1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 4 (Beginn bis Seite 74)

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Dörte Hansens Romane sprechen mich besonders an, weil ich dort lebe und die Gegend und Verhältnisse aus ihren 3 Romanen kenne.
Mit Zur See ist ihr wieder ein tiefgründiger Roman über Beziehungen in der Insel-Familie Sander gelungen.
Es geht um Umweltschutz, Klimawandel und Vor-und Nachteile des Tourismus.
Ich habe gestern eine Sendung über sie gehört, SWR2 am Samstagnachmittag. Zitat: „Andere schreiben mit Herzblut, ich schreibe mit Knochenmark.“
Die Autorin ist z.Z. Stadtschreiberin in Mainz, wohnt in Husum und ist in Nordfriesland aufgewachsen. Sie kennt Inseln und Gegend auch aus ihrer Tätigkeit beim Rundfunk.
 

Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Dörte Hansens Romane sprechen mich besonders an, weil ich dort lebe und die Gegend und Verhältnisse aus ihren 3 Romanen kenne.
Mit Zur See ist ihr wieder ein tiefgründiger Roman über Beziehungen in der Insel-Familie Sander gelungen.
Es geht um Umweltschutz, Klimawandel und Vor-und Nachteile des Tourismus.
Ich habe gestern eine Sendung über sie gehört, SWR2 am Samstagnachmittag. Zitat: „Andere schreiben mit Herzblut, ich schreibe mit Knochenmark.“
Die Autorin ist z.Z. Stadtschreiberin in Mainz, wohnt in Husum und ist in Nordfriesland aufgewachsen. Sie kennt Inseln und Gegend auch aus ihrer Tätigkeit beim Rundfunk.
Ich lebe auch hier an der Nordseeküste, bin selbst lange mit meinem Mann zur See gefahren, kenne die Inseln hier wie meine Westentasche und ganz ehrlich: die Frau trifft total ins Mark. Mir tat es weh zu lesen was sie so schreibt in „Zur See“. Ich habe das Buch bereits beendet und was soll ich sagen? Es tat (und tut es noch immer) weh weil sie recht hat mit allem. So bohrt in Wunden und lässt nichts aus.
 

Kristall86

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22. März 2021
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An der Nordseeküste
Die Sprache hier fesselte mich vom ersten Satz an. Sie schreibt in der dritten Person. Besser geht es nicht. Der Abstand zu den Personen bleibt gewahrt und genau so ist der Norddeutsche - nur nicht zu viel an sich heranlassen oder gar preisgeben. Und dennoch blicken wir in die armen Seelen. Hier werden uns ein kleiner Teil der Familie Sanders vorgestellt. Hansens Beschreibung sind einfach nur wow. Ihr monotoner Ton ist trotz ihrer detaillierten Beschreibungen optimal gewählt. Soll einen Ryckmer Leid tun? Hausgemacht und selbst verursachtes Leid aber das kommt nicht von ungefähr. Ein Kapitän verlässt nicht ohne Grund sein Schiff und die hohe See - da liegt die Wunde tiefer als gedacht. Und Hanne? Wie soll man sonst als Mutter reagieren? Sein Kind seinem Schicksal überlassen? Sicher nicht. Hanne ist Hafen der Gestrandeten und Verunglückten…auch für sich selbst.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Trotz eines im Grunde harten Insellebens ist das Meer Sehnsuchtsort. Vor allem im Winter ist das Klima rau, teils nicht ungefährlich und man kann sehr einsam sein. So geht es auch der Pastorenfrau, die während der Woche mit den Annehmlichkeiten des Festlandes leben möchte. Tochter Eske kann auf dem Festland nicht leben, weil sie Insel-Heimweh hat. Sohn Henrik fühlt sich rundum wohl, beeindruckt hat mich das „Pocken-Kreuz“ in der Inselkirche. Rickmers ist traumatisiert von einem schweren Seesturm und zum Alkoholiker geworden. Der Schnaps ist sein Nordseebrot.
 

