1. Leseabschnitt: Das Deutschland-Gerät (S. 7 bis 71)

Xirxe

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19. Februar 2017
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Huch, hat tatsächlich noch niemand die erste Geschichte gelesen? Ich zwar auch nicht, aber ich wollte einfach mal so einen Zwischenstandsbericht geben.
Ich bin gerade bei der Beschreibung des Kunstwerkes und gestehe, dass ich mich damit etwas schwer tue. Das kann damit zu tun haben, dass ich es nicht so habe mit modernen Installationen, bei denen ich erst mal eine umfangreiche Einweisung benötige um zu verstehen, was mir das Werk sagen soll. Also habe ich erst mal abgebrochen und mich etwas schlau gemacht. Denn:
Das Deutschlandgerät von Reinhard Mucha gibt es tatsächlich und zwar in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Dort könnt ihr es euch anschauen, was es vielleicht etwas einfacher macht, das Gelesene zu verstehen (mir geht es zumindest so). Wobei dies ein Neuaufbau ist, der deutlich kleiner ausfällt als das Original. Auf Youtube ist eine Aufnahme des ursprünglichen Werkes zu sehen (riesig), allerdings ist die Qualität eher bescheiden.
Witzig finde ich, dass das Deutschlandgerät eigentlich ein Werkzeug bei der Bahn ist.
Zuguterletzt: Diese Geschichte ist (wie auch die anderen beiden) schon älter - alle sind bereits vor Jahren schon mal in verschiedenen Magazinen erschienen. Und Das Deutschlandgerät wurde auch als Hörspiel produziert und im Oktober 2014 als bestes Hörspiel des Monats ausgezeichnet. Leider nirgends, absolut nirgends zu bekommen. Was für ein Ärger.
Dann lese ich mal weiter :)
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Huch, hat tatsächlich noch niemand die erste Geschichte gelesen? Ich zwar auch nicht, aber ich wollte einfach mal so einen Zwischenstandsbericht geben.
Ich bin gerade bei der Beschreibung des Kunstwerkes und gestehe, dass ich mich damit etwas schwer tue. Das kann damit zu tun haben, dass ich es nicht so habe mit modernen Installationen, bei denen ich erst mal eine umfangreiche Einweisung benötige um zu verstehen, was mir das Werk sagen soll. Also habe ich erst mal abgebrochen und mich etwas schlau gemacht. Denn:
Das Deutschlandgerät von Reinhard Mucha gibt es tatsächlich und zwar in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Dort könnt ihr es euch anschauen, was es vielleicht etwas einfacher macht, das Gelesene zu verstehen (mir geht es zumindest so). Wobei dies ein Neuaufbau ist, der deutlich kleiner ausfällt als das Original. Auf Youtube ist eine Aufnahme des ursprünglichen Werkes zu sehen (riesig), allerdings ist die Qualität eher bescheiden.
Witzig finde ich, dass das Deutschlandgerät eigentlich ein Werkzeug bei der Bahn ist.
Zuguterletzt: Diese Geschichte ist (wie auch die anderen beiden) schon älter - alle sind bereits vor Jahren schon mal in verschiedenen Magazinen erschienen. Und Das Deutschlandgerät wurde auch als Hörspiel produziert und im Oktober 2014 als bestes Hörspiel des Monats ausgezeichnet. Leider nirgends, absolut nirgends zu bekommen. Was für ein Ärger.
Dann lese ich mal weiter :)
Danke für die Informationen.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Witzig, Xirxe, diese Seiten habe ich während des Lesens auch besucht. Es hilft, die Konstruktionen mal mit eigenen Augen zu sehen, obwohl sie auch sehr bildlich beschrieben werden.

Ich habe größte Schwierigkeiten mit dieser Erzählung. Es wirkt auf mich so, als haben diese Begegnungen und Treffen alle real stattgefunden. Zu detailliert wird alles beschrieben, als dass es erfunden sein könnte (Ich vermute es zumindest).

Der Schriftsteller B.C. ist das Idol unseres Erzählers. Bei der ersten Begegnung reagiert er fast ehrfürchtig auf den Mann, der offenbar in den 1970er Jahren aus der DDR als Dissident ausgewiesen wurde. Sperrig ist er auch heute noch, nimmt kein Blatt vor den Mund, tut, was er will und hält wenig von Konvention und Höflichkeit. Politisch steht er weit links und kritisiert auch die BRD. Seine Produktivität hat nachgelassen, seine Gattin Elsbieta scheint ihn zu finanzieren und zu kontrollieren...
All diese Dinge werden am Autorenstammtisch über des Erzählers Idol gesagt und er empfindet es als höchst ungerecht.

