1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 4 (Beginn bis Seite 63)

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Noch keiner da? Ich glaubs nicht.
Der erste LA hat mir sehr gut gefallen. Keine Icherzähler. Allerdings merke ich da nicht so auf, wenn ich im Flow bin, rauscht es an mir vorbei, welche Erzählperspektive wir haben. Personale? Innenansichten von Jules und Edmond.
Jedenfalls erfahren wir eine Menge über die Bruder Goncourt. Jules hat sich schon früh mit Syphilis angesteckt und stirbt schon mit 40 Jahren, was mir Wiki verraten hat. Momentan ist er 38, hat also noch zwei Jahre zu leben.
Die Krankheit wird nicht thematisiert von den beiden. Es sieht so aus, als ob Jules es wohl möchte, aber Edmond lässt es nicht zu. Warum? Aus Angst? Vor was? Jules ist das manchmal recht und manchmal macht es ihm das Leben/Sterben schwer.
Geschlechtskrankheiten sind ein ernstes Thema zu dieser Zeit. Ich habe mich gefreut, dass Jules sich angesteckt hat. Ich habe mich nicht gefreut, dass er die Krankheit unbedenklich weiter verstreut hat. Verdammtes Pack! Gauguin hats auf den Inseln ebenfalls wild getrieben, ich hoffe, er schmort in der Hölle.
Jules versucht, sich mit Leibesertüchtigung fit zu halten. Edmond hat dafür nicht viel übrig.
Es gibt jede Menge Andeutungen, so dass wir Manchem noch auf die Spur kommen müssen. Was haben die Brüder Rosa angetan?
und so weiter.
Sie schreiben Tagebuch und kommen sich ungeheuer wichtig vor, aber wenn Proust ihr Geschreibsel nicht aufgegriffen hätte, würde heute kein Mensch mehr danach krähen.
Jules ist sehr lärmempfindlich geworden. Bei dem Höllenkrach, dem sie ausgesetzt sind, würde ich schreiend davonlaufen. Aber sie ertragen ihn stoisch. In meiner Nähe bellt manchmal ein Hund zwei Stunden lang. Aber nur manchmal. Abgesehen von der Tierquälerei - ist es nervig!
Das Pferd im Schrank hat mich entsetzt!
Die Froschschenkel ebenfalls.
Empathie haben die beiden Brüder für niemanden.
Sie sind grauenhaft.
Ich finde den Inhalt sehr interessant, die beiden Brüder sind eine Marke für sich, es gibt noch so viel zu ihnen zu sagen - der Stil liegt mir auch.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich stecke noch im LA - bin heute nicht viel zum Lesen gekommen -, vermelde aber schon mal, dass es mich gefesselt hat. Die Geschichte mit dem Unfall in der Kutsche - krass, sowas.

Was es mit Rose auf sich hat, weiß ich schon durch den Lacerteux-Roman, vielleicht geht das von meiner Lesefreude ab ...? Kann's aber nicht ändern. Ich habe das Buch im Zuge meiner früheren Zola-Begeisterung gelesen, weil die psychologische Darstellung angeblich für Zolas ersten Roman "Therese Raquin" maßgebend war.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Mir gefällt der Roman bisher sehr gut. Sulzer schreibt in einer eleganten ( hier passt der Ausdruck, finde ich ) etwas altertümlichen Sprache - dem Sujet angemessen.
Wir erfahren einiges über die Brüder Goncourt, über ihre ganz enge Verbundenheit.
Der Unfall zu Beginn wird als Vorahnung gedeutet. Schön wie Sulzer das hier einführt. Als soziale Geste nehmen sie die erste Kutsche, ohne sich den Kutscher anzusehen.
Ja, damals rührte das Schicksal von Tieren nur Wenige. Dass sich Jules in erster Linie um seinen Bruder sorgt, ist allerdings verständlich.
Jules hofft mit seinen Leibesertüchtigungen seine angegriffene Gesundheit zu stärken. Der Gedanke, dass man sich sportlich betätigen soll, um gesund und fit zu bleiben, kommt zu dieser Zeit erst auf ( von den alten Griechen abgesehen).
Immer wieder gibt es Andeutungen auf Rose. Wir wissen, dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits tot war und dass sie eine miserable Köchin gewesen sein muss. Es wundert mich, dass die Brüder, die ja sehr wohl leiblichen Genüssen wohlwollen gegenüberstehen, sie trotzdem nicht entlassen haben. Über sie werden wir wahrscheinlich mehr im nächsten LA erfahren.
Edmund als der Ältere sorgt und kümmert sich um seinen Bruder. Das Thema Geschlechtskranheiten wird nicht angesprochen, aber schließlich wissen sie ja lange schon davon. Und das Thema Krankheit und Tod klammert jeder gerne aus, wenn es ihn oder seine nächste Umgebung betrifft.
So hart wie @Wanda möchte ich nicht urteilen darüber. Sehr viele haben sich mit dieser Krankheit angesteckt und damals gab es keine Heilung dafür.
Was mich überrascht hat ist die Einstellung zur Musik, die die Brüder anscheinend mit anderen Geistesgrößen teilen. Lärm macht mich aber auch verrückt.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Sehr viele haben sich mit dieser Krankheit angesteckt und damals gab es keine Heilung dafür.
Ähm. Wenn man nicht zu Prostituierten ginge, steckte man sich nicht an. Ich bleibe dabei: es geschieht ihnen recht. Kayserling hatte "es" auch. Die Kerle haben es dann ihren Frauen beschert, die jämmerlich zugrunde gingen und es evt sogar an die Kinder weitergaben. Nee, nee, total verdammenswert.
 

