1. Leseabschnitt: FRÜHLING (Anfang bis S. 38)

Literaturhexle

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Hier diskutieren wir über den Abschnitt "FRÜHLING" vom Anfang des Buches bis Seite 38.
 

MRO1975

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Der Sprachstil ist wirklich bemerkenswert. Mary berichtet aus ihrer Sicht mit der ihr zur Verfügung stehenden Wortauswahl und Rechtschreibung. Die Worte sind einfach, manche Wendungen werden häufig wiederholt. Satzzeichen, zumindest Kommas, fehlen. Dadurch wirkt die Schreibe ungeglättet, rau und holzschnittartig. Diesen Schreibstil zu wählen, war riskant, da Leser dadurch abgeschreckt werden könnten. Mich hat er aber gleich in seinen Bann gezogen. Die Erzählung aus Marys Perspektive wirkt unheimlich authentisch. (Diesen Effekt gab es bei mir auch bei Beale Street Blues. Dort war die Geschichte aus der Sicht von Tish auch im Slang geschrieben, was mir sehr gefiel.)
 

KrimiElse

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Der Sprachstil ist wirklich bemerkenswert. Mary berichtet aus ihrer Sicht mit der ihr zur Verfügung stehenden Wortauswahl und Rechtschreibung. Die Worte sind einfach, manche Wendungen werden häufig wiederholt. Satzzeichen, zumindest Kommas, fehlen. Dadurch wirkt die Schreibe ungeglättet, rau und holzschnittartig. Diesen Schreibstil zu wählen, war riskant, da Leser dadurch abgeschreckt werden könnten. Mich hat er aber gleich in seinen Bann gezogen. Die Erzählung aus Marys Perspektive wirkt unheimlich authentisch. (Diesen Effekt gab es bei mir auch bei Beale Street Blues. Dort war die Geschichte aus der Sicht von Tish auch im Slang geschrieben, was mir sehr gefiel.)
Authentisch wirkt es auch auf mich. Ungeschliffen, roh, durcheinander, stolpernd. Ich weiß nicht, ob mir dies das ganze Buch hindurch gefällt, aber momentan mag ich es. Die Geschichte selbst liest sich zunächst mit einem weinenden und einem lachenden Auge. Mary ist ein Plappermaul, witzig, wie sie mit bestimmten Situationen umgeht. Zum Beispiel mit der „Heiligkeit“ von Beatrice. Traurig und bedrückend, wie sie die Schläge und Beschimpfungen ihres Vaters zu erdulden gelernt hat.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die von euch gewählten Attribute für.die Sprache finde ich passend. Mir gefällt sie auch gut. Die Erzählerin will die Wahrheit berichten- das macht von Beginn an neugierig.

Der Vater ist ein Despot, der im Wechsel Großvater und Töchter aus mitunter nichtigem Anlass verprügelt. Die Mutter schaut zu, strahlt dabei die gleiche Härte wie der Vater aus. Dem gelähmten Opa seine Faulheit vorzuwerfen,,,, dazu gehört schon was!

Violet hat eine Verabredung mit einem Mann, der ziemlich schnell zur Sache kommt... Sie hat zwar kurz widersprochen, den Sex dann aber geschehen lassen. Diese von Mary beobachtete Szene wird bestimmt noch bedeutsam sein. War das eine Vergewaltigung?

Mary und der Opa sind Verbündete. Von ihm stammt die Idee, am Morgen des Ostersonntages auf den Berg zugehen und sich etwas zu wünschen. Sehr interessant, was sich die Schwestern wünschen.
Keine will den Wunsch von Mary erfahren. Sie scheint in der Hackordnung ganz weit unten zu stehen. Sie bleibt länger auf dem Hügel und bezahlt das mit schlimmen Prügeln. "Dies war der Tag, an dem sich alles änderte".

Mary ist ein starkes Mädchen. Wie hat sie schreiben gelernt? Wir werden es erfahren.
 

