1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 3 (Seite 9 bis 79)

MRO1975

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11. August 2018
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Ich bin mit dem ersten Lebeabschnitt schon durch. Das liegt vor allem daran, dass dieser Roman mich wirklich gleich gefesselt hat. Man merkt, dass die Autorin gut recherchiert hat und sie schafft es auch geschickt, dieses Wissen beiläufig und nicht lehrbuchartig einzuflechten. Chapeau!

Zum Inhalt der ersten drei Kapitel:

Im ersten Kapitel lernen wir die Familie Larcher kennen. Jean Larcher ist Buchbinder und betreibt eine recht gut laufende Werkstatt in Paris. Er stammt aus ärmlicheren Verhältnissen (sein Vater war Schumacher) und achtet daher sehr aufs Geld. Sein Sohn Nicolas legt ihm dies gern (wohl zu unrecht) als Geiz aus.

Zwischen Vater und Sohn schwelt ein Konflikt. Nicolas möchte gern etwas von der Welt sehen, lernen und seinen eigenen Weg finden. Jean hatte dagegen darauf gezählt, dass Nicolas (wie er selbst) Buchbinder wird und ihm im Geschäft hilft. Dazwischen steht Marianne (Jeans Frau und Nicolas Mutter), die versucht, nach besten Kräften zwischen den beiden zu vermitteln.

Die beschriebene Atmosphäre innerhalb der Familie Larcher hat mir gefallen. Marianne und Jean haben nicht aus Liebe, sondern der Mitgift wegen geheiratet. Dennoch bilden sie ein gutes Gespann und mögen sich offensichtlich. Ich habe es jedenfalls geglaubt.

Im zweiten Kapitel lernen wir Paul Damas kennen. Er ist Buchbindergeselle und will in Paris sein Glück finden (er scheint das Gegenstück zu Nicolas zu sein...). Als er den Laternenmann vom Place des Victoires kennenlernt, lernen wir mit ihm einiges über die gegenwärtige politische Lage und den regierenden König (Louis XIV). Den Platz habe ich mir im Internet einmal angeschaut. Die im Buch beschriebene Statue Louis XIV. wurde bei der Französischen Revolution entfernt. Jetzt steht dort eine Reiterstatue Louis des XIV.

Jedenfalls scheint Paul kein ganz schlechter Kerl zu sein. Er musste seine Heimatstadt zwar verlassen, weil er eine Affäre mit der Frau seines Meister hatte (das scheint ein wiederkehrender Charakterzug bei ihm zu sein). Er teilt aber auch sein letztes Geld mit dem Laternenmann und darf dafür in dessen Zimmer übernachten.

Im dritten Kapitel dürfen wir dem Lever des Königs beiwohnen - vom ersten Augenaufschlag, über den Toilettengang bis zur ersten Ratssitzung des Tages. Dabei erfahren wir alles Mögliche über seine recht komplizierten Familienverhältnisse. (Ich habe mir keinen Stammbaum gemalt, noch komme ich mit und notfalls hilft das Internet.)

Der König ist nicht mehr der Jüngste, er ist 51 und die Gicht plagt ihn. Außerdem ist er besorgt über ein Papier, das er erhalten hat und in dem ihm vorgeworfen wird, dass er am Niedergang Frankreichs schuld sei. Interessant fand ich, dass ihm das offensichtlich zu schaffen macht und er - der König - sich recht hilflos fühlt, da er seine Widersacher nicht offen dafür heranziehen kann. Auch die Macht eines Königs ist begrenzt. Jedenfalls machte er auf mich einen sehr menschlichen Eindruck. Ein interessante Sichtweise.

Mit den französischen Begriffen habe ich mich etwas schwer getan, da ich so gut wie kein Französisch kann. Dann habe ich entdeckt, dass die französischen Passagen am Ende des Buches übersetzt sind. Sehr nett! :)

Guter Start! Ich lese gespannt weiter.
 

