1. Leseabschnitt: DER ABGRUND - Kapitel 1 bis 8 (Beginn bis Seite 58)

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Danke dir. Ich habe gestern abend spät immerhin noch den ersten LA lesen können (habe gerade wieder mal Hausbesuch und viel Betrieb im Haus) und bin, wie ihr auch, von Grauen gepackt. Einerseits scheint dieser Andreas Vest überall dort, wo er auftaucht, in seinen Mitmenschen etwas Vages auszulösen, dass sie aus ihrem gewohnten Tritt gebracht werden (kann natürlich daran liegen, dass man dort einfach keine Fremden gewohnt ist). Andererseits liegt das Grauen anscheinend allgemein dicht unter der Oberfläche in dieser Gemeinschaft. Die Kulmination mit den Schweinen ist einfach nur entsetzlich.
Später mehr!
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Selten einen so fesselnden Einstieg in ein Buch erlebt. Die Geschichte ist scheinbar ganz anders als die beiden bisherigen Vesaas-Romane. Ich bewundere ja immer Autoren, die viele verschiedene Themen bedienen können.
Ich gebe dir recht, es ist eines der fesselndsten ersten Kapitel, die ich je gelesen habe. Allerdings finde ich die Art, wie er die Situation im Schweinekoben beschreibt, durchaus ähnlich wie z.B. die Beschreibung des Eisschlosses. Ich glaube, ich hätte ihn sogar erkannt, wenn ich es anonym bekommen hätte. Es ist ein bestimmter Sound in seinen Büchern, auch wenn die Themen unterschiedlich sind.

Auch das Mädchen fühlt sich nicht glücklich. "Es müsste anders sein."
Hier scheint niemand richtig glücklich zu sein, und ich frage mich, warum. Eigentlich wirkt die Insel idyllisch, grün, fruchtbar, geschützt gelegen in einer Meeresbucht, die Ehe von Karls und Mari ist gut, die Obstbäume sind ein Erfolg, Rolv darf in die Stadt ziehen... Über Kari Nes, die einzige, deren Unglück nachvollziehbar ist, heißt es: "Als hätte sie mit irgendwem einen Pakt geschlossen, dass sie die Leute aufstörte und sie daran hinderte zu vergessen, was für ein jämmerlicher Haufen sie waren.! (S. 43) Warum ein jämmerlicher Haufen?

Sind das Karl und Rolv, die da roden? Das habe ich anders verstanden. Es heißt, dass er und der Sohn einander erkannt hätten; das müsste dann Rolv sein, und das kann nicht sein. ..???
Ich bin auch verwirrt, dass ihr Vater und Sohn so eindeutig als Karl und Rolv entlarvt habt. Sie roden unterhalb des Li-Hofes, aber müssen es deshalb wirklich die beiden sein? Ist Rolv zu dieser Zeit nicht mit Else zusammen?
 
Zuletzt bearbeitet:

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Spontan erinnert mich das Ankommen eines Fremden auf einer Insel an Strindbergs "Die Leute von Hemsö", ich bin gespannt, ob es weitere Parallelen gibt. Vesaas hat das Buch vermutlich gekannt.
Wie in allen Vesaas-Romanen, die ich kenne, ist die Atmosphäre atemberaubend. Die nicht zu greifende Bedrohung nimmt mir fast die Luft zum Atmen. Es ist, als läge ein Gewitter in der Luft, dessen Ausbruch man - trotz der Angst, was währenddessen passieren kann - fast herbeisehnt, weil man die Anspannung nicht mehr aushalten kann.
 

dracoma

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16. September 2022
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Ich war von einer Parallelität der Handlungen ausgegangen
Das gefällt mir z. B. vom Erzählerischen her gut. Durch den Wechsel der Perspektive gibt es Wiederholungen der Situation, aber nicht vom Inhalt her. Beispiel: die beiden Männer, die ein schlechtes Gewissen haben, dass sie Bier trinken.
Aber auch bei diesen Beiden gilt: die Idylle trügt. Sie bestätigen sich ausführlich, wie gut die Insel sei. Und zugleich empfinden sie Karis Schmerz als lästig.
Das muss man sich fürs Ende merken! Danke für den Hinweis.
Ja, ich denke, dass hier schon die ersten Spuren gelegt werden. Es wird zu einer Raserei mit tödlichem Ausgang kommen, Andreas wird das Opfer sein - aber irgendetwas muss er getan haben, dass es zu dieser Raserei kommt. Ob Helga damit etwas zu tun hat?
oder Else, Rolvs Freundin?