Im Lauf der Jahre hat der Erzähler mehrere Begegnungen mit B.C., in denen meines Erachtens vieles von dem bestätigt wird, was die Kritiker ihm vorwerfen.

Erst mit der Besichtigung des Deutschlandgerätes bekommt man Verständnis für B.C.
Ebenso wie das Gerät wurde er neu installiert in Westdeutschland, wo er sich nicht heimisch und von den "lauten Geräuschen" bedrängt fühlt.

Interessant finde ich die allgemeinen Einlassungen über den Literaturbetrieb: dass man nicht nur Bücher schreiben darf, sondern auch (ungeliebte) Artikel oder Veranstaltungen als Broterwerb annehmen muss.

Die Einladung bei Cs zu Hause empfand ich als ungewöhnlich und seltsam (Der Verlauf erklärt sich erst gegen Ende): Der Fernseher läuft, wird obszön laut gestellt, der Gast deckt den Tisch, bekommt das Dessert mit nach Hause, weil "es jetzt besser ist zu gehen".

Es gelingt dem Erzähler nicht, wieder in Kontakt mit B.C. zu treten, hört überrascht von dessen Tod. Auch die Beerdigung verläuft skurril, streng nach Vorschrift des Verstorbenen.

Elsbieta wirkt durch den Tod ihres Mannes von einer Sorge befreit. Sie erzählt uns die Lebens- und Leidengeschichte B.C.s., der zunehmend unter der westlichen Politik und Arroganz gelitten hat. Aufregung war für ihn lebensgefährlich. Seine Frau versuchte ihn davor zu beschützen.

Warum wird dieser Brief an die Museumsdirektorin geschrieben? Weil B.C. einen Artikel über das Deutschlandgerät verfasst hat? Welche Relevanz hat der Text für uns? Ich sehe die Problematik des zwangsumgesiedelten DDR Bürgers, der sich für bessere Verhältnisse einsetzen will und damit auch im Westen aneckt. Ich sehe die Parallele zur Installation und die Beziehungsgeflechte. Ich verstehe die Rolle des Erzählers, dessen Bild von B.C. einer Wandlung unterliegt (Die wir zwangsläufig mitgehen).

Trotzdem bleibt mir das alles ziemlich fern. Schade, dass niemand aus dem Osten an dieser LR beteiligt ist.
Der Sprachstil gefällt mir ausgezeichnet. Schulze kann schreiben! Trotzdem empfinde ich diese als Brief getarnte Erzählung als zu speziell für einen anderen Zweck geschrieben, als dass sie für mich eine Relevanz hätte.

Tut mir leid, ich hoffe, ihr könnt mir einigermaßen folgen;)
Ich brauche auch eure Eindrücke zwecks Erhellung.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Haha, L-Hexe! Immer bemüht, allem etwas Gutes abzuringen. Aber da kannste lange ringen ...
Danke, Xirxe, ich hatte schon vermutet, dass es die Installation gibt.

Äußerst umständlich und akribisch beschreibt uns der Autor den Aufbau und die Installation des Deutschlandgerätes.

Hier ist mein erstes erkennbares Thema. Der Installationskünstler bzw. sein Werk. Der Performancer und sein Ding. Die Performancer sind die, angefangen bei dem bekanntesten unter ihnen, Joseph Beuys, über den ich sogar schon eine Biographie gelesen habe - für die ich in der Regeln Null Verständnis habe und dieses Verständnis wird durch die Erzählung "Das Deutschlandgerät" keineswegs gefördert. Ja, gibt es etwas Öderes als die Beschreibung dieses Kunstwerks? Wenn Kunst im Auge des Betrachters liegt, dann gehöre ich zu denjenigen, die sagen würden, "Das ist Kunst und kann trotzdem weg".

Das zweite Thema ist der Künstler/Installateur selber.
Hier bin ich eher mit dabei. Der Künstler / Installateur ist ein Getriebener, der Kunst machen muss, selbst wenn es eine Gefahr für sein Leben ist. Was es bei Beuys war, abgesehen von einem ungewöhlich hoch ausgeprägten Geltungstrieb, habe ich trotz ausführlicher Biographe nicht ergründet.
Die gewöhnliche Gefahr des Installateurs besteht darin, dass er von seiner Umgebung nicht verstanden wird (ich glaube ja, er versteht sich da selber nicht i.d.R. und es wird jede Menge Intellektuelles hineingelesen, was da gar nicht ist).