KrimiElse

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Diese von Mary beobachtete Szene wird bestimmt noch bedeutsam sein. War das eine Vergewaltigung?
Ja, das wird es, und ich hatte beim Lesen nicht das Gefühl, es wäre eine Vergewaltigung. In meinen Augen ist das die Unwissenheit von Mary, die aus der Szene spricht. (Sie weiß zwar, wie Kinder gezeugt werden von den Tieren, ist neu für sie.)
 

KrimiElse

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Mary und der Opa sind Verbündete. Von ihm stammt die Idee, am Morgen des Ostersonntages auf den Berg zugehen und sich etwas zu wünschen. Sehr interessant, was sich die Schwestern wünschen.
Keine will den Wunsch von Mary erfahren. Sie scheint in der Hackordnung ganz weit unten zu stehen. Sie bleibt länger auf dem Hügel und bezahlt das mit schlimmen Prügeln. "Dies war der Tag, an dem sich alles änderte".
Das schön, nicht war? Die beiden Versehrten und in der Hackordnung ganz unten stehenden haben sich zusammen getan. Ich finde es traurig, wie die Menschen im Alter behandelt werden, und ich denke, dass dies nicht unbedingt die Norm ist, auch nicht auf einem armen Bauernhof. Aber in dieser Familie scheint der Vater alle nach ihrem Nutzen für die Arbeit auf dem Hof zu beurteilen.
Die Wünsche der Schwestern fand ich auch interessant, und ebenso bezeichnend, dass Mary ursprünglich mit der Idee ankam, aber keiner sich für das, was sie möchte, interessiert. Sie gilt wohl in der Familie sowieso als minderbemittelt, ist mein Eindruck.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich musste mich zunächst etwas einfinden in die Schreibweise. Mittlerweile bin ich aber "voll drin" und kann alles, was ihr zum Schreibstil schreibt nur unterstützen.
Manche Passagen sind trotz ihrer sprachlichen Nüchternheit so berührend, dass ich immer mal wieder Gänsehaut beim Lesen habe. So etwa die Szene auf dem Hügel, wo wirklich keine der Schwestern wissen wollte, was Mary sich wünscht (auch wenn sie es zu dem Zeitpunkt selber nicht wirklich weiß) und sie einfach liegen bleibt und somit die Prügel ihres Vaters in Kauf nimmt.
Die Rauheit des Vaters (auch gegenüber seinem Vater) finde ich fürchterlich, aber ich denke, liebe @KrimiElse, dass es im Jahr des Herrn 1830 auf dem (englischen?) Land wirklich so grob herging wie hier geschildert - das macht das Ganze sehr authentisch.
 

Literaturhexle

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aber ich denke, liebe @KrimiElse, dass es im Jahr des Herrn 1830 auf dem (englischen?) Land wirklich so grob herging wie hier geschildert - das macht das Ganze sehr authentisch.
Dass es härter zuging, steht außer Frage. Aber dieser Vater hat eindeutig ein Problem mit der Gewalt... Vielleicht kommt noch der Frust dazu, dass er keinen Sohn hat? Bin gespannt, ob die Gattin auch nochmal "gezüchtigt " wird.
 

MRO1975

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Der Vater ist ein Despot, der im Wechsel Großvater und Töchter aus mitunter nichtigem Anlass verprügelt. Die Mutter schaut zu, strahlt dabei die gleiche Härte wie der Vater aus. Dem gelähmten Opa seine Faulheit vorzuwerfen,,,, dazu gehört schon was!
Ich hatte auch den Eindruck, dass die Gewalttätigkeit des Vaters selbst nach damaligen Maßstab weit über das Normale hinausgeht. Die Anlässe, aus denen er prügelt, sind ja wirklich nichtig. Er übt damit nur Macht aus. Die Mutter hat offenbar resigniert. Ob sie früher einmal anders gehandelt und ihre Mädchen versucht hat zu beschützen - wer weiß....
 

