Ich bring jetzt erstmal das Gemecker hinter mich: Oh Gott, die Übersetzung. Wörter und Phrasen sind viel zu wörtlich übersetzt (oder gar nicht), oft sinnentstellend oder kaum noch verständlich, zumindest für deutsche Leser. Der Sprachfluss ist über lange Passagen dadurch sehr holprig. Ich wechsele hin und her zwischen dem deutschen eBook und dem englischen Hörbuch, und das ist ein himmelweiter Unterschied. Ich kann GAIA wirklich nur zustimmen.
So, jetzt wo das aus dem Weg ist, kann ich ja sagen, dass ich das Buch ansonsten großartig finde. Es ist ein echtes Kunststück, Figuren so nahe am Absurden anzulegen und sie dennoch glaubhaft darzustellen.
Allein schon die Sache, dass die weißen Familien davon ausgehen, dass der Vater von "dem Schwarzen" ermordet wurde. Da ist egal, dass der Schwarze ebenso tot daneben lag. Es kann ja logischerweise nur ein bzw. dieser Schwarze gewesen sein.
Vor allem: Er lag ja nun schon
mehrfach tot daneben, und sie halten es dennoch für möglich, dass er der Mörder ist! Oh Herr, schmeiß Hirn vom Himmel… Aber die Botschaft ist klar, denke ich: Rassismus ist nicht nur Hass, sondern auch Dummheit.
Die hier angedeutete Rassenlehre ist leider nicht aus der Luft gegriffen, in Amerika gibt es immer noch Rednecks, die das strenger halten wie die Deutschen damals mit dem Ariernachweis. Das geht noch zurück auf die "one-drop rule" der 20er Jahre: Ein noch so weit entfernter schwarzer Vorfahre ("ein Tropen schwarzen Blutes") reichte schon aus, um einen Menschen als der schwarzen "Rasse" zugehörig zu klassifizieren. Die Menschen, denen man ihre gemischte Herkunft nicht ansah ("passing"), hielten das ja auch oft geheim, um der Diskriminierung zu entgehen.
Oh, ich sollte erst alle Kommentare lesen, das hat Ruleka ja schon gesagt.
Da wird dann die Evolution mit den verschiedenen Vorgängern des Homo sapiens einfach mal wegretuschiert und dann passt wieder alles ins altbekannte rassistische Bild. Ach und wie praktisch, dass Gott und Jesus auch noch weiß waren...
Jepp. Weiß, blond und blauäugig. Ich habe vor einer Weile auf Instagram ein gemaltes Bild gesehen, dass Jesus realistisch so darstellte, wie er hätte aussehen können, mit braunen Augen, schwarzem Haar und etwas dunklerer olivbrauner Haut. In den Kommentaren regten sich allen Ernstes Leute auf, das wäre ja so typisch, jetzt würde das Bild Gottes schon von falscher Ideologie verfälscht blahblahblah. Lustig, umgekehrt wird wohl eher ein Schuh draus
Darf man bei einem Buch, bei dem es es um letztlich um rassistisch motivierte Lynchjustiz geht von Galgenhumor sprechen?
Jepp. Ich liebe diesen tiefschwarzen Humor, der in so einem perfekten Kontrast zum eigentlich Grauenhafen steht.
Hier tun sich Abgründe auf. Diese Typen sind echt!
Deswegen war Granny C anfangs auch so verstört und hat gesagt, der Junge habe sie überhaupt nicht angesprochen.
Ich wusste vorher schon, dass sich der Roman auf Emmett Louis Till bezieht, aber bevor ich die von Granny C erwähnten Namen/Initialien sah, war mir nicht klar, dass es so ein direkter Bezug ist! Uff, das gibt dem Ganzen nochmal eine ganz andere Brisanz.
Das ständig das Wort Nigger fällt stört mich in dem Fall nicht, weil es einfach die Gesinnung gut darstellt, und es zur Handlung passt.
Normalerweise würde mich das enorm stören, dass ständig das N- Wort fällt, aber hier passt es hinein, es unterstreicht die Haltung der Menschen die in Money leben. Schlimm, aber wahr
Ich habe gestern bei einer Internet-Leserunde mitgemacht, mit sehr gemischtem Publikum aus diversen Ländern. Eine der Leiterinnen und mehrere der Teilnehmerinnen sind schwarz, und die habe ich direkt mal darauf angesprochen, was sie davon halten.
Erst sagte ich nur, ich lese einen Roman, in dem sehr oft das N-Wort fällt, und bin unsicher, was ich davon halte. Da kam von Princess (sie heißt wirklich so) erstmal ein zögerliches: "Oh, I don't like that." Daijah fragte: "Wait, what's the context?" Und Nel wollte wissen: "Is the author black?"
Ich habe dann erklärt, dass es sich um "The Trees" von Percical Everett handelt und dass es den Mord an Emmett Louis Till thematisiert. Princess fand es trotzdem bedenklich und hätte gerne wenigstens ein entsprechendes Vorwort, aber die anderen beiden fanden, wenn man Rassimus darstellen will, darf man das auch nicht weichspülen. Für alle macht es aber einen Unterschied, ob ein weißer Autor das N-Wort benutzt, oder ob das jemand tut, gegen den es schonmal verwendet wurde oder verwendet werden könnte.