Heute Abend war ich allein und habe den Epilog laut gelesen. Welch eine Sprache! Wie er den Tod von Almas Vater schildert, dessen Sinnlosigkeit. Dann wird die Mutter noch hinterher gerafft. Sehr tragisch und sprachlich toll umgesetzt.
Alma ist mit einem Schlag Waise und muss damit zurecht kommen. Ihre Einsamkeit und ihre fast philosophischen Gedanken sind sehr schön gefasst.
Putzig, dass Alma zu Ludwig ziehen kann. Die Zeiten waren vielleicht noch nicht so prüde wie später ab der NS Zeit. Sehr umsichtig wird erzählt, dass Ludwig schwul ist. Seine Liebe zu Gerhard, außerdem schaut er den Köhlerjungen auf die Muskeln. Da tut sich ein Konflikt auf, denn Alma entwickelt schon ein verstärktes Interesse an Ludwig. Sie scheint fast enttäuscht, dass er keine Annäherungsversuche unternimmt.
Die Schicksale der einzelnen Figuren werden sehr kurz und lakonisch abgehandelt. Warum will sich der Geheimrat unbedingt das Leben nehmen? Auch ein Kriegsschaden? Woher rühren die Depressionen? Wir wissen es (noch?) nicht.
Die anfängliche Sprachmacht hat etwas nachgelassen, aber ich bin immer noch sehr zufrieden. Die feinen Sätze, die Anjuta herausgesucht hat, springen mir unter anderem auch ins Auge. Manche Metaphern sind besonders schön.
Es ging ihr wie dem Muster der Fliesen an der Küchenwand, es war keine Ordnung darin zu erkennen. Die wollte ein Teil dieses Musters werden. 25
Das kann man sich sehr gut vorstellen, wenn man alleine ist und viel herumgestoßen wurde.
Die Ausführungen zum Ehrgefühl kann ich gut nachvollziehen. Gerade im Krieg. Völlig schizophren.
Dann noch das Schicksal von Fräulein Gerners Großmutter: es lebe das Patriarchat! Wie kann ein Mann behaupten, so ein Kind zeuge er nicht?!?
Anhand dieser Schicksale bekommt man einen Einblick in die Zeit. Haben wir die meisten Figuren kennengelernt?
Mir ist es zunächst Schnuppe, ob diese Geschichte autobiografisch ist. Es steht Roman auf dem Cover. Es wird also mindestens ein Mix sein.
Lassen wir uns mal weiter überraschen