1. Leseabschnitt: Kapitel 1-4 (Beginn bis Seite 93)

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Igitt, die Szene mit dem melken und der Nachgeburt - sehr romantische Beschreibung ha ha ha. Mein Sohn will Landwirt werden :think:rofl. Okay, beim melken etc. hat sich in den vergangenen 100 Jahren auch einiges gewandelt (denke ich), so dass es so schlimm wahrscheinlich nicht mehr ist :cool:.
Heute werden die Schwänze hochgebunden, zumindest habe ich es so kennengelernt. Dadurch kann man den Kontakt zum Gesicht zumindest verhindern... Und insgesamt ist alles sehr viel hygienischer geworden, die Abläufe klar geregelt, da wird auch nicht gefragt, ob die Kuh Lust hat, mal zum Melken reinzukommen... ;)
 

parden

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13. April 2014
5.835
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Niederrhein
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In diesem Roman wird eine Familiengeschichte erzählt, deren Beginn neugierig darauf macht, was da wohl geschehen ist, und deren Fortgang eine langgezogene Rückblende ist auf die Eltern von Edith und ihrem nun verstorbenen Bruder. Roy als gnadenloser Despot, der nicht nur hart sich selbst gegenüber ist. Ada, von zarterem Gemüt, erholt sich von dem Schock der Umsiedlung und dem "Ausgeliefertsein" an das trostlose Land und ihren gefühllosen Mann zeitlebens nicht mehr. Der Tod wie eine Erlösung, die halbindigene Nachbarin wieder einmal als Helferin bei einem Übergang - vorher dem der Kinder ins Leben, hier die Begleitung bis in den Tod. Dabei erscheint sie nicht einmal besonders herzlich, aber das Einfach-Dasein reicht aus, um Ada zu beruhigen.

Ediths Entscheidung, den Heiratsantrag nicht anzunehmen - bedauerlich, aber aus ihrer Sicht und bezogen auf die damaligen Umstände doch auch nachvollziehbar. Schließlich ist nicht nur der hilflose Vater auf sie angewiesen, sondern auch ihr Bruder. Ginge sie weg, so würde ihr Bruder dem Vater hilflos ausgeliefert sein, mit welchen Folgen auch immer. Das kann sie mit ihrem Gewissen nicht vereinbaren, schließlich hat sie sich schon all die Jahre zwischen den Vater und ihren Bruder gestellt. Am Ende des Abschnitts hat sie gezeigt, wie stark sie ist. Sie hat ihrem Vater die Stirn geboten und ihm mitgeteilt, dass er sich selbst um die Wunde kümmern kann, die er sich so mutwillig zugezogen hat.

Die Trostlosigkeit der Landschaft, die Härte der Lebensumstände, all das kommt hier gut rüber. Mir gefällt es, so nebenher auch etwas über die Geschichte Colorados zu erfahren.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Dabei erscheint sie nicht einmal besonders herzlich, aber das Einfach-Dasein reicht aus, um Ada zu beruhigen.
Das zeigt Kent Haruf oft in seinen Büchern: Es geht nicht darum, besonders gefühlvoll miteinander umzugehen, sondern es reicht, im entscheidenden Moment da zu sein, zu helfen, zu unterstützen, zuzuhören.
Ediths Entscheidung, den Heiratsantrag nicht anzunehmen - bedauerlich, aber aus ihrer Sicht und bezogen auf die damaligen Umstände doch auch nachvollziehbar.
Sehe ich genauso. Sie wäre auch nicht glücklich geworden, wenn sie sich anders entschieden hätte. Ihr Verantwortungsgefühl ließ ihr keine andere Wahl.
ob die Kuh Lust hat, mal zum Melken reinzukommen...
In Zeiten von vollautomatisierten Melkmaschinen können die Kühe selbst entscheiden.

Auch heut noch ist der Beruf des Landwirts voller Arbeit und wenig Freizeit ( Tiere brauchen auch am Wochenende Futter und Pflege), aber so hart wie damals ist es keineswegs.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Eine raue, harte Welt führt uns Haruf hier vor. Deutlich rauer als in seinen anderen Holt-Romanen. Was für ein Leben. Wenn man den falschen Partner gewählt hatte, hat einem das das ganze Leben ruiniert. Bei Ada Flucht durch Tod.

Ich mag den Erzählton und den bodenständigen Erzähler, der eine ganz eigene Art von Humor hat. Super die Szene mit dem Reporter auf der Kuhweide.

