Ich denke auch, dass es ABsicht ist. Ich bleicke auch nicht zu 100 Prozent durch und mich beruhigt, dass ich nicht die Einzige bin, bei der bestimmte Zusammenhänge Verwirrung hervorgerufen haben.
Es ging euch genau so, wie ich aus euren Beiträgen entnommen habe, ist Bobby weiß, schwarz, was ist mit Isabel? Ihr wusstet es nicht.
Ich denke, der Autor treibt da ein absichtliches Verwirrspiel mit der Zuordnung - man muss sich das erst erschließen. Vermutlich geht es dabei auch um die eigenen Zuschreibungen, die einem verdeutlicht werden sollen - wen habe ich mir "weiß" vorgestellt usw.
Das Verwirrspiel bzw. der Eindruck, dass immer wieder ein Stückchen Info oder Zusammenhang fehlt, hatte ich insbesondere im ersten Kapitel. Ich empfinde es als sehr mühsam, wenn ich mir gerade im Eingangskapitel alle wesentlichen Details zusammenklauben muss und ich habe es zweimal gelesen, nur um festzustellen, dass es immer noch nicht ganz passt. Zum Glück wird es ab Kapitel zwei deutlich leichter und als Isabel als Figur auftaucht, war ihr Name ja bereits gefallen - das hilft.
Aaron kommt mir irgendwie einfältig und retardiert vor. Gerade die Szene im Hot Dog Laden, als er erst vorgeblich gar nichts mitbekommt und dann "freundlich" aus heiterem Himmel auf die Provokation eingeht. Er erinnert mich an den großen, gutmütig wirkenden, aber grenzenlos gefährlichen Jungen, den man manchmal in Hollywood-Filmen findet. Die Gewalt kommt hier so absolut unerwartet und dann massiv und mit der Begründung: "Ich schütze nur meinen Freund."
Das Netz der Erzählung finde ich sehr gelungen - ich mag vor allem die Gleichzeitigkeit und die Verbindung der Stränge. Isabel kommt nach Haus und Bobby ist nicht da - wir wissen aber, wo er ist. Robert sieht, wie der schwerverletzte Junge eingeliefert wird und plant zu Lou's zu gehen - da trifft er Isabel. Diese Art des Erzählens der simultanen Ereignisse finde ich wunderbar.
Allerdings habe ich ein leichtes Plausibilitätsproblem mit der Tatsache, dass Robert Isabel nur so halb erkennt (die Szene wird ja aus Isabels Sicht geschildert und sie nimmt nur ein leises Erkennen wahr) bzw. dass beide nichts darüber sagen, dass sie sich gegenseitig wieder erkennen. Gut - zwanzig Jahre nicht gesehen, aber sie hatten ja schon eine kurze gemeinsame Zeit, wäre da nicht "mehr" drin gewesen?
Was die Situation in den USA angeht - schwer zu sagen...angesichts der immer wieder auftretenden Ereignisse bin ich mir nicht so sicher, ob sich der Status quo wirklich verbessert hat.
Ich könnte mir vorstellen, dass der Roman 1995 angesiedelt ist, weil das Thema des Rassismus sehr präsent und aktuell in den Medien und der Wahrnehmung in den 90ern war. Die USA und speziell Kalifornien standen noch immer unter dem Eindruck der schweren Unruhen von 1992, die durch den Fall Rodney King ausgelöst wurden - dessen Name im Roman ja auch auf S. 56 erwähnt wurde.
Außerdem ist 1995 das Jahr des O.J. Simpson Prozesses (der im Roman auf S. 30 Erwähnung findet), welcher extreme mediale Aufmerksamkeit in den USA zur Folge hatte und dadurch, dass geklärt werden sollte, ob ein schwarzer Footballstar seine weiße Ex-Frau und deren ebenfalls weißen Bekannten ermordet habe. Die Stimmung war durch diese beiden Ereignisse sehr aufgeheizt... Ich war '94 und '95 in den USA und kann mich noch lebhaft daran erinnern, wie der Simpson-Fall in allen Details wie ein True Crime-TV Drama auf vielen Sendern zur Prime Time live ausgeschlachtet wurde. Man war quasi hautnah dabei.
Einen Roman, der sich so wie "Wintersturm" mit Rassismus befasst, in den 90ern anzusiedeln, erscheint mir daher sehr sinnvoll - auch, weil man subtil zeigen kann, dass doch nichts besser geworden ist - wie der Fall George Floyd zeigt.