1. Leseabschnitt: Kapitel 1 bis 23 (Beginn bis Seite 88)

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ihr habt das Meiste ja schon erwähnt. Was kann ich noch ergänzen?

Mir war das Tempo zunächst ein bisschen zu hoch, weil ich schon die Befürchtung hatte, dass Louis' Kindheit fast überhaupt keine Rolle spielen wird. Glücklicherweise drosselt Charles Lewinsky es mit dessen zwölften Geburtstag zumindest ein wenig.

Der auktoriale Erzähler wahrt eine gewisse Distanz zu Louis, insbesondere wenn er ihn beim Vor- und Nachnamen nennt. Dennoch ist es dem Roman gelungen, dass ich eine Verbindung zu Louis aufgebaut habe und mit ihm auf das Beste hoffe. Den Marchese fand ich von den Nebenfiguren bislang am interessantesten. Fast schon zärtlich im Vergleich zum Rest ist dessen Sterbensszene und man spürt, welche Bedeutung er für Louis hatte.

Das Ganze liest sich wie eine Mischung aus historischem Coming-of-Age- und Abenteuerroman. Und auch mir gefällt es - trotz der vielen Dialoge, von denen ich ja normalerweise kein Fan bin - mal wieder einer klassischen, stringent erzählten Handlung zu folgen.

Das Episodenhafte erinnert mich an die Serie "Sans Famille" nach dem Roman von Hector Malot. Ich kenne das Buch aber nicht. Bei uns gibt es das als DVD unter dem Namen "Heimatlos". Achtet aber unbedingt darauf, dass ihr die Version mit Fabrice Josso als Rémi erwischt, falls ihr euch dafür interessieren solltet.

Informiert habe ich mich über das Martinitt, weil es sogleich mein Interesse weckte. Gefunden habe ich diesen sehr spannenden englischen Wikipedia-Eintrag:

Martinitt
 

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29. März 2022
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Aber ich lese ihn gerade deshalb sehr gern. Hier wird einem eine spannende, gleichzeitig informative Geschichte geboten, die sich sehr süffig lesen lässt. Ein schöner Kontrast zu „ Tristania“, „ Tage ohne Cecilia“ oder „ Das Mädchen auf der Hängebrücke“. Ich mag schon Bücher, die Platz lassen für eigene Deutungen, aber ich lasse mir auch sehr gerne eine Geschichte erzählen.
Man merkt aber schon auch, würde zumindest ich sagen, dass die genannten Werke in literarischer Hinsicht ein ganz anderes Kaliber sind.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Man merkt aber schon auch, würde zumindest ich sagen, dass die genannten Werke in literarischer Hinsicht ein ganz anderes Kaliber sind.
Das ist unbestritten.
Lewinsky schreibt sehr gute Unterhaltungsromane, nicht banal, mit gutem Spannungsaufbau und glaubhaftem Personal. Das ist auch eine Kunst, die ich zu schätzen weiß.
Für Leserunden mit kontroversen Deutungen bringt der Roman nicht so viel wie die von mir oben genannten Büchern.
 

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Lewinsky schreibt sehr gute Unterhaltungsromane, nicht banal, mit gutem Spannungsaufbau und glaubhaftem Personal. Das ist auch eine Kunst, die ich zu schätzen weiß.
Wir alle lesen solche Romane doch auch immer wieder mal mit großem Genuss. Ich denke u.a. auch an McEwan oder John Irving. Keine hochtrabende Literatur, aber sehr unterhaltsam und lesenswert.
 

GAIA

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27. Dezember 2021
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Für Leserunden mit kontroversen Deutungen bringt der Roman nicht so viel wie die von mir oben genannten Büchern.
Das war auch heute mein Gedanke: So richtig viel zu diskutieren wird es nicht geben, aber es ist auch schön einfach mal was Plotgetriebenes zur Unterhaltung zu lesen. Und man weiß eben auch, nach vorheriger Lektüre von Lewinsky-Romanen, dass zwar durchaus auch schreckliche Dinge Erwähnung finden können, aber meist der Protagonist irgendwie überleben wird und sich durchwurschteln kann. Bei der schweren Kost, die wir häufig lesen und bei der wir nie wissen, ob auf der nächsten Seite eine (psychische) Misshandlung, Vergewaltigung oder sonst was auf die Figuren wartet, ist es auch mal gut, den Grundton schon zu kennen.

Und nochmal zum Poetischen vs. Lewinsky-Schreibe: Wie an anderer Stelle schon einmal erwähnt. Ich las in einem Interview mit ihm, dass er sich als literarischen Handwerker sieht, der stabil, in gutem Veröffentlichungsrhythmus sein Handwerk herstellt. Da hat er einen realistischen Blick auf seine Arbeit. Finde ich toll, wenn mal jemand nicht sich selbst als etwas versucht zu verkaufen, was er nicht ist. ;)
 
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Literaturhexle

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Ich las in einem Interview mit ihm, dass er sich als literarischen Handwerker sieht, der stabil, in gutem Veröffentlichungsrhythmus sein Handwerk herstellt.
Der Autor ist sowieso ein bescheidenes Multitalent. Seinen Rhythmus scheint er durch Corona erhöht zu haben. So schnell hatte ich mit nichts Neuem gerechnet.
 