Haruf hat drastische Szenen geschaffen (die Nachgeburt, die Hände im Mähdrescher), um zu verdeutlichen, wie hart und anders das Leben in diesem kargen Land ist. Die Hoffnungslosigkeit für Lyman und Edith ist mit Händen zu greifen. Das Setting für die Tragödie, die sich offenbar zwischen Edith und Lyman abgespielt hat.

Roy ist eine extreme Figur, aber dennoch glaubwürdig. Man kann sich vorstellen, dass das karge Land die Menschen, die ohnehin dazu tendieren, an ihr Limit treibt.

Bis jetzt gefällt es mir sehr gut.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Es ist die Sprache der Menschen, die er beschreibt.
Genau. Auch der Humor, der manchmal derb ist, manchmal hintergründig.
Aber um die Härte des Lebens und auch der Figur zu verstehen, war die Beschreibung notwendig.
Man wird ins Bild gesetzt. Alles hat eine Funktion, insofern finde ich es auch nicht reißerisch.
Genauso muss es sich für Edith angefühlt haben. Hier endlich mal Liebe zu finden und gezeigt zu bekommen ist eine ganz neue Erfahrung für sie.
Wobei die Dialoge zwischen den beiden nicht besonders zart sind, sondern auch ein bisschen derb.
Ich habe die Szene nicht als reißerisch empfunden, sondern als sehr realistisch.
Genau, siehe oben.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Die Handlung ist interessant, aber den Zauber, der sonst meist durchblitzte hat sich bisher noch nicht eingestellt.

Eine raue, harte Welt führt uns Haruf hier vor. Deutlich rauer als in seinen anderen Holt-Romanen.

Der Roman ist der erste große Harufs. Ich finde, dass man dies auch schon in den ersten Kapiteln merkt, denn der Sound ist spürbar anders. Rauer, ja, aber auch lauter, finde ich. Er erinnert mich bis jetzt mehr an den ebenfalls frühen Roman „Ein Sohn der Stadt“ als an seine späteren Werke, die ich als unaufgeregter und einnehmender empfinde.

Nichtsdestotrotz ist mein Eindruck nach dem ersten Abschnitt auch positiv. Der Einstieg macht neugierig, weil man sich fragt, was genau Edith verbrochen hat. Dann rollt der Ich-Erzähler alles von Anfang an auf.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Das ist eine sehr moderne Haltung. Damals undenkbar. Wörtlich.
Nein, das sehe ich anders. ... Ich kann es hier nicht schreiben, weil es erst im letzten Abschnitt vorkommt. ...Damals gab es sicher auch Menschen, die aufbegehrt haben. Nicht jeder hat sich alles so gefallen lassen wie Edith. Das war ihr ganz spezielles Problem.
Und da du damals nicht gelebt hast, kannst du es nur vermuten, aber nicht wissen. Es ist genauso eine Meinung wie meine.
 
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Federfee

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13. Januar 2023
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@alasca: Ich habe es wieder gelöscht, weil mir einfiel, dass das ja erst später vorkommt und nicht hier im LA 1. Ich wollte nicht spoilern. Deshalb.
 
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luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Für zartbesaitete Gemüter ist die ausführliche Beschreibung nicht zu empfehlen.
Wirklich nicht. Ich kann mich immer gut emotional und visuell abkoppeln von ekligen, drastischen Ausführungen. Hier fand ich es schon sehr, sehr heftig und krass.
in sehr ausufernder Ausführlichkeit die schwere Arbeit auf der Farm.
Das war mir auch zu lang. Die Melkerei fand ich dabei noch zielführend und auch auf unangenehme Art informativ. Die Ernte war mir einfach zu lang. Klar, die Beschreibung funktionierte als Spannungsaufbau zum Unfall, aber es war schon sehr langwierig und kleinteilig. Eine Ackerfurche weniger hätte es auch getan….
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Ich mag den Roman bisher sehr - bis auf seine überaus langwierigen Ausführungen zur Landschaft. Die sind natürlich sinnvoll und authentisch, vor allem weil es sich beim Erzähler ja auch um einen Farmer handelt.

Die Geschichte um die Ansiedlung der Familie Goodnough, ihr Trek nach Holt, die anfänglichen Widrigkeiten dort und die raue, wenig herzliche Beziehung zwischen Roy und Ada waren im wahrsten Sinne des Wortes ein großer Western. Romane, die dieses Genre aufnehmen, gibt es ja kaum noch, aber durch diese Vorgeschichte, die auch den Identitätsmythos der USA bedient, wird die Geschichte sehr amerikanisch. Das hat mir sehr, sehr gut gefallen. Das weite Land, die Kargheit, die Suche nach dem „Gelobten Land“.

