1. Leseabschnitt: Erster Teil - Kapitel 1 bis 4

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich habe mich als Mitleser eingetragen.
Findet hier eine Diskussion statt?
Die Weltliteraturrunde ist immer auf das ganze Quartal ausgelegt, Eulenhaus. Deshalb kann jeder starten (und kommentieren), wie er mag. Ich meine aber, aus anderen Gesprächen mitgehört zu haben, dass es spätestens nächste Woche losgehen soll. Gemeinsam lesen und diskutieren macht ja immer mehr Spaß.
Wenn du schon begonnen hast, mach doch einfach den Anfang und schreib deine Gedanken dazu nieder :)
 

münchnerkindl

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23. Februar 2022
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München
Dann fange ich doch mal an. Ich habe dieses Buch schon seit vielen Jahren bei mir im Regal stehen und immer wieder mal hat es mir zugerufen "Les mich". Bisher hatte ich mich noch nicht rangetraut, nicht zuletzt weil Bücher über Militär und Krieg mich eher abstoßen.
Nun aber zusammen in der Gruppe finde ich die Gelegenheit günstig und den Zeitpunkt gekommen dieses erfolgreichste Werk Josephs Roths zu lesen.
Mein erster Eindruck : Es liest sich flüssig. Die Sprache ist sensibel, präzise, melancholisch und das gefällt mir sehr gut. Schon in den ersten Kapiteln gelingt es Roth mich anzusprechen. Die Hauptfiguren beschreibt er jeweils so, dass ich mich gut in deren Gefühlswelt hineinversetzen kann. Eins ist klar, es wird wohl kein fröhlicher Roman, es liegt eine gewisse Traurigkeit über allem. Ein paar mal schon hätte ich diese Trottas in den Arm nehmen und trösten wollen.
 

Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Im Roman geht es um 3 Generationen Trotta-Männer (Frauen spielen nur Nebenrollen) in der Zeit von ca. 1860 bis kurz vor dem 1.Weltkrieg.
Der Großvater Joseph rettet im Sardinischen Krieg dem Kaiser das Leben. Er liest im Schulbuch des Sohnes dazu eine „Kitschgeschichte“. Das verletzt ihn tief und er sucht den Kaiser, den er über alles bewundert, auf.
Er sagt: „Es ist eine Lüge.“ Der Kaiser: „Lassen‘s die Geschicht!“
Damit beginnt der Untergang des Kaisers, der Trottas, der k. u. k. - Monarchie.
 

münchnerkindl

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23. Februar 2022
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Ich höre auch neben dem Lesen das Hörbuch gesprochen von Michael Heltau. Ich finde das ganz großartig , mir gefällt es einige Passagen nochmal zu hören. Heltau sprich in österreichischer Mundart herrlich langsam den Text, das ist sehr passend.
 
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münchnerkindl

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23. Februar 2022
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Im Roman geht es um 3 Generationen Trotta-Männer (Frauen spielen nur Nebenrollen) in der Zeit von ca. 1860 bis kurz vor dem
Die Frauen spielen nur Nebenrollen.,ja das stimmt. Und doch kommt es mir so vor als würden sie eine wichtige Rolle spielen. Die Mütter z.B. sind abwesend, od.früh verstorben. Die Väter sind nicht fähig sowas wie Liebe zu zeigen. So sind die Männer der Trottas allesamt recht einsam und wissen nicht wohin mit ihren Gefühlen. So scheint es mir zumindest . Carl Josephs Beziehung zu Katharina hat auch eine mütterliche Komponente . Er kennt seine leibliche Mutter nur vom Grabstein .
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Ich las gestern die ersten zwei Kapitel.

Knallerintro: Leutnant Joseph Trotta rettet dem Kaiser Franz Joseph in der Schlacht von Solferino das Leben. Der Kaiser inspizierte das Feld und benutzte einen Feldstecher in einer Feuerpause. Josephs Geistesgegenwart sei Dank, der wusste wie die spiegelnden Gläser zur Zielscheibe werden, reißt er den Kaiser nieder und fängt sich selbst die Kugel. Aus Dankbarkeit wird Joseph zum Hauptmann befördert und in den Adelsstand erhoben.
Der neue Stand allerdings entfernt ihn von seinem bäuerlichen Vater. Erst bei dessen Beerdigung lernt der Enkel Carl Joseph seinen Großvater kennen.
In Carls Schulbuch steht auch die Heldengeschichte seines Vaters. Der Vater ist allerdings über die verfälschte Geschichtsschreibung dermaßen erzürnt, dass er sich auf das gehelichte Gut zurückzieht und dort die Blumen gießt, genauso, wie es sein bäuerlicher Vater schon tat.
Carl hingegen ist gut versorgt, dank einer finanziellen Unterstützung, die der Kaiser zusätzlich zur Ausbildung des Sprösslings beitrug und der körperlichen Zuwendung seitens der Frau des Wachtmeisters, Slama.:smileeye

Slama ist auch die einzige lebendige Frau bisher, die bei einem der Trotta Männer Einfluss beansprucht. Naja, Joseph Roth lebte wohl ganz und gar in einer patriarchalen Welt und unter diesem Gesichtspunkt will ich einfach nur den Fortschritt, den es seitdem gegeben hat, genießen.:party

Der Sprachrythmus ist ein ungewohnter, aber man findet sich schnell hinein. Die Geschichte an sich, schreitet auch schnell voran, so dass keine Langeweile aufkommt. Ich las ja schon "Hiob" und also bin ich mir sicher, auch hier ein Bild jener Zeit mit "Ansage" zu finden.
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Oh, oh, mein Gedächtnis hat eine ganze Generation verschluckt! Franz war der Enkel und dessen Sohn ist der Carl Joseph. Nun denn...