RuLeka

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Ähm. Wenn man nicht zu Prostituierten ginge, steckte man sich nicht an. Ich bleibe dabei: es geschieht ihnen recht. Kayerling hatte "es" auch. Die Kerle haben es dann ihren Frauen beschert, die jämmerlich zugrunde gingen und es evt sogar an die Kinder weitergaben. Nee, nee, total verdammenswert.
Dass die Männer es weitergegeben haben an ihre Ehefrauen ist natürlich furchtbar und nicht zu entschuldigen. Die meisten Männer gingen anscheinend damals zu Prostituierten, ohne Ehefrau ansonsten keinen Sex. Und manche hatten auch mit Ehefrau kaum welchen.
Die Liste derjenigen Berühmtheiten mit Syphilis ist lang ( von den unbekannten Männern weiß man darüber weniger ):
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Es gab ja sogar mal den Aberglauben, man würde "spontan" geheilt, wenn man mit einer Jungfrau schliefe. Und dieser Glaube ist immer noch nicht ausgestorben (siehe bei Wiki "Jungfrauen-Reinigungsmythos").
 

Yolande

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13. Februar 2020
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Ich schreibe erst einmal meine Eindrücke auf, bevor ich Eure Beiträge lese, deshalb entschuldigt evtl. Wiederholungen.
Mir gefällt es bisher gut, über die Brüder Goncourt habe ich bei Julian Barnes ein wenig gelesen und natürlich kenne ich den französischen Buchpreis. Die beiden kommen mir vor wie ein altes Ehepaar, eine Symbiose, die fast zwanghaft wirkt. Wahrscheinlich hat es sich durch Jules Krankheit noch verstärkt. Ich habe mir gerade ein wenig über Syphilis angelesen, was für eine grausame Krankheit. Zum Glück heute heilbar. Wie schlimm muss es für Jules sein, als Schriftsteller und Mann des Wortes, ebendiese zu verlieren.
Von Rose haben wir bis jetzt noch nicht so viel gehört, aber ich habe schon gesehen, dass sie im folgenden Kapitel präsenter wird.
 

Yolande

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13. Februar 2020
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Was mich überrascht hat ist die Einstellung zur Musik, die die Brüder anscheinend mit anderen Geistesgrößen teilen.
Das hat mich auch erstaunt, eigentlich denkt man ja, dass so ein "Künstler" sich für alle Facetten dieses Bereichs erwärmen kann. Ist aber wahrscheinlich nur eine romantische Vorstellung meinerseits
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Das hat mich auch erstaunt, eigentlich denkt man ja, dass so ein "Künstler" sich für alle Facetten dieses Bereichs erwärmen kann. Ist aber wahrscheinlich nur eine romantische Vorstellung meinerseits
Kann auch sein, dass sie ziemlich borniert sind. Andererseits wurden sie wirklich geräuschemässig gequält, das hat ihre Bereitschaft, sich auf noch was anderes einzulassen, sicherlich geschmälert.