Sehr spannend, ich freue mich aufs Weiterlesen.
 

dracoma

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16. September 2022
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Die nicht zu greifende Bedrohung nimmt mir fast die Luft zum Atmen.
Das finde ich auch, und dann lese ich das Kapitel nochmal, weil mich das "Handwerkliche" immer interessiert und ich wissen will, wie der Autor eine solche Spannung aufbaut. Es ist wirklich eine Kunst, diese latente Bedrohung nicht auszusprechen oder irgendwie zu bezeichnen, und sie trotzdem spürbar zu machen.

Einmal aber übertreibt er bisschen, S. 32, als er die Augen des Fremden beschreibt bzw. das, was das junge Paar in ihnen sieht. Die Augen "wollten etwas finden wollten teilnehmen. Etwas finden, das sie bislang nicht kannten." Hm.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Karl und seinen Vater beim Bäume Roden

Wir erfahren, dass Karl Li und Andreas zusammen die brennende Fabrik überlebten,

Einen Sonderling muss es wohl geben in Vesaas Romanen, oder?)

Karl und Rolv roden und Andreas kommt vorbei. Rolv und Andreas erkennen sich, zeigen es aber nicht.
Ich bin verwirrt. Wieso Karl und Rolv? Das wird doch nirgendwo gesagt, die beim Roden sind namenlos. Außerdem ist Rolv mit Else zusammen, als Andreas vorbeikommt. Ich verstehe nicht im Ansatz, wie ihr darauf kommt oder habe ich etwas übersehen?

@Emswashed : Ja, Sonderlinge und Außenseiter gehören dazu. Mir gefällt das.
 

Federfee

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13. Januar 2023
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Wieso Karl und Rolv? Das wird doch nirgendwo gesagt, die beim Roden sind namenlos. Außerdem ist Rolv mit Else zusammen, als Andreas vorbeikommt. Ich verstehe nicht im Ansatz, wie ihr darauf kommt oder habe ich etwas übersehen?
Ich denke wie du, dass es andere sind, namenlose Vater und Sohn.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ich bin bislang sehr begeistert von dem Buch. Schon die intensive Anfangsszene zieht einen in den Bann. Alles wirkt einerseits friedlich, doch man spürt die Bedrohung nicht nur wegen der Sauenzähne.

Die kurzen, knappen Sätze strahlen so viel aus. Man spürt gemeinsam mit Andreas dessen Optimismus, als er die Insel betritt und weiß zugleich, es wird nicht gut ausgehen. Tarjei Vesaas beweist mit der Andreas-Figur abermals sein Herz für die Außenseiter und die Getriebenen.

Es gibt erstaunlich viele Figuren, die in ihrer Gesamtheit ein Panorama der Insel bilden. Auch den Perspektivwechsel halte ich für gelungen. Er führte dazu, dass ich die Szenen mit Andreas auch ein zweites Mal las.

Der Abgrund ist ein wahrlich Schrecklicher. Eine furchtbare Szene, eine Explosion der Grausamkeiten, die man vielleicht auch mit der Fabrik verbinden kann. Andreas ist völlig zurecht geschockt.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man seine Ankunft in Verbindung mit diesem Unheil sehen und ihn dementsprechend meiden wird. So etwas kennt man ja aus anderen Insel- oder Dorfgemeinschaften.

Ich lese jedenfalls begeistert weiter.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Ich bin verwirrt. Wieso Karl und Rolv? Das wird doch nirgendwo gesagt, die beim Roden sind namenlos. Außerdem ist Rolv mit Else zusammen, als Andreas vorbeikommt. Ich verstehe nicht im Ansatz, wie ihr darauf kommt oder habe ich etwas übersehen?
Du hast überhaupt nichts übersehen! Es sind nicht Karl und Rolv - ich habe falsch kombiniert und gerade etwas dazu im nächsten LA geschrieben. Ja, sie sind namenlos und wir haben keine Ahnung, wie die beiden heißen. Weder Karl noch Rolv haben also das Fabrikunglück erlebt. Sondern nur der rodende Sohn und Andreas.
 

Literaturhexle

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Ich denke wie du, dass es andere sind, namenlose Vater und Sohn.
Das würde meine Verwirrung aufklären. Ich dachte zunächst an den Vater von Karl - aber den gibt es nicht mehr.
Findet das Ganze Gerode nicht auf dem Li Hof statt? Deshalb dachte ich unmittelbar an die Familie. Aber es können natürlich andere Helfer sein. Daran habe ich nicht gedacht. Gute Idee, denn Rolv sehe ich auch bei Else. Außerdem kann Rolv noch nicht ein paar Jahre in der Fabrik gearbeitet haben. Dafür ist er eigentlich zu jung.
 