Und in diesem Zusammenhang, im Kontext, was gilt für den Künstler, wie ist er einzuschätzen - dass die Innensicht häufig anders ist als die Außensicht. Man hüte sich vor Vorurteilen.

Das letzte Thema ist das Schreiben selbst. Hier finde ich die Erzählung beinahe gelungen, weil auch der Beitrag des Erzählungsautors eine Auftragsarbeit ist.

Auftragsarbeiten: Ja und? Das war schon immer so. Viele viele bedeutende Kunstwerke (anno dunno) sind Auftragsarbeiten gewesen. Es ist in jedem Beruf so, dass man nicht nur machen kann, was einem das Liebste ist. Manche Autoren werden Ghostschreiber, wenn es sonst nicht zum Leben reicht. Man macht allerhand, wenn es sonst zum Leben nicht reicht. Das ist eben der Preis eines Künsterlebens.

Schreibweise: Wenn man es darauf abgesehen hat, den Leser anzuöden, dann ist das hier aufs Lieblichste gelungen.
 
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RuLeka

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Ihr habt ja schon die wesentlichen Themen der Geschichte angesprochen. Das Wichtigste ist vermutlich die Rolle des Dissidenten, der im Westen nie angekommen ist. Von ihm wird eine bestimmte Haltung gefordert, die er nicht einnehmen kann und will.
“ Er kam sich hier manchmal vor wie ein Eindringling,… Er spürte deutlich, welches Verhalten von ihm erwartet wurde und welches Befremden auslöste. Wenn er einen Grund sah, sich über die Vorgänge in der DDR aufzuregen, entsprach er der Erwartung. Da hielten sie ihm ein Mikrofon hin. Wenn er über hiesige Zustände herziehen wollte, wurde das Mikrofon eingepackt. Und man erwartete, dass er genug Feingefühl hatte, um dahinterzukommen, warum das so war.“
Der Künstler kann unter diesen Umständen auch nicht mehr schreiben.
Die Interpretation von @Literaturhexle über die Analogie zum „ Deutschlandgerät“ ist schlüssig.
Allerdings hat mich hier die Beschreibung dieses Kunstwerkes genauso angeödet wie das Kunstwerk selbst. Ich interessiere mich sehr für Kunst, gehe sehr gerne in Ausstellungen, kenne mich in manchen Richtungen auch ganz gut aus. Was ich aber überhaupt nicht mag, sind Instellationen.
Interessant , aber nichts Neues, war der Einblick in den Literaturbetrieb. Die Eitelkeiten und die Gehässigkeiten glaubt man sofort. Dass Schriftsteller auch Auftragsarbeiten annehmen, ist nicht überraschend und auch nicht verwerflich. In der Bildenden Kunst war das eher die Regel. Dürer, Da Vinci und andere wären nicht so produktiv, wenn es nicht reiche Auftraggeber gegeben hätte.
Auf mich wirkt die Erzählung auch so, als hätte Ingo Schulze sie genauso erlebt. Es gibt ja auch Parallelen zwischen dem Ich- Erzähler und Ingo Schulze. Ein Spiel, das er hier spielt?
Habe mir auch überlegt, für wen das Kürzel B.C. steht.
Warum diese Form? Ein Brief an eine Museumsdirektorin?
Ich hoffe, die beiden anderen Geschichten sprechen mich mehr an.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Schreibweise: Wenn man es darauf abgesehen hat, den Leser anzuöden, dann ist das hier aufs Lieblichste gelungen.
Warum veröffentlicht man eine solche Auftragsarbeit von Anno Dannumal? Wen interessiert so etwas?
Wenn mich die rechtschaffenen Mörder nicht so begeistert hätten, wäre ich hier nie reingeraten. Ich habe mir nicht mal das Thema angeschaut (Die Hexe und Kunst:(), sondern nur funkelnd I.S. gelesen und es ward um mich geschehen...
 

