1. Leseabschnitt: I. Aufwärts (erste Hälfte Seite 11 bis 78)

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Das stimmt. Der namenlose Gefangene scheint ja auch nicht gerade ein gutes Verhältnis zu seinem Onkel gehabt haben.
Ich finde deine Überlegungen interessant, habe aber noch kein Gefühl dazu.
Eine Überraschung wäre es ja auch, wenn er doch der Täter wäre, alle Freunde ihn aber für unschuldig halten.
Ich bin gespannt...
Ich könnte mir auch vorstellen, dass bis zum Schluss unklar bleibt, ob der Neffe der Täter ist oder nicht... Irgendwie so ein Gefühl. Wenn das Gericht dem übereifrigen Kriminalbeamten folgt, der weder nach links noch nach rechts zu schauen scheint, dann hat der Neffe jedenfalls keine Chance. Aber mal sehen.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Echt jetzt? Nee, ich nicht. Gerade nicht. Ich kann sie nur anhand der gegebenen Infos identifizieren.

Ich bin auch eher bei Wanda. Ich bin etwas pingelig, wenn es um unterschiedliche Erzählstimmen gibt. Ja, es gibt Variationen. Die sind mir aber zu wenig.

Notizen brauche ich allerdings schon. Für mich ist das übrigens nicht Arbeit, sondern Vergnügen.

Dito. Ich mache mir auch immer Notizen - mal mehr, mal weniger. Ist für mich auch keine Arbeit, sondern eine Hilfe. Die Rezension schreibt sich dann schneller, weil ich nicht mehr blättern muss.
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich habe nun auch den ersten Abschnitt gelesen, der sich wirklich schnell wegliest. Die Struktur ist interessant und ungewöhnlich. Ich bin auch sehr neugierig auf diesen Fall.

Diese saloppe Umgangssprache ist in dieser Masse für mich allerdings schon etwas nervig. :rolleyes:
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Auch für mich hat das Buch einen Sog entwickelt, ich war überrascht, wie rasch dieser erste Abschnitt gelesen war. Ich finde, dass man einerseits merken kann, wie gut sich die fünf Freunde des möglichen Täters kennen, andererseits ist zu spüren, wie fremd sie sich gleichzeitig mittlerweile geworden sind. Irgendwo stand, dass sie sich ohne den Mordfall möglicherweise mittlerweile komplett aus den Augen verloren hätten. Ich bin gespannt, ob der Fall nach dem anfänglichen Schulterschluss der Freude im Verlauf doch auch zu ihrer gegenseitigen Entfremdung beitragen wird, wenn Überzeugungen hinsichtlich Schuld oder Unschuld auseinandergehen.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Eine Ausnahme ist vielleicht das Duo Till/Sebastian, bei denen ich als Einzige manchmal etwas durcheinander komme.
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Bei den beiden habe ich als Trennungsmerkmal bisher nur den Umstand, dass Till Musiker ist ausmachen können. In ihren Sichtweisen empfinde ich sie bisher sehr ähnlich. Bei allen anderen kann man zeitweise auch schon an der Erzählweise merken, mit wem man es zu tun hat - ich finde Sabine und Benjamin kann man sehr gut heraushören, Emilia bedingt, allerdings habe ich das auch schon trennschärfer und deutlicher woanders gelesen. Da geht auf jeden Fall mehr.

Diese saloppe Umgangssprache ist in dieser Masse für mich allerdings schon etwas nervig

Das kann ich durchaus verstehen, aber den umgangssprachlichen Ton finde ich hier sehr gut - er suggeriert das persönliche (Telefon-)Gespräch und den Mail-Austausch, da wirkt es doch sehr authentisch. Richtig gut gefällt mir auch, dass die Journalistin/Autorin nur in ihren Memos "zu Wort" kommt. Ihre Fragen werden oder Einlassungen werden nur durch die Wiederholung der Figuren oder ihre Reaktionen ersichtlich.