KrimiElse

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Die Rauheit des Vaters (auch gegenüber seinem Vater) finde ich fürchterlich, aber ich denke, liebe @KrimiElse, dass es im Jahr des Herrn 1830 auf dem (englischen?) Land wirklich so grob herging wie hier geschildert - das macht das Ganze sehr authentisch.
Wie recht du hast, authentisch wirkt es tatsächlich...ich bin mir nicht sicher, habe dies Geschichte nach Irland gepflanzt, aber der (später auftauchende) Tee ist sicher eher englisch.
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Die Worte sind einfach, manche Wendungen werden häufig wiederholt. Satzzeichen, zumindest Kommas, fehlen. Dadurch wirkt die Schreibe ungeglättet, rau und holzschnittartig. Diesen Schreibstil zu wählen, war riskant, da Leser dadurch abgeschreckt werden könnten.
Die Wiederholungen fallen mir beim Hören natürlich auf, aber die fehlenden Satzzeichen nicht ;)
Die Vorleserin ist hervorragend, dadurch wirkt das, was Mary sagt, unglaublich eindringlich, auch wegen der Wiederholungen und dem naiven Schreibstil. Durch die Ansprache "Du" habe ich als Zuhörerin das Gefühl, sie spreche direkt zu mir und erzähle mir ihre Geschichte.
Manche Passagen sind trotz ihrer sprachlichen Nüchternheit so berührend, dass ich immer mal wieder Gänsehaut beim Lesen habe.
Das ist beim Hören ebenso, die Geschichte wirkt unglaublich authentisch.

Diese von Mary beobachtete Szene wird bestimmt noch bedeutsam sein. War das eine Vergewaltigung?
Ich denke wie @KrimiElse nicht, dass es eine Vergewaltigung gewesen ist. Nach dem Akt haben die beiden sich noch geküsst und Violets schwacher Protest scheint mir eher ein Tribut an ihre Erziehung, dass man "so etwas" nicht macht.
Mary kann einem Leid tun, sie scheint diejenige zu sein, die die Gewalt, und die geht meines Erachtens über das "Normale" hinaus, am meisten zu spüren bekommt. Sie funktioniert, aufgrund ihres Beins, das eine Fehlstellung (?) hat, nicht so, wie er sich das vorstellt. Aber es scheint sich etwas zu ändern, das deutet sie am Ende des Kapitels an.
 
G

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Der Sprachstil ist wirklich bemerkenswert. Mary berichtet aus ihrer Sicht mit der ihr zur Verfügung stehenden Wortauswahl und Rechtschreibung. Die Worte sind einfach, manche Wendungen werden häufig wiederholt. Satzzeichen, zumindest Kommas, fehlen. Dadurch wirkt die Schreibe ungeglättet, rau und holzschnittartig. Diesen Schreibstil zu wählen, war riskant, da Leser dadurch abgeschreckt werden könnten. Mich hat er aber gleich in seinen Bann gezogen. Die Erzählung aus Marys Perspektive wirkt unheimlich authentisch. (Diesen Effekt gab es bei mir auch bei Beale Street Blues. Dort war die Geschichte aus der Sicht von Tish auch im Slang geschrieben, was mir sehr gefiel.)

Das ging mir vollkommen genauso. Trotz der Einfachheit der Sprache zieht das Geschriebene mich in den Bann. Und mir gefällt das Geschriebene sehr. Marys Geschichte wirkt absolut authentisch. In der Schilderung des Lebens auf diesem Hof überkommt mich sofort ein gewisses Unbehagen, es schwingt ein leises Grauen mit, ich habe das Gefühl das Unheil droht/naht. Mal sehen.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Wie auch ihr schon geschrieben habt, die Gewalttätigkeit des Vaters ist heftig und auch mir kommt es so vor, als ob sie bei ihm stärker ausgeprägt ist, es ihm vielleicht sogar Freude macht sie auszuüben. Aber genauso empfinde ich auch die Gefühlskälte der Mutter bezeichnend. Wer weiß wie ihre Beziehung aussieht? Genauso würde mich die Stellung der Familie in ihrer Umgebung interessieren. Wie die Familie durch die Mitmenschen gerade wegen ihrer Tochter Mary bewertet wird.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Mary und der Opa sind Verbündete. Von ihm stammt die Idee, am Morgen des Ostersonntages auf den Berg zugehen und sich etwas zu wünschen. Sehr interessant, was sich die Schwestern wünschen.
Keine will den Wunsch von Mary erfahren. Sie scheint in der Hackordnung ganz weit unten zu stehen. Sie bleibt länger auf dem Hügel und bezahlt das mit schlimmen Prügeln. "Dies war der Tag, an dem sich alles änderte".