Kristall86

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An der Nordseeküste
Trotz eines im Grunde harten Insellebens ist das Meer Sehnsuchtsort. Vor allem im Winter ist das Klima rau, teils nicht ungefährlich und man kann sehr einsam sein. So geht es auch der Pastorenfrau, die während der Woche mit den Annehmlichkeiten des Festlandes leben möchte. Tochter Eske kann auf dem Festland nicht leben, weil sie Insel-Heimweh hat. Sohn Henrik fühlt sich rundum wohl, beeindruckt hat mich das „Pocken-Kreuz“ in der Inselkirche. Rickmers ist traumatisiert von einem schweren Seesturm und zum Alkoholiker geworden. Der Schnaps ist sein Nordseebrot.
Ohne mich hier in den Vordergrund drängeln zu wollen: die See ist zu jeder Jahreszeit gefährlich - immer, die macht nie Pause. Egal ob Sommer oder Winter. Erst am Freitag ist so ein Depp von Urlauber ganz gemütlich hier bei uns ins Watt gewandert. Ende vom Lied: die DLRG musste ihn mit 40 Mann (Feuerwehr, Notarzt etc…) aus dem Schlick ziehen wo er schon bis zum Bauchnabel eingesackt war. Die Flut kam gerade. Im Sommer ist hier mehr los als im Winter. Die Touristen überschätzen sich maßlos und gehen ohne Wissen ins Watt. Völlig irre in unseren Augen:rolleyes::mad:

Karin macht es ja nicht nur wegen den Annehmlichkeiten auf dem Festland, sondern um ihre Tochter zu unterstützen mit ihrer Familie. Kann man verstehen, aber Matthias leidet darunter und sie nimmt es so hin - er auch. Für mich nicht nachvollziehbar aber das scheint ja heute recht “normal“ zu sein. Bitte nicht verwechseln: Eske, Henrik und Ryckmer gehören zur Familie Sander und nicht zur Pastorenfamilie.
 
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otegami

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Erst am Freitag ist so ein Depp von Urlauber ganz gemütlich hier bei uns ins Watt gewandert. Ende vom Lied: die DLRG musste ihn mit 40 Mann (Feuerwehr, Notarzt etc…) aus dem Schlick ziehen wo er schon bis zum Bauchnabel eingesackt war. Die Flut kam gerade. Im Sommer ist hier mehr los als im Winter. Die Touristen überschätzen sich maßlos und gehen ohne Wissen ins Watt. Völlig irre in unseren Augen:rolleyes::mad:
*Giggel* ist halt die 'Touristen'-Krankheit! ;) Im Gebirge gehen sie mit Halbschuhen die Berge hoch! (Da muss die Bergwacht ran!) Unvergessen: auf dem Wendelstein stiegen wir aus der Seilbahn, natürlich passend angezogen. Mit uns stieg eine junge Frau aus: Plisseerock, leichtes Jäckchen über die Schulter geworfen und mit High Heels!!!!!! (Den Anblick werde ich nie vergessen, auch wenn es schon in den 80er Jahren war! :rofl

Total begeistert bin ich von der Sprache! Diese Beschreibungen - einfach Spitze!!!!

Stark geschmunzelt habe ich auf den Seiten 26/27 und hätte dem Pastor am liebsten zugerufen: "Willkommen im Club!"
Das geht auch allen Freiberuflern so, dass ihre 'Schäfchen' sich nicht vorstellen können, dass man auch mal Freizeit haben und nicht an die Arbeit denken will.
Ärzte werden mit Schmerzen konfrontiert, bei Rechtsanwälten bellt 100%ig ein Hund in der Nähe (oder quakt ein Frosch zur Unzeit) und Steuerberater mit Problemen bei der letzten Steuererklärung (oder Hoffen auf deeeen ultimativen Tipp bezüglich Geschäftsführung). Also, damit wir uns recht verstehen: das ist bei Spaziergängen mitten im Wald, auf Festen (z.B. Kindergartenfesten) usw. usf.!
Na, wer kann meine Liste an Berufen noch erweitern? :helo
 

Kristall86

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An der Nordseeküste
*Giggel* ist halt die 'Touristen'-Krankheit! ;) Im Gebirge gehen sie mit Halbschuhen die Berge hoch! (Da muss die Bergwacht ran!) Unvergessen: auf dem Wendelstein stiegen wir aus der Seilbahn, natürlich passend angezogen. Mit uns stieg eine junge Frau aus: Plisseerock, leichtes Jäckchen über die Schulter geworfen und mit High Heels!!!!!! (Den Anblick werde ich nie vergessen, auch wenn es schon in den 80er Jahren war! :rofl

Total begeistert bin ich von der Sprache! Diese Beschreibungen - einfach Spitze!!!!