SuPro

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28. Oktober 2019
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Ich kann nicht umhin, eine kurze Zwischenmeldung zu geben:
ich habe zwar erst das erste Kapitel gelesen, bin aber schon voll drin und gefesselt.
Ich hatte das Gefühl, mit der Familie am Küchentisch zu sitzen, dem Disput zu lauschen, zu sehen, wie die beiden verärgerten Männer die Wohnung verlassen und dann hatte ich das Gefühl, mit Jean am Tisch im Wirtshaus zu sitzen.
Ich war ja erst ziemlich skeptisch, ob ich mitlesen soll. 17. Jahrhundert. Sonnenkönig.??? Gut, dass das Hexle mich damals überzeugt hat…;-)
 

Querleserin

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Danke für die Zusammenfassung @MRO1975 . Noch einige Ergänzungen:

Dennoch bilden sie ein gutes Gespann und mögen sich offensichtlich. Ich habe es jedenfalls geglaubt.
Sie mögen sich, allerdings weiß er, dass er ihr nichts entgegenzusetzen hat. Im Wirtshaus vermag er es nicht, sie anzusehen. Sie setzt ihren Willen durch. Zudem stellt sie sich schlafend, als er nach Hause kommt. Von seiner Seite ist es Liebe, aber von ihrer?
Als er den Laternenmann vom Place des Victoires kennenlernt, lernen wir mit ihm einiges über die gegenwärtige politische Lage und den regierenden König (Louis XIV)
Ein skurriler Typ, ein loyaler Vasall des Königs, der die Gerüchte über den König und seine Geliebte nicht wahrhaben will. Er wirkt anachronistisch, hält am König fest.

Dann habe ich entdeckt, dass die französischen Passagen am Ende des Buches übersetzt sind. Sehr nett! :)
Danke für den Tipp!

Interessant zu Beginn des 3.Kapitels fand ich die personale Perspektive des Kammerdieners, aus dessen Blickwinkel wir uns dem König nähern.
Die Erzählweise gefällt mir sehr gut, immer erhält man nur einen kleinen Ausschnitt.aus der Sicht einer Person.

3 Kapitel und 3 Handlungsstränge, da das 4.Kapitel mit Paul beginnt, werden es vielleicht nicht mehr.
 
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Anjuta

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8. Januar 2016
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3 Kapitel - 3 verschiedene Figuren(konstellationen). Ich habe zu allen dreien einen guten Zugang bekommen durch die Kapitel, aber mehr muss es jetzt auch nicht werden. Ich möchte mich lieber dann auf einen Erzählstrang konzentrieren können, statt einen Haufen davon präsentiert zu bekommen.
Nach der Lektüre von "Scherbentanz" geht es hier jetzt sehr gemächlich zu, mit wirklich sehr viel Liebe zum Detail! Das was bei Kraus in einen kurzen Satz konzentriert wurde, erstreckt sich hier auf viele Seiten. Diese Umstellung muss erstmal gelingen, aber das klappt wohl. Auch wenn mir die Detail manchmal dann doch etwas zu viel sind. Muss ich zum Beispiel all die Straßennamen in einen Roman mit aufnehmen? Das ist für mich so ein bisschen Pseudorealismus und Ausdruck von: Jetzt will ich dem Leser aber mal zeigen, wie gut und intensiv ich recherchiert habe.
Aber ansonsten: Ich bin im Flow und bewege mich mit dem Roman sehr gern durch das Paris des 17. Jhdt.s,
 

Literaturhexle

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[zitat]Der König führte Sparmaßnahmen ein, Sparmaßnahmen waren üblich geworden, wenn schon nicht bei Hochzeiten, so doch bei gut gebundenen Büchern. S. 10[/zitat]
Ich finde die Atmosphäre zur Zeit des Sonnenkönigs sehr gut eingefangen. Das einfache Volk, das hungern muss, während der Adel sich das Leben schön macht und von einem Gelage zum anderen schwelgt. Die rücksichslose Kutsche, die den Buchbindergesellen an die Wand zwingt und mit der Gosse der Straße "tauft" - unfassbar, jedoch sind die Pariser Bürger nichts anderes gewöhnt. Aber es schwelt im Untergrund, das ist spürbar. Der anachronistische Lampenmann bildet den Kontrast, obgleich er offenbar nicht den Lohn bekommt, der ihm testamentarisch für seinen Dienst zustehen würde. Stattdessen bewegt er sich trotz seiner Ideale am Existenzminimum. Der einfache Mann wird immer betrogen, auch als Freund des Regimes.

