1. Leseabschnitt: Erster und Zweiter Teil

Literaturhexle

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Erster Teil: Der Fünf-Uhr-Schnellzug
Zweiter Teil: Ein Mädchen aus anderen Kreisen
 

Emswashed

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Im Fünf-Uhr-Schnellzug wird Mischa Gordon Zeuge des Selbstmords von Juri Shiwagos Vater. Von seinem Anwalt getrieben und vom Alkohol ermutigt, stürzt er sich kopfüber aus dem Zug.
Juris Mutter verstarb schon früher, der Vater aber hatte sich schon längst aus dem Staub gemacht.
Juri wird bei seinem Onkel (mütterlicherseits), Wedenjapin groß.

Mit dem Mädchen "aus anderen Kreisen" ist die Tochter der Schneidereibesitzerin Mme Guichard, Lara, gemeint. Der Nachbar Pawluscha Antipow verliebt sich in Lara, diese fühlt sich aber dem Gönner und Anwalt der Familie Komarowski "verpflichtet - derselbe Unhold, der Juris Vater in den Tod trieb.

Soweit, so hoffentlich richtig. Denn ich kann noch nicht behaupten "durchzublicken". Und auch diese paar Zeilen, vor allem die Namen, konnte ich nur mit Hilfe zusammenpuzzlen. (Meine Ausgabe hat kein Personenregister.)

Trotz aller Schwierigkeiten, treibt es mich voran - beim Weiterlesen erinnere ich zumindest die wichtigsten Namen.;)
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Im Fünf-Uhr-Schnellzug wird Mischa Gordon Zeuge des Selbstmords von Juri Shiwagos Vater
Also zumindest nach diesem Kapitel "Fünf Uhr Schnellzug" wussste ich das noch nicht. (Egal).
Wo hast du das alles her? Was man nicht direkt aus dem Buch rauslesen kann, zählt für mich nicht.

Was ich rausfand, war, dass Mischa Jude ist. Und dass er dieses Erbe bereits mit elf Jahren als Last empfindet.

Ich habe das zweite Kapitel noch nicht angefangen. Aber mit den Namen, ich lese auch ohne Personenregister habe ich keine Probleme, ich erwarte nämlich nicht, dass ich auf den ersten Seiten schon durchblicke. Warum auch? Als das Buch entstand, gabs kein Internet, wo man nachschauen konnte.

Statt dessen erfreue ich mich an der schönen Schreibweise und der Natur, die erstaunlicherweise bereits auf die Kinder mächtig Eindruck macht.

Die Erwachsenen unterhalten sich über den Sinn des Lebens. Religion ist ganz normal Gesprächsstoff. Der christliche Glaube wird zwar nicht immer geglaubt, aber jedenfalls nicht in Frage gestellt.

Worum es geht in diesem Roman? Keine Idee. Aber das wird sich weisen.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Ok, Ems. In der Tat, da stehts:
"Das ist der Mann, der deinen Vater zum Trinken verleitet und in den Tod getrieben hat. Du weißt schon, im Zug, ich habe dir davon erzählt."

- wieso sind wir ruckizucki im Jahr 1906, vor einem Moment war noch 1903.

- der Boris springt schon sehr gewollt in der Zeit herum. Er muss ne Zeitmaschinenpille geschluckt haben.

- der Leser kann sich allerhand zusammenreimen.

- die russischen Namen sind nicht ganz so schlimm wie die chinesischen.

Interessant ist es. Es passiert ständig was.
Bisher dachte ich immer, die Englanders wären verrückt, aber die Russen toppen es.

- die armen Pferde ... sie frieren

- der arme Jack (Bulldogge) wird von seinem Herrchen misshandelt. Das geht gar nicht.

- ist die Lara von K. jetzt entjungert worden oder nicht?
 
Zuletzt bearbeitet:

Yolande

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13. Februar 2020
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wieso sind wir ruckizucki im Jahr 1906, vor einem Moment war noch 1903.
Mit der Zeiteinteilung hatte ich so meine Probleme, irgendwann war mal Juli und zwei Sätze später Oktober :rolleyes:. Ich war dann froh, dass er dann mal wieder eine Jahreszahl verkündet hat, zur besseren Einordnung.
- ist die Lara von K. jetzt entjungert worden oder nicht?
Spannende Frage, sie fühlt sich auf jeden Fall "entehrt". Die Frage ist nur, was bedeutet das für ein junges russisches Mädchen Anfang des 20. Jahrhunderts? Entjungfert oder vielleicht doch nur leidenschaftlich geküsst und ein bisschen gefummelt?
Viel passiert ist ja bisher noch nicht, Lara und Shiwago haben sich jetzt immerhin schon mal gesehen, aber ich lese es bisher recht gern. Die Beschreibungen sind toll, teilweise richtig poetisch, manchmal verliert sich Pasternak in den Kleinigkeiten, aber bis jetzt bin ich noch großzügig.
Das einzige was mich so richtig gestört hat (liegt aber an der Übersetzung) war das Wort "Meeting". Da bin ich so drübergestolpert, passt irgendwie so gar nicht in das Buch.
- die russischen Namen sind nicht ganz so schlimm wie die chinesischen.
Bisher komme ich auch noch klar, aber das die wirklich jeden Hausmeister und jede Putzfrau mit vollem Vor- und Nachnamen bezeichnen müssen ...o_O
Fünf-Uhr-Schnellzug wird Mischa Gordon Zeuge des Selbstmords von Juri Shiwagos Vater. Von seinem Anwalt getrieben und vom Alkohol ermutigt, stürzt er sich kopfüber aus dem Zug.
Du hast das auch so gesehen, sehr gut. Ich war mir erst unsicher, weil eigentlich war der Vater ja weg, aber wenn ihr das auch meint, wird's schon stimmen :D
 

Emswashed

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Wadern
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Bisher komme ich auch noch klar, aber das die wirklich jeden Hausmeister und jede Putzfrau mit vollem Vor- und Nachnamen bezeichnen müssen ...o_O
Ich habe glücklicherweise eine Ausgabe mit Namensregister, da muss ich ab und an mal reinschauen, da uns zu Beginn ein ganzes Tableau an Figuren serviert wird. Den rechten Überblick habe ich auch noch nicht, aber es liest sich gefällig und allmählich komme ich rein.

Ich denke auch, dass Lara nur geküsst wurde, aber das wird sich vielleicht noch klären.
 

Die Häsin

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Ich habe vorhin angefangen und hoffe euch schnell einzuholen ...

Gerade habe ich mal in meine Facebook-Timeline von 2018 geschaut, da schrieb ich nämlich:

<<<
"Als er ganz klein war, hatte es eine Zeit gegeben, in welcher der Name, den er trug, eine große Anzahl der verschiedensten Dinge bezeichnete:
Es gab die Fabrik Schiwago, die Bank Schiwago, das Immobilienbüro Schiwago, das Verfahren Schiwago, mit Hilfe dessen man Krawattenknoten durch Nadeln befestigte, und sogar eine Sorte von runden Kuchen, der man den Namen Schiwago gegeben hatte. Damals brauchte man einem Moskauer Kutscher nur zuzurufen "Zu Schiwago", und der Schlitten entführte einen ans Ende der Welt in ein verzaubertes Königreich. Ein stiller Park schloß sich von allen Seiten zusammen. Von den Zweigen der Tannen rieselte der Schnee, wenn sich eine Krähe darauf niederließ.
Rassehunde liefen über den Weg jenseits der Schneise, wo die neuen Gebäude standen. Dort unten zündete man die Lichter an. Der Abend nahte.
Eines Tages löste sich die ganze Herrlichkeit in nichts auf. Sie waren arm geworden."

Es braucht nur diesen einen Absatz, um nachzuweisen, wie hoffnungslos unterlegen das Medium Film dem Medium Buch ist.
Als ich das Buch das erste Mal in der Hand hatte (von meinem Vater in dieselbe gedrückt) muss ich noch sehr jung gewesen sein, wahrscheinlich nicht älter als 13 oder so. Ich kann mich erinnern, dass ich das mit dem nahenden Abend nicht verstand; überhaupt verstand ich das Prinzip des pars pro toto nicht, das hier angewendet wird. Heute bekomme ich beim Lesen dieses Absatzes eine wonnige Gänsehaut.
>>>


Vielleicht war ich ungerecht gegenüber dem Medium Film, man kann das ja nicht wirklich vergleichen.
Aber die überaus kunstvolle Narrativik dieses Absatzes reißt mich immer wieder vom Hocker. Und gerade dieses narrative Element, die Kunst, große Bögen zu schaffen, scheint mir in der modernen Literatur gerade verloren zu gehen. Vielleicht gerade deshalb, weil die Erzähltechniken dem Medium Film angeglichen werden. Ich schrieb gerade im Ordner "Bücher, die man gelesen haben muss", dass ich Anna Gavaldas Buch nicht gemocht habe: es war aus genau diesem Grund.
 

Emswashed

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Und gerade dieses narrative Element, die Kunst, große Bögen zu schaffen, scheint mir in der modernen Literatur gerade verloren zu gehen. Vielleicht gerade deshalb, weil die Erzähltechniken dem Medium Film angeglichen werden.