Andererseits, weil es gar nicht wirklich wichtig ist für mich ob "der Freund" schuldig oder unschuldig ist, sondern wie es um die Dynamik der Freundschaft bestellt ist, wie sich eine Wirklichkeit für jeden ein wenig anders darstellt.
Das geht mir auch so. Der Fall ist für mich fast nebensächlich. Ich bin völlig berauscht von den unterschiedlichen Perspektiven und bis jetzt finde ich es auch sehr "kontrolliert". Zwar hat jeder seine eigene Wahrnehmung (z.B. die wichtigste, engste Person zu sein), aber noch funktioniert die verschworene Gemeinschaft. Ich sehe zumindest noch keine eklatanten Widersprüche oder Aggressionen gegeneinander, wenn sich da natürlich auch recht subtil schon etwas andeutet.
 

buchregal

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8. April 2021
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Da sind sechs Freunde, die sich seit der Kindheit kennen. Doch dann soll einer einen Mord begangen haben, ein Mord aus Habgier. Er wird aufgrund von Indizien verurteilt. Die Freunde können und wollen sich das nicht vorstellen. Sie halten trotz allem zusammen – ein Leben lang. Nach 15 Jahren will eine Journalistin diesen Fall noch einmal beleuchten. Sie setzt sich mit den Freunden Sabine, Emilia, Till, Sebastian und Benjamin in Verbindung. Dazu kommen die Sichtweisen des Anwaltes und des Beschuldigten.

15 Jahre sind eine lange Zeit und dadurch verändert sich die Sicht auf Dinge. Die Freunde wollten zueinanderstehen, nichts sollte sie auseinanderbringen. Doch mir scheint, dass da nur noch ein loser Kontakt ist und sich bei allen die Sicht auf den Fall verschoben hat. Jeder hat seine eigene Sichtweise, die kaum deckungsgleich ist.

Warum wollte der Beschuldigte damals keinen Anwalt? Die Polizei hat Ermittlungen durchgeführt, doch strikt nach Lehrwerk. Haben sie dabei etwas nicht berücksichtigt?

Ein interessanter Schreibstil. Viele Stücke, die noch kein Bild ergeben.
 
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buchregal

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8. April 2021
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Wobei der Anwalt von Anfang an massive Zweifel an der polizeilichen Ermittlungsarbeit äußert, während alles, was der Gefangene bisher erzählt hat, die polizeiliche These unterstützt.
Das ist ja auch sein Job. Er soll dafür sorgen, dass seinem Mandanten kein Unrecht geschieht. Da muss er ja wohl zweifeln und Einwände erheben.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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15 Jahre sind eine lange Zeit und dadurch verändert sich die Sicht auf Dinge. Die Freunde wollten zueinanderstehen, nichts sollte sie auseinanderbringen. Doch mir scheint, dass da nur noch ein loser Kontakt ist und sich bei allen die Sicht auf den Fall verschoben hat. Jeder hat seine eigene Sichtweise, die kaum deckungsgleich ist.
Es war ja so, dass die Freunde auch zur Zeit des Mordes nur noch losen Kontakt hatte, die Schulzeit lag schon über 10 Jahre zurück, dazwischen Studium, Ausbildung usw. Nur wegen des Mordfalls haben sie damals vorübergehend überhaupt wieder zusammengefunden.
 

buchregal

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8. April 2021
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Seltsam ist es, dass keiner der Freunde bisher den Namen des Gefangenen genannt hat, aber das habt ihr ja auch schon angemerkt. Ist es eine Distanzierung oder nur eine literarische Spielerei, die ja auch die Journalistin übernimmt ("Der Gefangene").
Für mich ist das ein Zeichen von Distanzierung. Es wird zwar immer die Freundschaft betont, doch es ist viel Zeit vergangen und jeder der Freunde hat seinen eigenen Weg beschritten.
Zwar hat jeder seine eigene Wahrnehmung (z.B. die wichtigste, engste Person zu sein), aber noch funktioniert die verschworene Gemeinschaft. Ich sehe zumindest noch keine eklatanten Widersprüche oder Aggressionen gegeneinander, wenn sich da natürlich auch recht subtil schon etwas andeutet.
Ja man spürt, dass es nicht mehr die enge Freundschaft von damals ist. Natürlich hat auch jeder seine eigene Sicht, denn auch wenn einige behaupten, bester Freund gewesen zu sein, so ist das immer seine Sicht und das Gegenüber kann das ganz anders wahrgenommen haben.
 

