Ich kann mich euren positiven Meinungen bisher vollumfänglich anschließen.
Formal ist diese Mischung aus Interviews, Memos und Sekundärliteratur sehr aufregend und etwas Besonderes. Zwar habe ich schon Bücher gelesen, in denen es so etwas gab, aber ich glaube nicht mit dieser Konsequenz. Ich bin schon gespannt, ob diese Darstellungsform so bis zum Ende beibehalten wird und - wenn ja - ob das auch durchgehend so spannend bleibt.
Positiv kommt hinzu, dass die Figuren auch wirklich unterschiedlich reden und man eigentlich gleich wieder weiß, wer dort gerade interviewt wird. Eine Ausnahme ist vielleicht das Duo Till/Sebastian, bei denen ich als Einzige manchmal etwas durcheinander komme.
Auch inhaltlich überzeugt mich das Buch bisher. Wie Stück für Stück immer mehr Details aufgedeckt werden, ist ungemein spannend. Das hält meine Leseaufmerksamkeit permanent hoch.
Zum Mordfall kann ich mir natürlich noch keine Meinung bilden. So einfach, wie es scheint, wird es wohl kaum sein, sonst wäre das nicht nur für die Journalistin viel Brimborium, sondern auch für Christoph Poschenrieder als Autor.
Zwischendurch schrecke ich immer wieder hoch, weil Poschenrieder ein paar kühne Ideen einstreut. Beispielsweise, dass Benjamin ein Babyfoto von Hitler auf dem Schreibtisch stehen hatte: "Jeder ist alles, und aus jedem kann alles werden." (S. 16) Das finde ich gleichermaßen witzig wie schrecklich, und es bleibt sofort hängen. Genauso wie die zweite Hitler-Anspielung, als es um die "Popularität" des mutmaßlichen Mörders in diesem Vorort geht: "Oder wer fällt Ihnen ein, wenn ich Braunau sage?" (S. 28) Da hat Sebastian recht!
Seltsam ist es, dass keiner der Freunde bisher den Namen des Gefangenen genannt hat, aber das habt ihr ja auch schon angemerkt. Ist es eine Distanzierung oder nur eine literarische Spielerei, die ja auch die Journalistin übernimmt ("Der Gefangene").
Klasse finde ich, dass man als Leser:in sehr auf die Zwischentöne hören muss, um ein psychologisches Verständnis für die Figuren zu entwickeln. Besonders aufgefallen ist mir dabei, dass sich sowohl Benjamin, als auch Sebastian als "bester Freund" des mutmaßlichen Täters bezeichnen. Benjamin thematisiert das ja sogar.
Ich lese jedenfalls gern und mit großer Spannung weiter.