Mit Roy gibt es dann den typischen Tyrannen, ein harter Mann, der keine Empathie kennt, kontrollieren will, was außerhalb seiner Kontrolle liegt (die Geburten, der Tod seiner Frau, seine Finger - da dachte ich, dass er doch einen Knacks bekommen hatte, aber das war wohl nur vorübergehend), gleichzeitig aber Angst davor hat, verlassen zu werden: warum sonst hackt man dich auch den letzten Finger ab? Ich glaube, er ist komplexer als es den Anschein hat. Über Lyman kann ich mir noch kein Urteil bilden, ich habe den Eindruck, kaum etwas über ihn zu wissen. Edith erscheint mir stark und selbstbewusst, ihre Entscheidung lässt sie ihrem Vater gegenüber die Oberhand gewinnen. Die Rollen werden irgendwie vertauscht: Roy als trotziges, verunsichertes Kind, das sich nicht zu helfen weiß, Edith, die vernünftige , überlegene Mutter.
 

RuLeka

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Eine Ackerfurche weniger hätte es auch getan
Es geht natürlich nicht nur um den Spannungsaufbau, sondern darum zu zeigen, wie erschöpft und gereizt alle nach dieser Arbeit schon sind. Bei der ersten Furche wäre der Unfall noch nicht passiert.
Aber das weißt Du sicher.
Romane, die dieses Genre aufnehmen, gibt es ja kaum noch,
Habe ich als Jugendliche geliebt.
gleichzeitig aber Angst davor hat, verlassen zu werden: warum sonst hackt man dich auch den letzten Finger ab?
Genau aus diesem Grund.
Über Lyman kann ich mir noch kein Urteil bilden, ich habe den Eindruck, kaum etwas über ihn zu wissen
Kommt noch. Bisher ist er der kleine Bruder, der unter dem Vater leidet, sich aber nicht wehren kann, weder verbal noch sonst.
 

alasca

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13. Juni 2022
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Nein, das sehe ich anders. ... Ich kann es hier nicht schreiben, weil es erst im letzten Abschnitt vorkommt. ...
Mittlerweile weiß ich, worauf du dich beziehst. Aber die psychologischen Voraussetzungen bei dieser Figur sind VÖLLIG anders! Geliebtes Kind, Eigenwertgefühl etc. pp.
Damals gab es sicher auch Menschen, die aufbegehrt haben. Nicht jeder hat sich alles so gefallen lassen wie Edith. Das war ihr ganz spezielles Problem.
Es war nicht "ihr Problem". Sie war die Tochter eines hasserfüllten Mannes und einer völlig apathischen Frau und hat von klein auf Verantwortung für den jüngeren Bruder übernommen. Das hat sie geprägt.
Und da du damals nicht gelebt hast, kannst du es nur vermuten, aber nicht wissen. Es ist genauso eine Meinung wie meine.
Ich beziehe meine Meinung aus dem, was der Text hergibt. Und dieses harte Urteil über Edith gibt aus meiner Sicht der Text nicht her.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Die Geschichte um die Ansiedlung der Familie Goodnough, ihr Trek nach Holt, die anfänglichen Widrigkeiten dort und die raue, wenig herzliche Beziehung zwischen Roy und Ada waren im wahrsten Sinne des Wortes ein großer Western

Mit Roy gibt es dann den typischen Tyrannen, ein harter Mann, der keine Empathie kennt, kontrollieren will, was außerhalb seiner Kontrolle liegt

Edith erscheint mir stark und selbstbewusst, ihre Entscheidung lässt sie ihrem Vater gegenüber die Oberhand gewinnen. Die Rollen werden irgendwie vertauscht: Roy als trotziges, verunsichertes Kind, das sich nicht zu helfen weiß, Edith, die vernünftige , überlegene Mutter.
Schön, dass du diese Aspekte anführst, die für mich ein erhellendes Licht auf die Geschichte werfen. Ob ich allem so zustimme, weiß ich noch nicht, aber es ist alles überlegenswert.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Es war nicht "ihr Problem". Sie war die Tochter eines hasserfüllten Mannes und einer völlig apathischen Frau und hat von klein auf Verantwortung für den jüngeren Bruder übernommen. Das hat sie geprägt.
Also war es doch 'ihr Problem'. Wobei es natürlich darauf ankommt, wie du 'Problem' definierst. Aber lassen wir das Thema fallen. Du überzeugst mich nicht und ich dich nicht. ;)
 
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