Stark geschmunzelt habe ich auf den Seiten 26/27 und hätte dem Pastor am liebsten zugerufen: "Willkommen im Club!"
Das geht auch allen Freiberuflern so, dass ihre 'Schäfchen' sich nicht vorstellen können, dass man auch mal Freizeit haben und nicht an die Arbeit denken will.
Ärzte werden mit Schmerzen konfrontiert, bei Rechtsanwälten bellt 100%ig ein Hund in der Nähe (oder quakt ein Frosch zur Unzeit) und Steuerberater mit Problemen bei der letzten Steuererklärung (oder Hoffen auf deeeen ultimativen Tipp bezüglich Geschäftsführung). Also, damit wir uns recht verstehen: das ist bei Spaziergängen mitten im Wald, auf Festen (z.B. Kindergartenfesten) usw. usf.!
Na, wer kann meine Liste an Berufen noch erweitern? :helo
Wir wurden mal im Urlaub von Kunden „überrascht“ und begrüßt und gefragt ob denn die Reparatur schon fertig sei - man hat ja sonst nichts zu tun! :rolleyes:

Ja, so richtig allein ist man nicht wenn man mal allein sein will. Auch hier kann man Vergleiche ziehen oder sie als unbenannte Metapher sehen: auch auf einem Schiff ist man nie ungestört. Man arbeitet immer solange man dort im Dienst ist. Egal ob von der Crew oder von Passagieren. 24/7 Standby. Egal ob man an Land ist oder seine vermeintliche Freizeit auf dem Schiff genießen will. Es fragt immer irgendeiner nach jemanden….das geht an die Substanz.
 

Kristall86

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High Heels!!!!!! (Den Anblick werde ich nie vergessen, auch wenn es schon in den 80er Jahren war! :rofl

Total begeistert bin ich von der Sprache! Diese Beschreibungen - einfach Spitze!!!!
Da wollte jemand ganz hoch hinaus:rofl:thumbsup

Super oder? Sie trifft so dermaßen damit ins Schwarze - nordisch, trocken, herb und dennoch punktgenau. Klingt fasst wie eine Bier-Werbung:p
 

ulrikerabe

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Bei mir ist es genau umgekehrt, sie sorgen für Urlaubsfeeling. :smileeye
Für mich, so habe ich es immer behauptet, sind Inseln eine Art Sehnsuchtsort. Fühle ich mich ertappt, wenn hier steht, dass Inseln Menschen anziehen, die Wunden haben.? Aufschläge auf Haut und Seele. Vielleicht.

Momentan, nach dem ersten Kapitel, bin ich schon sehr angetan vom Buch. Hanne und ihr Sohn, der es schaffen muss täglich den Poller zu treffen. Hanne ist Ryckmers täglicher Poller.
 

Kristall86

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Für mich, so habe ich es immer behauptet, sind Inseln eine Art Sehnsuchtsort. Fühle ich mich ertappt, wenn hier steht, dass Inseln Menschen anziehen, die Wunden haben.? Aufschläge auf Haut und Seele. Vielleicht.

Momentan, nach dem ersten Kapitel, bin ich schon sehr angetan vom Buch. Hanne und ihr Sohn, der es schaffen muss täglich den Poller zu treffen. Hanne ist Ryckmers täglicher Poller.
Ja, da hast Du recht. Sehnsucht trifft es vielleicht - für die Seele eben.

Ryckmers Poller, den er täglich treffen muss, ist der Alkohol - zumindest in meinen Augen. Er muss den Pegel halten um nicht die bösen Geister an sich heran zu lassen. Das ist seine Mauer. Hanne ist da nur die Leine, die Ryckmer irgendwie hält...um das er nicht ganz absäuft und in den Fluten verschwindet.

Ich liebe ja diese Zweideutigkeit in Hansens Wortwahl! Hier sprudeln nur so die Metaphern daher! Grandios!
 

