenfalls über die Nazis schimpft und seine beiden Söhne offenbar nicht als mögliche "Bedrohung" wahrnimmt.
So wird es den Kriegskindern jetzt gehen .Das ein junger Mensch, der unbefangen aufwachsen sollte, geprägt wird von solchen Ereignissen.
Diese ersten kurzen Seiten in der Gegenwart im Angesicht einer unheilvollen Diagnose sind unglaublich empathisch und realistisch geschildert.
Genauso ist es - leider ein Gefühl, das man niemals vergessen wird.Es ist Grauen, Lähmung und Panik in einem und kommt von tief unten aus einer Seelenschicht, in die das, was man mit dem Allerweltsbegriff Angst umschreibt, nicht herabreicht.
stutzig gemacht. Die Angst, um die es hier geht, scheint unabhängig von der Diagnose bereits versteckt vorhanden gewesen zu sein. Sie ist nur durch die Krebsdiagnose zu Tage getreten. Ich frage mich, welche Kindheit der Protagonist erlebt hat, dass daraus eine derartige Angst resultiert und bin daher unglaublich gespannt, auf das, was im weiteren Verlauf der Geschichte noch kommen wird.Ich will es zuordnen, Licht in die Zeit bringen, als sich der Alb auf meine Brust gesetzt hat. Ich will das Erbgut sequenzieren, um festzustellen, was ich vom Elternhaus mitbekommen habe. (S. 9)
Ich kehre in Gedanken in jene Kinder- und Jugendtage zurück, in denen sich etwas Zerstörerisches in das Familienleben eingeschlichen hatte, das seither in meinem Unterbewusstsein weiterlebt. (S. 10)
Reicht dafür nicht schon die beständige Angst vor dem jähzornigen, unberechenbaren Vater?Ich frage mich, welche Kindheit der Protagonist erlebt hat, dass daraus eine derartige Angst resultiert und bin daher unglaublich gespannt, auf das, was im weiteren Verlauf der Geschichte noch kommen wird.
Eher nicht. Ich hatte es so verstanden, dass er der Frage nachgeht, warum die Ungewissheit der Diagnose ihn so aus der Bahn wirft. Er sucht die Erklärung dafür in den Kindheitserlebnissen.Eine hypothetische Frage: Hätte der Protagonist die Reise zurück in die Kindheit unternommen, wenn er nicht erkrankt wäre? Was glaubt Ihr?
Der Alt-OB von Stuttgart, Manfred Rommel, soll einmal sinngemäß gesagt haben: "Do hocksch irgendwo und dohoam könndschd Äpfel ernte". (Sorry, ich kann nicht schwäbisch schreiben, nur reden.)Spontan dachte ich, dass die Reise an den Ort seiner Kindheit als eine letzte Reise zu werten
Mein Opa, der auch aus der Generation des Vaters stammt, hat sich in meiner Kindheit (70er Jahre) ähnlich geäußert. Wenn meine Oma ihn nötigte, in Urlaub zu fahren, kam immer sein Spruch "Was soll ich denn da? Es ist doch schön hier. Wir haben doch alles."
Der Fritz hatte durch die Großmutter Rückzugsmöglichkeiten und konnte ihm aus dem Weg gehen. Wenn die Angst vor dem Vater so groß gewesen wäre, hätte sich der Junge nicht auf Diskussionen mit dem Vater eingelassen und Widerworte gegeben oder Forderungen gestellt, selbst in dem Wissen, dass die Reaktion seines Vaters sehr schmerzhaft sein wird.Reicht dafür nicht schon die beständige Angst vor dem jähzornigen, unberechenbaren Vater?
Bemerkenswert im Sinne von "nicht verbiegbar", tatsächlich aber eher ein unangenehmer Zeitgenosse, da offenbar völlig unempathisch seiner Familie gegenüber und ein schlechter Vater. Und es interessiert ihn auch nicht, dass er mit seinem Verhalten die ganze Familie gefährdet.Ebenso die Ambivalenz des Vaters, der sich in der Erziehung als wenig liebevoll erweist, sich gesellschaftlich aber nicht einmal ansatzweise verbiegen lässt. Eine bemerkenswerte Figur,
Ich glaube eher, dass er so weit nicht denkt. Er ist eher spontan, hat keine Impulskontrolle und denkt vermutlich über Konsequenzen - wenn überhaupt - erst nach, wenn es zu spät ist.Nimmt er die Gefahr (noch) nicht ernst? Hält er sich wegen seiner Freundschaft zum Bürgermeister für unverwundbar?
Ich glaube nicht, dass er das gemacht hätte. Das war wohl eher so ein "Wakeup call". Möglicherweise schleppt er den Wunsch schon länger mit sich herum, ist aber hin und her gerissen, weil er sich sorgt, was da alles wieder aufbrechen könnte. Die Diagnose sagt ihm aber, dass er die Reise möglicherweise nicht mehr beliebig vor sich herschieben kann, bevor sie unmöglich wird.Eine hypothetische Frage: Hätte der Protagonist die Reise zurück in die Kindheit unternommen, wenn er nicht erkrankt wäre? Was glaubt Ihr?
Hast du ihn jetzt eigentlich so getauft oder habe ich den Namen überlesen?Der Fritz hatte durch die Großmutter Rückzugsmöglichkeiten und konnte ihm aus dem Weg gehen.