RuLeka

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Mich hat gerade das Thema Künstler angesprochen, dann erst der Autor. Aber vielleicht sind die beiden nächsten Geschichten mehr was für uns.
Für mich war die Form der Geschichte unglaubwürdig. Die Briefform ( war eh nur in der Anrede und am Schluss als solche erkennbar und wer schreibt einen 50seitigen Brief ) und den Zusammenhang mit dem Kunstwerk hätte es nicht gebraucht. Der alte Dissident und seine Schwierigkeiten im neuen Leben, seine Beziehung zu seiner zweiten Frau und die Begegnungen des Ich- Erzählers mit den beiden wäre interessant genug gewesen.
 

RuLeka

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Stimmt auch wieder!
Für mich hat Kunst etwas mit können zu tun, weshalb ich großen Teilen der Moderne nichts abgewinnen kann.
Ihr dürft mich gerne Banause nennen, ich steh dazu.
Kunst und Können gehören für mich auch zusammen. Doch die Moderne hat es immer schwer, da sie neue Sichtweisen zeigt.
Früher ging es bei der Malerei um exaktes Abbilden. Reiche und Mächtige wollten sich und ihre Bedeutung für die Nachwelt erhalten wissen. Die Kirche wollte für ihre des Lesens unkundigen Gläurigen das Leben und die Lehre Christi darstellen.
Mit der Erfindung des Photoapparates ist eine Begründung der Malerei weggefallen. Es ging danach nicht mehr um die genaue Abbildung , sondern um Eindruck und Expression, Verfremdung usw.
Mittlerweile gab es schon so viele Strömungen, um nicht einfach zu wiederholen, sind neue Formen gefragt. Da wird nicht alles Bestand haben.
Du bist sicher keine Banause. Trau Dich einfach und geh mal in irgendwelche Ausstellungen. Ich bin sicher, dass Du Zugang finden wirst. Es muss ja nicht gleich das Allerneueste sein.
 

Xirxe

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Habe mir auch überlegt, für wen das Kürzel B.C. steht.
Im Hörspiel steht B.C. für Bernd Claasen, der allerdings eine fiktive Person ist.

Ich habe mir nicht mal das Thema angeschaut (Die Hexe und Kunst:(), sondern nur funkelnd I.S. gelesen und es ward um mich geschehen...
Hihihi, das ging mir genauso. Ingo Schulze wirkt irgendwie als Garant für gute Literatur.

Gestern habe ich die erste Geschichte nun auch beendet :) und muss nach einer Nacht feststellen: So schlecht ist sie überhaupt nicht, nur viel zu lang.
Wenn ich mir die Zusammenfassungen der Hörspiele durchlese, macht es auf mich den Eindruck, dass das Kunstwerk wirklich nur der Aufhänger für den eigentlichen Inhalt des Geschriebenen steht: Dass dieser immer im Kontext der jeweiligen Zeit zu verstehen und je nach Situation entsprechend anzupassen ist. Reduziere ich den Text hauptsächlich auf diesen Teil und halte mir die Erklärungen von Elzbieta vor Augen, finde ich diesen Brief durchaus gelungen. Wobei er in der Zeit, in der er verfasst wurde, eine noch viel höhere Aktualität hatte.
Ist die Aussage denn nicht immer noch aktuell? Wer bei uns (nicht nur natürlich) die "Gnade" ;) der Aufnahme, Beherbergung und Versorgung erfährt, sollte sich dankbar zeigen und nicht auch noch rumkritisieren. Kommt mir bekannt vor. Und dass jemand, dessen Lebensinhalt die Analyse und damit verbundene Kritik der Gesellschaft ist, an solch einem unsichtbaren Maulkorb zugrunde geht, finde ich gut nachvollziehbar. Denn was hat dieser Mensch noch?
Kurz geschrieben: gutes Thema fein beschrieben, aber viel zu lang.
Mal schauen, was die nächste Erzählung zu bieten hat.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Und wenn man nur drei Werke findet, die einem zusagen, ist es schon ein Gewinn.
Deshalb liebe ich kleine Museen. Da hat man Zeit für jedes Kunstwerk, kann nochmals zurückkehren zu einem, das besonders ansprechend war.
Hier mal etwas Werbung für das wunderbare Frieder Burda Museum in Baden- Baden. Klein, aber fein !Bisher war jede Ausstellung sehenswert.
Es sind nur drei bzw. vier Etagen. Von der zweiten hat man nochmals einen anderen Blick auf die Ausstellungsobjekte in der ersten Etage. Falls jemand mal nach Baden- Baden kommt, bitte unbedingt mit einem Besuch dort verbinden.