1. Leseabschnitt: Buch I, Kapitel I und II (Beginn bis Seite 68)

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Die Bilder und Metaphern, die Miqui Otero verwendet, sind vielleicht nicht alle gleichermaßen passend, aber ich gewöhne mich an sie und weiß sie mittlerweile zu schätzen.
Da stimme ich dir voll und ganz zu. Manches erscheint mir unendlich weit hergeholt und verschwurbelt aber man kann sich darauf einlassen und dann kommt man auch zurecht.
Manches wirkt so sehr gewollt.
Auch das entspricht meinem Eindruck - hier soll (ein wenig auf Krampf) eine besondere, poetisch, manchmal surreal bis märchenhaft, versponnene Atmosphäre aufgezogen werden. Das ist so manches Mal zu gekünstelt.
 

luisa_loves-literature

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9. Januar 2022
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Auf S. 59 flüstert Estela: "Sag mal, worum geht's eigentlich?" Dieser Satz ist eigentlich bezeichnend für mein bisheriges Leseerlebnis - es war mir nur bis zu Estelas sehr direkter Frage gar nicht bewusst. Im Augenblick schwebe ich etwas orientierungslos durch den Roman, der viele schöne Ideen hat und versucht, mit Worten, Büchern, Zitaten und Atmosphäre zu spielen, was ihm zwischendurch auch immer wieder sehr gut gelingt. Allerdings ist er auch immer wieder sehr üppig verschwurbelt, verloren versponnen und träumerisch langsam, sodass ich den Eindruck habe, dass der rote Faden mir aus den Händen gleitet.

Es ist Jahrzehnte her, dass ich den "Schatten des Windes" gelesen habe und es mag an Barcelona liegen oder an der Präsenz der Bücher oder dieser beginnenden Schnitzeljagd, aber ich sehe "Simón" irgendwie in dieser Tradition - dabei muss ich auch zugeben, dass ich die Handlung des "Schatten des Windes" nicht einmal mehr zusammenfassen könnte. Es sind eher Emotionen, die ich damals beim Lesen hatte, die auch hier an die Oberfläche treiben. (Manchmal ist es bei mir etwas verrückt - es kann durchaus passieren, dass ich nur noch weiß, wo ich ein Buch gelesen habe oder eben, was es bei mir ausgelöst hat, der Inhalt wird schwummerig...vielleicht kennt ihr das.)

Grundsätzlich mag ich Romane, die Bücher feiern, nicht sonderlich, aus dem einfachen Grund, weil es leider sehr häufig gewollt ist und die klare Absicht dahintersteckt, das bibliophile Publikum einzufangen - wer Bücher mag, wird schon einen Roman, der Bücher liebt, lesen. Bei Simon wandele ich noch auf einem schmale Grat und lasse mich gern positiv überraschen. Die sperrigen, antiquierten Floskeln, die er verwendet und die Tatsache, dass er in Romanen gelernt hat, wie man Streitigkeiten beseitigt (Duell!), zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht - da bin ich schon sehr zufrieden.

Die Perspektive mit Simon als Fokalisierungsinstanz nervt mich allerdings ein wenig, was daran liegen mag, dass ich gerade (und auch sonst nicht immer so) Lust auf die Sicht eines Kindes habe. Die Erzählerkommentare hingegen finde ich wieder sehr gelungen! Ich setze allerdings sehr darauf, dass Simin älter und damit auch reifer wird.