Irisblatt

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Das würde meine Verwirrung aufklären. Ich dachte zunächst an den Vater von Karl - aber den gibt es nicht mehr.
Findet das Ganze Gerode nicht auf dem Li Hof statt? Deshalb dachte ich unmittelbar an die Familie. Aber es können natürlich andere Helfer sein. Daran habe ich nicht gedacht. Gute Idee, denn Rolv sehe ich auch bei Else. Außerdem kann Rolv noch nicht ein paar Jahre in der Fabrik gearbeitet haben. Dafür ist er eigentlich zu jung.
Es wird unterhalb des Li Hofes gerodet. Ich sehe es inzwischen wie ihr - es sind bisher namenlose Protas. Rolv ist nämlich bei Else, Karl anderswo unterwegs.
 

dracoma

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16. September 2022
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Ich bin verwirrt.
Und ich erst...
Ich hab die Stelle nochmal gelesen und wurde auch nicht schlauer.

Weder Karl noch Rolv haben also das Fabrikunglück erlebt. Sondern nur der rodende Sohn und Andreas.
Aha. Also habe ich das doch richtig gelesen.
Karl anderswo unterwegs.
Er ist unterwegs in die Stadt und nicht anwesend, keiner wollte mit ihm mitfahren, und deswegen ist Rolv ja bei seiner Else -
deswegen war ich ja so wirr :think.
Na gut, hat sich geklärt.
 

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Eigentlich hat es @Literaturhexle schon sehr schön und vollständig zusammengefasst. Die Stimmung ist schwarz-weiß. Auf der einen Seite die grüne, üppige Insel mit der prächtigen, roten Scheune, den Menschen, die auch mal zwischendrin chillen können (Haug und Dal), auf der anderen Seite, die "Ruhestörung" des Fremden, das Ausrasten der Säue und die schwarze Gestalt in Form von Kari Nes. (Einen Sonderling muss es wohl geben in Vesaas Romanen, oder?)
Ich finde die Zusammenfassung von @Literaturhexle auch super. Und ich stimme @Emswashed darin zu, dass dieser Kontrast zwischen der Idylle auf dem Hof und die Ruhestörung durch den Fremden sehr entscheidend zu sein scheint. Den Fremden empfinde ich als sehr mysteriös. Diese Sache, dass er sich gerufen fühlt. Dass er irgendetwas auf der Insel zu suchen scheint...
Interessant, dass er nach seiner Ankunft direkt so vielen Inselbewohnern begegnet. Ich bin gespannt, was es mit ihm auf sich hat. Seltsamerweise rasten die Schweine aus, als er ankommt. Ob es da irgendwie einen Zusammenhang gibt?
Ihr habt schon das meiste geschrieben. Mir gefällt es sehr. Die Schilderungen wirken sehr lebendig und intensiv auf mich. Von Anfang an liegt durch kleine Andeutungen etwas Bedrohliches in der Luft.
So empfinde ich das auch. Erst wird die Idylle beschrieben, dann - nach der Ankunft des Fremden - beginnt etwas vage Bedrohliches in der Luft zu liegen. Ich hatte zunächst im ersten Anlauf Schwierigkeiten in die Geschichte hineinzufinden. Inzwischen schreibe ich dies abendlicher Müdigkeit zu. Jetzt im zweiten Anlauf war ich direkt sehr angetan und fühle mich sehr ins Geschehen hineingerissen.
 

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29. März 2022
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Da ich etwas hinterher hinke, wurde hier schon alles Wesentliche gesagt und ich habe im Grunde keine Ergänzungen.
Dies ist ja mein erster Rokan von Vesaas und daher wusste ich nicht, was mich erwartet. Ich bin aber sehr angetan von der Atmosphäre, die er schafft. Die plötzliche Unruhe konnte ich sehr gut mitfühlen und kann es nun kaum erwarten, weiterzulesen.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Seltsamerweise rasten die Schweine aus, als er ankommt. Ob es da irgendwie einen Zusammenhang gibt?
Ich hatte es so verstanden, dass die Muttersäue ausrasten, als sie ihre Ferkel quieken hören. Und die Jungsau frisst ihre Ferkel, als sie die randalierenden Muttersäue hört. Andreas beobachtet das Ganze zwar, ist aber unbeteiligt.