Das ist wohl auch unserer immer kürzer werdenden Aufmerksamkeitsspanne geschuldet. Was nicht innerhalb des ersten Satzes schon angesprochen wird, verliert an Wirkmächtigkeit. (Ganz krass zu beobachten in E-mails... nur der erste Punkt/erste Frage wird beantwortet, der Rest entfällt.)


Und, wow, ich mag Deine Gedanken zum Buch. Ich habe sogar "pars pro toto" nachgeschaut und bei meinem Bildungsgrad kann ich nur sagen: Else what learnd!;)
 

Die Häsin

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Ich sehe gerade im nächsten Leseabschnitt, dass ihr anscheinend alle eine andere Übersetzung habt als ich.
Es wäre supertoll, wenn sich eine von euch durchringen könnte, mir den oben zitierten Absatz mal abzuschreiben - gerade weil ich ihn für ein erzählerisches Meisterstück halte. Vielleicht von dem Satz mit dem Moskauer Kutscher an, dann ist es nicht so viel. Ich würde das gerne mal vergleichen.
(Damals brauchte man einem Moskauer Kutscher nur zuzurufen "Zu Schiwago", etc.)
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Ein Nachtrag zu Lara: m.M.n. wurde sie "entjungfert" (was für ein Wort!), weil es in Kap. 15 heißt "Sie war seine Gefangene auf Lebenszeit".
Dieses Topos, dass Frauen auf Lebenszeit an ihren "Ersten" gebunden seien, ist typisch für die Zeit. Ich hatte als Jugendliche ein Aufklärungsbuch, in dem das immer noch so vermittelt wurde. Ein Graus.
 

Querleserin

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Das mit den großen Erzählbögen hast du treffend formuliert. Dieser Roman braucht Geduld, die Handlung entwickelt sich - langsam. Das Gegenteil der schnellen Schnitte in heutigen Filmen. Der jungen Generation fehlen oft die Geduld und auch das Durchhaltevermögen diese Langsamkeit auszuhalten und leider auch das nötige Textverständnis. Dafür müsste man sorgfältig lesen und nicht schnell „wischen“ ;)
 
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Literaturhexle

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@Die Häsin
Als kleiner Junge hatte er die Zeit noch erlebt, als der Name, den er trug, viele ganz verschiedene Dinge bezeichnete.
Es gab die Shiwago-Manufaktur, die Shiwago-Bank, die Shiwago-Häuser, es gab die Shiwago-Methode, einem Krawattenknoten mit der Nadel festen Halt zu verleihen, und es gab sogar einen süßen Rumkuchen mit dem Namen Shiwago, und man könnte eine Zeitlang in Moskau dem Kutscher zurufen "Zu Shiwago!" wie dahin, wo sich die Füchse gute Nacht sagen!, dann fuhr er einen mit dem Schlitten über sieben Berge in ein Märchenreich. Man war von einem stillen Park umgeben. Auf die herunterhängenden Tannenzweige setzten sich, den Reif abschüttelnd, Krähen. Ihr Krächzen hallte lange nach wie das Knacken eines Astes. Von den Neubauten jenseits der Schneise kamen Rassehunde gelaufen. Dort wurden die Lichter angezündet. Es war Abend.
Mit einemmal zerstob das alles. Sie waren arm.
Ich empfinde auch die neue Übersetzung recht gelungen. Fast etwas flüssiger, ohne dass die Altertümlichkeit der Sprache verlorengeht.
 
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Ich empfinde die Übersetzung, die ich habe, als "bewegungsreicher": "Ein stiller Park schloß sich von allen Seiten zusammen" statt "man war von einem stillen Park umgeben", oder "Der Abend nahte" statt "Es war Abend".
Natürlich kann man anhand dieser zwei Textstellen kein Fazit ziehen, und vor allem müsste man eher wissen, welche eher dem Geist der Vorlage entspricht.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Man muss schon sehr konzentriert lesen, um nicht den Faden zu verlieren. Die vielen Namen mit ihren Abkürzungen und Kosenamen, da bin ich froh, ein Namensregister zu haben; dazu noch die Verbindungen untereinander.
Im Grunde sind es drei Erzählstränge, die sich ab und zu überschneiden:
Da ist der von Juri,
der von Lara und
der der Arbeiterfamilie.
Was mir sehr gut gefällt sind die Naturbeschreibungen bzw. die Beschreibungen überhaupt. Das liebe ich an den Klassikern. Die nehmen sich die Zeit, die Landschaft, die Umstände und die Atmosphäre zu beschreiben.