In den Gedanken des Patriarchen Jean Archer sehe ich nicht nur seine eigenen Wünsche, mit dem Sohn zusammenarbeiten zu wollen. Er liefert uns auch begründete Bedenken. Überall auf der Straße werden Söldner für die Truppen des Königs rekrutiert. Der Sohn ist noch recht unerfahren, die Zeiten turbulent. Ich kann diese Gedanken gut nachvollziehen, allerdings wäre es schön, wenn er sie dem Sohn gegenüber ernsthaft artikulieren und nicht nur Verbote aussprechen würde.
Von seiner Seite ist es Liebe, aber von ihrer?
Sie scheint ihren Mann schon zu respektieren. Sie haben ähnliche Ziele, sie darf das Geld verwahren und verwalten. Hoffentlich nutzt sie diese Vertrauensstellung nicht noch aus....
Muss ich zum Beispiel all die Straßennamen in einen Roman mit aufnehmen? Das ist für mich so ein bisschen Pseudorealismus und Ausdruck von: Jetzt will ich dem Leser aber mal zeigen, wie gut und intensiv ich recherchiert habe.
Da ich Paris auch nicht genau kenne, empfinde ich diese Genauigkeit auch als überflüssig. Sie verleiht aber auch eine gewisse Authentizität. Mir hätte in dem Zusammenhang eine alte Stadtkarte auf dem Vorsatzblatt gefallen und das Original der Statue auf dem Siegesplatz würde mich auch interessieren:)
Ebenso akribisch werden die ganzen Verwandten bei des Königs Lever vorgestellt. Durch die ähnlichen Anreden empfinde ich die Figuren noch als sehr verwechselbar, denke aber, das wird sich mit zunehmender Lektüre geben. Madame de Maintenon wird sowohl im Volk als auch beim ehrgeizigen Umfeld des Königs sehr kontrovers diskutiert. Dunkel steigen die Schulkenntnisse an die Oberfläche;)
 

Amena25

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Nach der Lektüre von "Scherbentanz" geht es hier jetzt sehr gemächlich zu, mit wirklich sehr viel Liebe zum Detail! Das was bei Kraus in einen kurzen Satz konzentriert wurde, erstreckt sich hier auf viele Seiten.
Oh ja, das ist schon ein starker Kontrast!
Hier werden sehr viele Details beschrieben, manches zieht sich für mein Empfinden dadurch ein bisschen, z.B. die Szene im Wirtshaus. Aber vielleicht bin ich durch ,,Scherbentanz" etwas ungeduldig geworden?
 
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Wandablue

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Der Roman liest sich leicht. Unterhaltungsroman mit historischem Hintergrund. Bis jetzt nichts Schmachtendes oder Kitschiges.

Ich bin ein wenig im Netz unterwegs gewesen, weil ich von der Außenpolitik im 17./18. Jh Frankreichs nicht mehr allzu viel weiß. Wir befinden uns im Jahr 1694. Kein Eifelturm in Sicht. Aber Louis wird Versaille umbauen - oder hat schon.

"Ursprünglich von Philibert Le Roy als Jagdschloss für König Ludwig XIII. errichtet, wurde die Anlage ab 1661 unter Ludwig XIV. durch Louis Le Vau, François II d’Orbay, Jules Hardouin-Mansart und Robert de Cotte in mehreren Phasen um- und ausgebaut. Die Innenausstattung schuf Charles Lebrun, die berühmten Gartenanlagen stammen von André Le Nôtre. In seiner Zeit als Residenz war der Palast fast durchgehend von einem mehrere tausend Personen umfassenden Hofstaat bewohnt und bildete das kulturelle und politische Zentrum Frankreichs." - wiki.

Holländischer Krieg, Pfälzischer Erbfolgekrieg, Spanischer Erbfolgekrieg. Diese Kriege hat Louis alle zu vertreten. Ob dieser Umstand noch wichtig wird?

Gnade Gott, dem jenigen, der unfreiwillig rekrutiert wurde.
Keine schöne Zeit für die einfachen Leute. Na - allzu viel hat sich daran nicht geändert!

Am Hof Intrigen. Das Königslever sehr unappetitlich.

Etwas zu lang empfand ich die Beschreibung des nicht mehr vorhandenen Standbildes am Place des Victoires.