Was mir außerordentlich gut gefällt ist das Spiel mit den Worte, das vielleicht nicht immer so leicht ins Deutsche zu übertragen ist. Die Baraja -Erklärungen, das "Rico, Rico"-Thema und die Tatsache, dass "Estela" übersetzt "Stern" heißt und ja, zumindest zur Zeit, der Stern ist, um den Simon kreist.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Manchmal ist es bei mir etwas verrückt - es kann durchaus passieren, dass ich nur noch weiß, wo ich ein Buch gelesen habe oder eben, was es bei mir ausgelöst hat, der Inhalt wird schwummerig...vielleicht kennt ihr das.)
Kenne ich.
Grundsätzlich mag ich Romane, die Bücher feiern, nicht sonderlich, aus dem einfachen Grund, weil es leider sehr häufig gewollt ist und die klare Absicht dahintersteckt, das bibliophile Publikum einzufangen - wer Bücher mag, wird schon einen Roman, der Bücher liebt, lesen.
Ich falle darauf rein. Das war bei Ozeki ( sorry, dass ich wieder damit anfange ) der Grund. Bei „ Simon“ war für mich das ausschlaggebende Argument , dass ich so viel wie möglich aus dem Gastland lesen wollte, um es in meinem Lesekreis vorzustellen.
Aber die Bücher sollten dann gut in die Handlung eingebaut werden oder in Bezug zur Handlung stehen, ansonsten ist es leeres „Titeldropping“. Otero stellt schon Bezüge zur Handlung bzw. zum Helden her.
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Es ist Jahrzehnte her, dass ich den "Schatten des Windes" gelesen habe und es mag an Barcelona liegen oder an der Präsenz der Bücher oder dieser beginnenden Schnitzeljagd, aber ich sehe "Simón" irgendwie in dieser Tradition - dabei muss ich auch zugeben, dass ich die Handlung des "Schatten des Windes" nicht einmal mehr zusammenfassen könnte.
Ich habe in einem anderen Beitrag "Simón" als eine Art Anti-Zafón bezeichnet. Der Roman spielt mit dieser Tradition. Eine weitere Gemeinsamkeit ist übrigens, dass keiner der beiden Autoren auf Katalanisch schreibt, sondern beide auf Spanisch. Aber "Schatten des Windes" spielt in meinen Augen mit einem mystisch-geheimnisvollen Barcelona, mit einer dunkel-romantischen Liebe zur Stadt und auch zu den Büchern. Miqui Otero setzt das eigentlich genau gegenteilig um, was du aber erst im Verlaufe des Buches bemerken wirst. Es ist das ungeschönte, touristisch überlaufene, schmutzige (nicht romantisch-Zafón-schmutzige) Barcelona.
Ich falle darauf rein.
Ich auch ständig. In weiser Voraussicht habe ich mich aber für Celeste Ng wieder abgemeldet, als ich las, dass dort schon wieder ein Junge ständig in der Bibliothek abhängt. ;)
 

luisa_loves-literature

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Otero stellt schon Bezüge zur Handlung bzw. zum Helden her.
Deshalb finde ich es hier - zumindest bis jetzt - auch durchaus gelungen. Ich habe - auch vor Jahren - einmal einen Roman eines irischen (?) Autors gelesen, in den die Bücher sehr innovativ eingebunden waren. Da wurde dem Protagonist immer eine willkürliche Seiten- und Satzzahl gegeben, die er dann in einem willkürlich aus dem Regal gezogenen Buch heraussuchen sollte und die ihm dann etwas über seine Zukunft mitteilte (so in etwa). Das war so überzeugend, dass man es sogar selbst ausprobieren musste. Leider weiß ich den Titel nicht mehr...
Aber "Schatten des Windes" spielt in meinen Augen mit einem mystisch-geheimnisvollen Barcelona, mit einer dunkel-romantischen Liebe zur Stadt und auch zu den Büchern.
Der "Schatten des Windes" steht ja auch deutlich in der Tradition des Schauerromans - das ist hier bisher noch nicht so zu erkennen. Dann bin ich gespannt, wie "Simon" sich entwickelt. "Anti-Zafón" klingt auf jeden Fall sehr vielversprechend.
 

Literaturhexle

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sodass ich den Eindruck habe, dass der rote Faden mir aus den Händen gleitet.
Den Eindruck habe ich auch. Leider hält er noch eine Weile an. Das Ganze ist nicht schlecht geschrieben, aber ich wüsste gern, wo es inhaltlich hingeht. Das kristallisiert sich (falls ich es verstanden habe) erst mit der Zeit raus. Die Abschnitte springen ja durch die Zeit, das Dazwischen kommt relativ kurz.
Ich setze allerdings sehr darauf, dass Simin älter und damit auch reifer wird.
Ich habe es auch nicht mit kindlichen Perspektiven. Es vergeht zum Glück auch hier...
Der "Schatten des Windes" steht ja auch deutlich in der Tradition des Schauerromans -
Mit dem Schatten des Windes würde ich Otero nie vergleichen. Einzig der Schauplatz ist dieselbe Stadt. Die Zeit, Handlung und Figuren sind völlig andere.
Die Liebe zur Literatur eint sie im Geiste;)
 

Die Häsin

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Deshalb finde ich es hier - zumindest bis jetzt - auch durchaus gelungen. Ich habe - auch vor Jahren - einmal einen Roman eines irischen (?) Autors gelesen, in den die Bücher sehr innovativ eingebunden waren. Da wurde dem Protagonist immer eine willkürliche Seiten- und Satzzahl gegeben, die er dann in einem willkürlich aus dem Regal gezogenen Buch heraussuchen sollte und die ihm dann etwas über seine Zukunft mitteilte (so in etwa). Das war so überzeugend, dass man es sogar selbst ausprobieren musste. Leider weiß ich den Titel nicht mehr...
Kann es sein, dass das "Poeten der Nacht" von Barry McCrea war? Ich meine mich zu erinnern, dass darin so etwas wie ein Buchorakel vorkam.
 