Literaturhexle

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Ich höre es ganz zufrieden. Es hat bis jetzt nicht das Zeug zum Lieblingsbuch, aber es ist solide gestrickt. Nicht zu kompliziert, man kann es gut nebenbei hören, es passiert laufend etwas, man wird nicht lapidar abgelenkt. Würde es Lewinsky selbst lesen, käme es vermutlich weit besser rüber.

Ich stimme also völlig mit euch überein. Ein bisschen leichtere Kost zwischendurch passt gut.
 

Sassenach123

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Ich genieße es sehr, nicht permanent grübeln zu müssen, wie die gelesenen Passagen wohl gemeint sind. Hier kann ich entspannt in die Handlung abtauchen und mich berieseln lassen.
Der arme Louis, es ist nicht leicht in einem Waisenhaus aufzuwachsen, wenn dann auch noch alle auf einem rumhacken muss es extrem schlimm sein. Doch trotz allem wirkt er wie ein kleines Stehaufmännchen. Natürlich auch durch die Erziehung des Marchese, ohne die er sicher nie so selbstbewusst geworden wäre, dass er sich beispielsweise bei der Ernte mit dem Mann anlegt, der das Mädchen belästigt hat. Aber auch da konnte er nicht bleiben, und nun ist er mit einem Gauner unterwegs. Oho, ich ahne schlimmes, er ist zwar sehr lernfähig, aber auch leichtgläubig.
 

parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Sehr ausschnitthaft und stakkatomäßig erhalten wir einen Einblick in Geburt, Kindheit, Jugend des Louis Chabos. Keine schönen Zustände, aber immerhin bisher überlebt. Wenn das erste Kapitel wie vermutet von der Bestattung von Louis handelt, wird sich das irgendwann ändern, vermutlich am Schluss des Romans, wenn es bei der chronologischen Erzählweise bleibt. Mit der Verarbeitung von traumatischen Ereignissen hält sich Charles Lewinsky jedenfalls nicht auf - so war es damals eben. Hier zählt das reine Überleben. Liest sich süffig weg. Ich bin gespannt auf die weiteren Lebensstationen.
 

Barbara62

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mit-büchern-um-die-welt.de
Ich genieße gerade dieses Buch. Ein auktorialer Erzähler, dem man vertrauen kann. Schön chronologisch erzählt ( bis auf die Totengräberszene, die ich eher an den Schluss verorten würde.
Eine klare, schöne Sprache.
Nach zuletzt einigen unzuverlässigen Erzählern entspannt mich das auch ungemein.

Doch das ist kein Grund zur Beunruhigung, wurde für ihn doch schon das Kostgeld bezahlt für die ersten 18 Jahre.
Und er kommt mit einem französischen Namen. In Zeiten des Internets könnte man einfach nach der Verwandtschaft googeln - wenn der Name echt ist.

Ich habe das Buch auf den Ohren. Der Vorleser hat leider nur mäßiges Talent. Was total nervt: sagte sie. Sagte er. Sagte sie. Sagte er....
Ich könnte mir vorstellen, dass man da drüber weg liest. Aber das anzuhören ist Strafe, weil es so blöd herausgeputzt wird :rolleyes:
Tatsächlich ist es mir beim Lesen noch nicht aufgefallen, aber jetzt werde ich darauf achten. Wer liest das Hörbuch?

Informiert habe ich mich über das Martinitt, weil es sogleich mein Interesse weckte. Gefunden habe ich diesen sehr spannenden englischen Wikipedia-Eintrag:

Martinitt
Danke für den Link. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es das Waisenhaus wirklich gibt.

McEwan: Lieber nicht mehr;)
Bei mir bekommt er demnächst wieder eine Chance, weil das Buch angeblich im Abbitte-Stil geschrieben sein soll. So experimentelle Titel wie "Nussschale" von ihm haben mir dagegen gar nicht gefallen.

Uh, da können wir dann gleich zwei Lager eröffnen. Ich bin auf Christians Seite.;)
Dann schlage ich mich mal zu @Literaturhexle. Der erste Irving, den ich vor Urzeiten geschenkt bekommen habe, ist damals im Mülleimer gelandet, ich glaube, das Buch hieß "Garp". Es war vor der Zeit der Tauschforen und offenen Bücherschränke. Aber da es so einmalig war, ist es mir bis heute im Gedächtnis geblieben. Er hat nie mehr eine Chance bekommen, der Arme.