Ansonsten gefällt mir die beschauliche Atmosphäre, der Stil. Nichts Hochtrabendes, aber ganz nett.
 

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Anscheinend waren die wirklich verheiratet. (So was haben wir nicht in der Schule gelernt).
Sie haben eine morganatische Ehe oder Trauung zur linken Hand, eine Form der Eheschließung im europäischen Adel bei der ein Ehepartner – meistens die Frau – von niederem gesellschaftlichen Stand war.
Sie war vorher seine Geliebte, nach dem Tode seiner Frau hat Louis sie dann geheiratet.
Ich war auch überrascht, dass sie tatsächlich verheiratet waren.
 

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Da ich Paris auch nicht genau kenne, empfinde ich diese Genauigkeit auch als überflüssig. Sie verleiht aber auch eine gewisse Authentizität. Mir hätte in dem Zusammenhang eine alte Stadtkarte auf dem Vorsatzblatt gefallen und das Original der Statue auf dem Siegesplatz würde mich auch interessieren

Ich kenne Paris sehr gut und hatte Französisch LK und deshalb fühle ich mich mit den französischen Einsprengseln und den Straßennamen... äußerst wohl. Und wie du sagst, finde ich auch, dass dadurch die Authentizität enorm erhöht wird und die Atmosphäre äußerst gut eingefangen wird. Die Ideen Stadtplan und Standbild finde ich prima. Das wäre eine schöne Bereicherung gewesen.
 

Querleserin

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...bei mir wird aus dieser Zeit überhaupt nichts reaktiviert:D da habe ich wohl im Unterricht geschlafen. Gefühlt habe ich mich im LK zwei Jahre lang nur mit der französischen Revolution beschäftigt…
.
Tatsächlich habe ich mich an ein Theaterstück unserer Theater AG erinnert, das zu dieser Zeit spielt ;)
 
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SuPro

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Sie haben eine morganatische Ehe oder Trauung zur linken Hand, eine Form der Eheschließung im europäischen Adel bei der ein Ehepartner – meistens die Frau – von niederem gesellschaftlichen Stand war.
Sie war vorher seine Geliebte, nach dem Tode seiner Frau hat Louis sie dann geheiratet.
Ich war auch überrascht, dass sie tatsächlich verheiratet waren.
...danke für die Info!!! Das war jetzt erhellend!
 
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Amena25

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Ich finde die Atmosphäre zur Zeit des Sonnenkönigs sehr gut eingefangen.
Ja, auch die umtriebige Atmosphäre am Hof finde ich sehr anschaulich beschrieben. Teilweise sollen in Versailles ja 20 000 Menschen gelebt haben.
Sehr interessant auch, dass sogar der Klo-Stuhl des Königs in der Symmetrieachse platziert werden sollte :)
 

ulrikerabe

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Ich bin ganz begeistert von diesem Buch. Ein kleines bisschen stolz bin ich auch, dass ich mit meinem ausschließlichen Schulfranzösisch gut durchkomme. Das ist wieder ein Buch in dem gut was lernen kann. Oder habt ihr gewusst, dass eine Pistole ein Münze war?

Münzen wurden also eingenäht, um sie sicher zu verwahren. Im Wienerischen verwenden wir "einnähen" umgangssprachlich zweierlei.
Wenn sich jemand etwas "eing'naht" hat, dann hat er es widerrechtlich erworben. Wenn jemand "eing'naht" wurde, bedeutet es, er wurde festgenommen. Wo wir wieder bei der sicheren Verwahrung sind. :)

Die genaue Beschreibung der Statue des Königs ist auch ein feiner Trick. In wenigen Sätzen haben wir ein "was bisher geschah" in der Regentschaft von Louis Quattorze.

Und was für ein Schnitt nach der lausigen Bude des Alten ins traute Heim des Sonnenkönigs. Das Lever ist schon ein groteskes Ritual. Mich kann man erst nach dem zweiten Kaffee ansprechen aber der König wird vom Nachthemd über den Toilettgang bis zum Ankleiden von Familie und Gefolgschaft verfolgt. Gruselig. (abends zum Schlafengehen dann wieder, dann heißt es Coucher). Hier zeigt sich schon ganz deutlich, dass der König nicht machen kann was er will, sondern was er muss.