Diese Stellung in der Familie finde ich aus zwei Gründen interessant. Einmal wegen dem empathisch gezeichneten Charakter der Beiden. Der Großvater wird von Mary empathisch gezeichnet. Warum nur er? Die Schwestern wirken eher weniger empathisch, beim Ansehen des Sonnenaufgangs fragt ja auch keine der drei Schwestern nach den Gedanken von Mary, weil es sie nicht interessiert oder weil sie ihr keine Gedanken zutrauen? Allerdings wirkt Mary auch so als würde sie ihre Schwestern etwas überwachen, damit macht sie sich sicher keine Freunde. Und auch ihre Art über sie zu schreiben wirkt weniger innig. Die Wünsche der Schwestern zum Sonnenaufgang lassen sie teils etwas menschlicher werden, Violet möchte eine Lehrerin sein, Kinder unterrichten, Hope möchte weg von zu hause, möchte dass es ihr besser geht, Beatrice möchte dem Herrn begegnen. Was soll das wohl heißen?

Ich hoffe nicht, dass ihre Stellung in der Familie nur durch ihre Behinderung zu erklären ist.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Manche Passagen sind trotz ihrer sprachlichen Nüchternheit so berührend, dass ich immer mal wieder Gänsehaut beim Lesen habe. So etwa die Szene auf dem Hügel, wo wirklich keine der Schwestern wissen wollte, was Mary sich wünscht (auch wenn sie es zu dem Zeitpunkt selber nicht wirklich weiß) und sie einfach liegen bleibt und somit die Prügel ihres Vaters in Kauf nimmt.
Die Rauheit des Vaters (auch gegenüber seinem Vater) finde ich fürchterlich, aber ich denke, liebe @KrimiElse, dass es im Jahr des Herrn 1830 auf dem (englischen?) Land wirklich so grob herging wie hier geschildert - das macht das Ganze sehr authentisch.

Dass keine der Schwestern Marys Wunsch wissen wollte, sagt viel über ihre Wertigkeit in den Augen der Anderen aus und macht mich etwas traurig. Und vielleicht macht dieses Buch gerade wegen dieser Einfachheit der Sprache so betroffen, könnte bei mir so sein, bin mir noch nicht so sicher. Vielleicht werde ich in der nächsten Stunde schlauer. :)
 

Literaturhexle

Moderator
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2. April 2017
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Der Großvater wird von Mary empathisch gezeichnet. Warum nur er
Ich würde sagen, weil nur diese beiden ein inniges Verhältnis haben. Alle anderen haben sich zwar aneinander gewöhnt (mögen z. B. nicht alleine schlafen), aber sie teilen wenig Persönliches mit Mary. Vielleicht halten sie sie auch für überlegen? Sie hat ja schon ein großes Maß an Verstand und Bauernschläue. Dazu würde deine Beobachtung passen, dass Mary die Schwestern beobachtet.

Was die nächtliche Begegnung mit Violet und dem Unbekannten betrifft, halte ich es für Zufall, dass Mary die beiden gesehen hat.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

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Ich denke, dass der Grund ist, dass beide eine Behinderung haben und daher innerhalb der Familie am unteren Ende der Hackordnung stehen. Das verbindet.

Ich hatte gehofft, dass nicht nur ihre Behinderung für ihre Stellung in der Familie sorgt. Bin nach Beendigung des Buches natürlich im Bilde. Hatte halt noch auf andere familiäre Verwicklungen gehofft. :)
 
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