Tja, und die ganze Liebschaft ist aufgeflogen, der Kondolenzbesuch von Vater Franz und Wachtmeister fein säuberlich eingefädelt... Briefübergabe... Stillschweigen. Gentlemens Agreement?

Franzels Freund, der malende Professor, der das Bild des Helden von Solferino gemacht hat, scheint aber auch noch irgendeine Rechnung mit dem Franz offen stehen zu haben. Oder wieso erscheint mir die Geldübergabe fast wie eine Erpressung?
 
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Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Zur Liebschaft Carl Josephs: Es war wohl üblich, eine Geliebte aus einem niederen Stand - die gerne bereit war - zu haben. Und am Kindbettfieber starben zu der Zeit viele Frauen.
 
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Eulenhaus

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13. Juni 2022
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Ich glaube, ich habe mich versehen. Frau Slama starb wohl nicht am Kindbettfieber sondern an einer nicht zustande gekommenen Geburt, die für Mutter und Kind tödlich endete.
 
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RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich habe dieses Buch schon seit vielen Jahren bei mir im Regal stehen und immer wieder mal hat es mir zugerufen "Les mich".
Dito. Ich hatte allerdings keine Angst vor dem Thema, sondern immer gab es Bücher, die ich dringender lesen wollte ( oder musste).
Von Roth kenne ich den “ Hiob“ und einige Erzählungen. Alles sehr gerne gelesen.
Nun endlich habe ich einen triftigen Anlass, mich mit dem Roman zu beschäftigen.
Der Einstieg fiel mir leicht.
Es beginnt ja gleich mit einer Schlüsselszene, der Rettung des Kaisers durch Trotta. Und die Trottas werden über Generationen hinweg mit dem österreichischen Kaiser verbunden sein. Allerdings beschreibt dieser Roman den Untergang der Habsburger Dynastie. Gehen die Trottas mit ihm unter?
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Und doch kommt es mir so vor als würden sie eine wichtige Rolle spielen
Unbedingt. Auch oder gerade Abwesende können ein Leben bestimmen.
Der neue Stand allerdings entfernt ihn von seinem bäuerlichen Vater. Erst bei dessen Beerdigung lernt der Enkel Carl Joseph seinen Großvater kennen.
Jeder Sohn hier nimmt eine andere Entwicklung als sein Vater. Der bäuerliche Vater wird abgelöst von seinem in den Adelsstand erhobenen Sohnes. Dieser wiederum wird keine militärische Laufbahn einschlagen, sondern die eines Beamten. Mal sehen, welche Entwicklung der Enkel nimmt.
Carl hingegen ist gut versorgt, dank einer finanziellen Unterstützung, die der Kaiser zusätzlich zur Ausbildung des Sprösslings beitrug und der körperlichen Zuwendung seitens der Frau des Wachtmeisters, Slama.
Carl? Franz doch wohl eher.
Oh, oh, mein Gedächtnis hat eine ganze Generation verschluckt!
Habe erst jetzt weitergelesen.
Es war wohl üblich, eine Geliebte aus einem niederen Stand
Es passiert in so vielen Romanen dieser Zeit, dann muss es wohl so gewesen sein.
Männer mussten sich ja die Hörner abstoßen, bevor sie eine tugendhafte und standesgemäße Frau heiraten konnten.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich melde mich endlich auch zur Stelle. Bisher habe ich nur die Anekdote mit dem Schulbuchkapitel gelesen, die mich schon mal sehr angesprochen hat. Das klingt wie Realsatire vom Feinsten und wäre für sich allein schon eine tolle Erzählung. Großpapa ist gestorben und der Enkel wird vor die Bahre des Unbekannten gezerrt, ohne recht zu wissen, wie ihm geschieht. Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht, und komme hoffentlich am WE ein gutes Stück voran.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich habe den ersten LA fertig und bin schon wieder nicht sicher, ob ich das Buch fertig lese. Es ist sicher ein toller Roman, aber wie erwartet zieht es mich nur runter. So eine unglaubliche Selbstentfremdung, die Leute agieren wie Marionetten. Kein Wunder, der Junge hatte ja, wie ausdrücklich erwähnt wird, kein Spielzeug und kein Buch außer den Schulbüchern, vermutlich auch keine Mutter. Selbst seine Liebschaft wird beinahe im Vorübergehen erzählt, diesem jämmerlichen Kondolenzbesuch wird mehr Raum gewidmet als der Liebesbeziehung selbst. Dann bin ich über den Onkel gestolpert, den Carl Joseph besucht - Franz hatte doch gar keine Geschwister? Dann muss es wohl ein Bruder der verstorbenen Mutter sein, von der hat man ja auch noch keinen Pupser erfahren. Vermutlich existierte sie nur in den wenigen Stunden, in denen sie Carl Joseph zur Welt brachte; davor und danach gab es sie nicht. Oder wie soll ich das alles verstehen?

Das soll jetzt nicht unbedingt Kritik an dem Roman sein - die Verhältnisse waren halt damals so -, aber er erwischt mich gerade voll auf dem falschen Fuß. Wenn das im nächsten LA so weitergeht, mache ich das Buch wieder zu.