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Wandablue

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Es ist mir völlig egal, wie das andere Buch war, jetzt fang ich neu an. Ich bin sicher, dass es bei Simon kein ZEN gibt. Das ist doch schon mal super.
Ich erlebe viel Lokalkolorit und verstehe wohl manches nicht, weil ein Spanier keine Erklärungen zu Barcelona braucht. Ich bräuchte schon. Viel Lokalkolorit und nicht allzu viel Handlung.

In einer Bar/Kneipe sind schon viele Kinder großgeworden ohne Schaden zu nehmen. Die Leute saufen, sind aber gutartig. Sie schenken Simon Dinge zum Geburtstag. Es ist ein wenig traurig, dass er einen Erwachsenengeburtstag hat, aber alle tun ihr Möglichstes, den Mangel auszugleichen. Man gewinnt doch auch Menschenkenntnis.
Ich mag den Tonfall des Erzählers, z.B. S.64."An seinem elften Geburtstag gingen Simon drei Dinge auf." Einem Roman mit kindlichem Prota tut ein übergeordneter Erzähler wirklich gut.
Ich mag manche Sätze "Ich habe kein Alter, ich reihe nur eine Jugend an die andere." War Rico schwul? Warum hat er sein Studium geschmissen? Werden wir ihm wieder begegnen oder bleibt er eine Fantasiefigur?
Spanische Schreiber haben einen anderen Zungenschlag. Manches ist ein bisschen verschwurbelt, aber nicht arg.
Wir haben Zeitangaben. 1992. 1994. Auch das mag ich.
 

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Ihre Suche nach Rico bringt sie in spannende Situationen
Sie arbeiten das Ganze spielerisch auf - das ist authentisch.
Ich mag auch wie die beiden Brüder geschildert werden, Simons Vater und sein Onkel. Und - wie die Hexe sagt, das bunte Figurenkarussel. Vllt ist es ein Roman über das Viertel.
surreal bis märchenhaft, versponnene Atmosphäre
Das stimmt schon. Aber das ist spanisch. Ich fühle mich an Don Quijote erinnert.
"Sag mal, worum geht's eigentlich?"
Wissen wir noch nicht.
dass der rote Faden mir aus den Händen gleitet.
Die Kneipe. Als Mittelpunkt von Simons Leben. Das ist - bis jetzt - der rote Faden.
 

Wandablue

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Literaturhexle

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Er hat Simon mitgenommen als Schutzschild gegen seine Feinde.
So habe ich es nicht gesehen. Ich dachte, er will dem kleinen Kusin einen unvergesslichen Abschied bereiten. Später wird genau die Formulierung "Schutzschild gegen seine Feinde" nochmal in der Rückschau aufgenommen. Du hast seherische Fähigkeiten;)
Einem Roman mit kindlichem Prota tut ein übergeordneter Erzähler wirklich gut.
Ja unbedingt.

Ich freue mich über eine weitere positiv eingestimmte Leserin:)
 

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Ich bin froh, endlich Zeit für "Simon" zu finden. Ich war ja zur Zeit der Buchmesse auf einer Lesung zum Buch. Nur leider war die so chaotisch organisiert, der Moderator so schlecht, dass ich aus dieser Veranstaltung wenig mitnehmen konnte.
Bislang mag ich das Buch. Wir haben mit Simon eine kindliche Perspektive. Sein brüderlicher Cousin wird für ihn sehr wichtig. Zum einen, da im geschäftigen Treiben der Erwachsenenwelt nicht viel Zeit für ihn zu bleiben scheint, zum anderen da er ihn u.a. auch in die Welt der Bücher einführt. Er wird zu einer Art Mentor, doch dann verschwindet er ganz plötzlich. Nachvollziehbar, dass der Verlust Simon sehr schmerzt. Ich bin gepannt, ob wir mehr über die Hintergründe des Verschwindens erfahren.
Die Atmosphäre gefällt mir gut.
Ich freue mich weiterzulesen und bin auch neugierig, wie es in Sachen Estrela weiter geht.
 

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