In Ermangelung eines anderen fesselnen Hörbuches habe ich nun dieses bei Audible käuflich erworben. Der Interpret und Schauspieler Boris Aljinovic betont die Sätze wunderbar pointiert, so dass ich glaube, das Buch auf diese Weise intensiver wahrnehmen zu können als beim Lesen. Thomas Mann hat einfach einen einmaligen Schreibstil. Dieses ist nun mein drittes Buch von ihm, ich bin begeistert.
Mit Felix Krull begibt sich der Autor dieses Mal ins Rheinische. Vater Krull produziert Schaumwein, es ist köstlich wie der Erzähler (Felix) diesen verunglimpft, weil es sich wohl eher um ein minderwertiges Getränk handelt. Folgerichtig macht die Firma am Ende des ersten Buches auch bankerott - mit der vollen Schmach für die Familie, die man schon bei den Buddenbrooks kennenlernen durfte.
Der Roman beinhaltet die Memoiren des Felix Krull, die er im Alter verfasst. Er hat Jahre im Zuchthaus verbracht. Im ersten Buch berichtet er von seiner Jugend bis zum Tod des Vaters, als er 16 Jahre alt war und noch nicht einmal über einen Schulabschluss verfügte.
Felix scheint ziemlich frei und grenzenlos in seinem Elternhaus aufzuwachsen. Er hat gewisse Eigenarten und Schrullen, auch meidet er die Schule, indem er die Schrift seines Vaters für Entschuldigungen nachahmt, was niemandem aufzufallen scheint. Sein Patenonkel Schimmelpreester sieht über derlei hinweg. Freunde finden sich auch keine ein, da der Umgang mit ihm (zuRecht) nicht standesgemäß und schicklich ist. Die Mütter haben Angst um das Seelenheil ihrer Söhne, da die Frauen Krull recht leichtlebig zu sein scheinen.
Die einzelnen Kapitel schildern verschiedene aneinandergereihte Episoden aus Felix´Leben. Manche lässt schon Rückschlüsse auf seine "Karriere" als Hochstapler zu.
Zum Beispiel die oben von
@Yolande genannte, in der er so tut, als ob er zu einem virtuosen Geigenspiel fähig wäre.
Beim ersten Theaterbesuch ist Felix völlig bezaubert von Aussehen und Spiel des Schauspielers Müller-Rosé - der sich in der Umkleide als selten hässlich und pickelig entpuppt und abstoßend auf den Jungen wirkt. Bereits dort lernt er wohl, dass es mehr auf den Schein als das Sein ankommt.
Der kleine, aber regelmäßige Schokoladendiebstahl im örtlichen Feinkosthandel bleibt ungesühnt und ermutigt wahrscheinlich zu weiterreichenden Taten. Seine Künste als Liebhaber werden schon in der frühen Jugend gepriesen und beweihräuchert! Bereits die Mutterbrust hat ihn zu sinnlichen Freuden animiert, mit dem rund 20 Jahre älteren Hausmädchen vervollkommnet er seine Qualitäten...
Im letzten Kapitel nimmt sich der Vater das Leben, die Familie darf aber noch im nackten Haus weiter wohnen. Ich bin gespannt, wie sich die drei über Wasser halten werden. Den Damen kann wohl nur eine Heirat helfen (aber wer würde sie völlig mittellos und entehrt nehmen?), Felix hat nichts gelernt, versteht sich wahrscheinlich nur aufs Blenden, Lieben, Täuschen und Stehlen.
Da ich die Geschichte nicht kenne, bin ich wirklich neugierig auf deren Fortgang.