buchregal

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8. April 2021
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Sabine hat angeblich mit der Sache abgeschlossen, was ich ihr nicht glaube.
Ich glaube, dass man damit nie abschließen kann. Es wird immer mal wieder hochkommen, egal wie lange es her ist.
Benjamin ist äußerst gesprächig, im Gegensatz zu den anderen. Was verbirgt er hinter seiner Geschwätzigkeit?
Er ist Anwalt - die reden gerne.
Wie es im Buch auch heißt: Es gibt immer mehr als ein Opfer, „ eine Schneise der Verwüstung durch all ihre Beziehungen.“ Ich frage mich auch oft, wie es sich anfühlt, Elternteil eines Täters zu sein, bestimmt schlimmer als der eines Opfers.
Ich glaube, dass bei Eltern dazukommt, dass sie sich fragen, was sie falsch gemacht haben und was sie anders hätten machen können.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Liebe Leserunde! Ich habe hier eine verspätete Punktlandung mit dem Buch, inzwischen habe ich es mir nämlich privat besorgt und heute den ersten LA gelesen.
Die Rezensionen zu lesen habe ich mir erstmal verkniffen, aber natürlich gesehen, dass die meisten von euch doch recht hoch bepünkteln ... Ich bin gespannt.
Den Ansatz mit den verschiedenen Interviews finde ich sehr interessant, auch die verschiedenen Erzählstimmen gefallen mir. Sabine gefällt mir besonders, ich mag den leicht rotzigen Tonfall, den sie oft anschlägt.
Till (den ich ... hm, angeberisch finde) ist von der Unschuld seines Freundes überzeugt oder gibt das jedenfalls an; für Sebastian gilt (wenn ich es richtig deute) dasselbe, Benjamin weiß es nicht. Emilia gibt sich sehr vorsichtig und Sabine - das finde ich am interessantesten: in ihrem ersten Statement sagt sie: "soll er doch in seiner Zelle ... verrotten". Es scheint so, dass sie zwar an die Unschuld ihres Freundes glauben möchte, ihm aber jedenfalls übel nimmt, dass er sie in diese Situation gebracht hat.
Ich erwarte keinen klassischen Krimi. Wenn am Ende immer noch unklar ist, ob der Verurteilte den Mord begangen hat, würde mich das nicht wundern.
Dass "der Gefangene" keinen Namen hat, nervt mich übrigens ein wenig. Ich hoffe, Poschenrieder hat dafür einen guten Grund, der sich noch erschließen wird?

ps. Ich habe schon oft gehört, dass in Deutschland fast alle Morde aufgeklärt werden. Bei solchen Statistiken muss man allerdings immer beachten: dass jemand für den Mord verurteilt wird, bedeutet nicht immer zwingend "aufgeklärt". So ist im Mordfall Weimar von 1986, der uns damals, als es passierte, sehr beschäftigt hat, jetzt viele Jahre später plötzlich eine neue Spur aufgetaucht, die wieder Zweifel aufwirft. Von einem hundertprozentig aufgeklärten Mord kann man wohl nur sprechen, wenn man ein (glaubhaftes!) Geständnis vorliegen hat.
Umgekehrt dürfte es aber auch Morde geben, bei denen der Täter bekannt ist, aber nicht verurteilt werden kann, weil falsche Alibis gegeben werden, im Bandenmilieu vor allem.
 
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Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Den Ansatz mit den verschiedenen Interviews finde ich sehr interessant, auch die verschiedenen Erzählstimmen gefallen mir. Sabine gefällt mir besonders, ich mag den leicht rotzigen Tonfall, den sie oft anschlägt.
Das hast du schneller durchschaut als ich. Ich fand sie zunächst unsympathisch, sie wurde aber nach und nach zu meiner Lieblingsfigur.
ps. Ich habe schon oft gehört, dass in Deutschland fast alle Morde aufgeklärt werden. Bei solchen Statistiken muss man allerdings immer beachten: dass jemand für den Mord verurteilt wird, bedeutet nicht immer zwingend "aufgeklärt". So ist im Mordfall Weimar von 1986, der uns damals, als es passierte, sehr beschäftigt hat, jetzt viele Jahre später plötzlich eine neue Spur aufgetaucht, die wieder Zweifel aufwirft. Von einem hundertprozentig aufgeklärten Mord kann man wohl nur sprechen, wenn man ein (glaubhaftes!) Geständnis vorliegen hat.
Sehr interessanter Gedanke. Zumal die Versuchung, jemanden in einem Indizienprozess zu verurteilen, steigt, wenn man die Statistik verschönern will...
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Sehr interessanter Gedanke. Zumal die Versuchung, jemanden in einem Indizienprozess zu verurteilen, steigt, wenn man die Statistik verschönern will...
In der Statistik wird ein Mord wie der im Fall Weimar natürlich als "aufgeklärt" geführt. Das sähe wirklich komisch aus, wenn ein Staatsanwalt sagen würde: "naja, wirklich aufgeklärt ist der Mord nicht, aber wir haben jemanden in den Knast geschickt".

Und wie gesagt, umgekehrt gibt es sicher viele Fälle, wo ein Polizist sagen würde: "Wir wissen genau, wer es war, aber für eine Anklage oder gar Verteilung haben die Beweise eben nicht gereicht." Statistisch wäre das dann ein unaufgeklärter Mord.
 
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