Kristall86

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An der Nordseeküste
Gute Frage, was gibt einem Halt, die Leine, oder der Pflock an dem sie befestigt wird. Hanne ist da, jeden Tag, unverrückbar. Der Alkohol das Gegenteil, macht ihn haltlos.
Da könnte ich jetzt philosophisch werden:grinning…zumal sich nicht die Frage stellt „was gibt einem Halt“ sondern was gibt Ryckmer Halt. Für das was er erlebt hat, was er gesehen hat, braucht er den Alkohol als „Lebenserhaltungsmaßnahme“ und Hanne ist, wie ich sagte, die „Leine“ dazu. Ohne beider Dinge wäre er schon längst nicht mehr da. Hätte das Erlebte nicht überstanden. Hier an der Küste wird so etwas gern als symbolischen Akt abgestempelt: der Seemann der saufen kann was das Zeug hält. Der harte Kerl nach außen hin. Aber warum säuft denn der Seemann? Dahinter steht die Frage und die Antwort erhält man, wenn der Seemann seine Seelenkiste öffnet und erzählt. Nicht immer einfach und wenn man es „nüchtern“ (welches Wortspiel zu dem Thema:grinning) betrachtet, alles auch nur ganz menschlich und irgendwie nachvollziehbar warum er das tut.
 

wal.li

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Das geht auch allen Freiberuflern so, dass ihre 'Schäfchen' sich nicht vorstellen können, dass man auch mal Freizeit haben und nicht an die Arbeit denken will.
Nicht nur Freiberuflern, die anderen hören: Du bist doch da und dort, kannst du nicht mal? Ich muss aber gestehen, so etwas hat mir bei Gelegenheiten auch schon auf der Zunge gelegen. Ich gebe mir aber Mühe, es zurückzuhalten.
 

wal.li

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Ryckmers Poller, den er täglich treffen muss, ist der Alkohol - zumindest in meinen Augen.
Oh je, das habe ich wohl sehr wörtlich genommen. Ich dachte, sie sorgt dafür, dass er nüchtern genug ist, um den Poller mit dem Seil zu treffen, damit das Schiff festgemacht werden kann. Dann behält er wenigsten die Stelle.
 

wal.li

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Sehr eindringlich, wie Dörte Hansen ihre Personen einführt. Hauptsächlich geht es um die Familie Sander, deren Mitglieder alle irgendwie besonders sind. Und der Pastor Lehmann, dessen Frau nicht ihn, aber doch die Insel verlassen will.

Inseln sind tolle Urlaubsorte, aber ob ich während des ganzen Jahres auf einer leben könnte, glaube ich nicht. Auch wenn das Festland nicht weit ist, ist es doch entfernt. Wahrscheinlich geht es echten Inselmenschen umgekehrt ähnlich.
 

Kristall86

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An der Nordseeküste
Oh je, das habe ich wohl sehr wörtlich genommen. Ich dachte, sie sorgt dafür, dass er nüchtern genug ist, um den Poller mit dem Seil zu treffen, damit das Schiff festgemacht werden kann. Dann behält er wenigsten die Stelle.
Das ist eher bildhaft von mir gemeint. Natürlich muss er den Poller treffen um die Schiffe festzumachen aber ohne Alkohol läuft das eben nicht bei ihm. Du liegst schon richtig mit Deinen Gedanken :thumbsup Aber ohne sein „täglich Brot“ ist mit ihm halt kein Fang zu machen;)

Nur so als Insider: „Seile“ gibt es an Bord nicht :grinning das sind „Leinen“. Seile kennt der Seemann nicht…das bekommt man beim Nautik-Studium gleich feste in der ersten Stunde eingehämmert:rofl
 
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Kristall86

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Inseln sind tolle Urlaubsorte, aber ob ich während des ganzen Jahres auf einer leben könnte, glaube ich nicht. Auch wenn das Festland nicht weit ist, ist es doch entfernt. Wahrscheinlich geht es echten Inselmenschen umgekehrt ähnlich.
Nur so als Lese-Anregung für Dich: halte mal Eske genau im Blick;)da bekommst Du Antworten auf Deine Gedanken!
Und aus Erfahrung kann ich Dir sagen: ich bin froh wenn ich wieder hier auf meinem Eiland bin, wenn ich mal in der Stadt bzw. dem „Festland“ war.