Ich habe vorhin angefangen und hoffe euch schnell einzuholen ...
Gerade habe ich mal in meine Facebook-Timeline von 2018 geschaut, da schrieb ich nämlich:
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"Als er ganz klein war, hatte es eine Zeit gegeben, in welcher der Name, den er trug, eine große Anzahl der verschiedensten Dinge bezeichnete:
Es gab die Fabrik Schiwago, die Bank Schiwago, das Immobilienbüro Schiwago, das Verfahren Schiwago, mit Hilfe dessen man Krawattenknoten durch Nadeln befestigte, und sogar eine Sorte von runden Kuchen, der man den Namen Schiwago gegeben hatte. Damals brauchte man einem Moskauer Kutscher nur zuzurufen "Zu Schiwago", und der Schlitten entführte einen ans Ende der Welt in ein verzaubertes Königreich. Ein stiller Park schloß sich von allen Seiten zusammen. Von den Zweigen der Tannen rieselte der Schnee, wenn sich eine Krähe darauf niederließ.
Rassehunde liefen über den Weg jenseits der Schneise, wo die neuen Gebäude standen. Dort unten zündete man die Lichter an. Der Abend nahte.
Eines Tages löste sich die ganze Herrlichkeit in nichts auf. Sie waren arm geworden."
Es braucht nur diesen einen Absatz, um nachzuweisen, wie hoffnungslos unterlegen das Medium Film dem Medium Buch ist.
Als ich das Buch das erste Mal in der Hand hatte (von meinem Vater in dieselbe gedrückt) muss ich noch sehr jung gewesen sein, wahrscheinlich nicht älter als 13 oder so. Ich kann mich erinnern, dass ich das mit dem nahenden Abend nicht verstand; überhaupt verstand ich das Prinzip des pars pro toto nicht, das hier angewendet wird. Heute bekomme ich beim Lesen dieses Absatzes eine wonnige Gänsehaut.
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Vielleicht war ich ungerecht gegenüber dem Medium Film, man kann das ja nicht wirklich vergleichen.
Aber die überaus kunstvolle Narrativik dieses Absatzes reißt mich immer wieder vom Hocker. Und gerade dieses narrative Element, die Kunst, große Bögen zu schaffen, scheint mir in der modernen Literatur gerade verloren zu gehen. Vielleicht gerade deshalb, weil die Erzähltechniken dem Medium Film angeglichen werden. Ich schrieb gerade im Ordner "Bücher, die man gelesen haben muss", dass ich Anna Gavaldas Buch nicht gemocht habe: es war aus genau diesem Grund.