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RuLeka

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30. Januar 2018
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Bilde ich es mir ein, oder gibt es tatsächlich Parallelen zwischen Hoppers Bildern und der Schreibweise dieses Buches? Nicht, dass ich mich mit Kunst auskenne. Aber ich habe in Erinnerung, dass in Hoppers Bildern bspw. die Einsamkeit ein Thema ist. Diese Einsamkeit finde ich in den Charakteren und ihren Erzählperspektiven wieder. Jeder wirkt isoliert und in sich verschlossen.
Das hast Du gut beobachtet. In beinahe allen Bildern von Hopper, in denen Menschen abgebildet sind, gibt es keine Kommunikation. Jeder ist in sich versunken, den Blick oft ins Freie. Sehr oft sitzen Figuren allein in einem Raum, den Blick durch ein ( offenes oder geschlossenes ) Fenster nach draußen.
Auch die Strandszene wirkt wie ein Gemälde.
sie hat sich selbst darauf reduziert und sich selbst isoliert.
Auf mich hat es eher so gewirkt, als wäre ihr diese Rolle zugewiesen worden. Eine Ehe zwischen zwei Künstlern ist sicher nicht sehr einfach. Kann man das Konkurrenzdeinen ausblenden? Wer ist der Erfolgreichere?
Beim Jungen kommen da massiv Ängste hoch: Verlust der Eltern, Zugfahrt durch ein zerstörten Land, Fahrt ins Ungewisse. Nach seiner Rückkehr erwarten ihn ein neues Haus, eine neue Schule ....
Wir wissen nicht genau, was der Junge im Krieg erlebt hat. Aber dass hier jede Menge Ängste immer wieder hochkommen, ist verständlich. Er hat keine Sicherheit erlebt, alles kann sich innerhalb kürzester Zeit ändern. Deshalb wirkt jede neue Situation erstmal bedrohlich.
 

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29. März 2022
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Bilde ich es mir ein, oder gibt es tatsächlich Parallelen zwischen Hoppers Bildern und der Schreibweise dieses Buches? Nicht, dass ich mich mit Kunst auskenne. Aber ich habe in Erinnerung, dass in Hoppers Bildern bspw. die Einsamkeit ein Thema ist. Diese Einsamkeit finde ich in den Charakteren und ihren Erzählperspektiven wieder. Jeder wirkt isoliert und in sich verschlossen.
Dann erinnere ich mich, dass Hopper gern Szenen gemalt hat, die dem Betrachter das Gefühl geben, von Außerhalb drauf zu blicken. Das findet sich hier auch mehrfach. Der Betrachter ist dabei der jeweilige Prota, der aus seiner Erzählperspektive Situationen schildert, die er beobachtet oder hört. Beispiel: Mrs. H., die die Kaplan-Truppe am Strand beobachtet, oder der Junge, der auf der Veranda sitzt und hört, wie drinnen der Kaffeeklatsch stattfindet und über ihn gesprochen wird.
Es gibt bestimmt noch mehr Verbindungen, und sofern ich mir diese nicht einbilde, ist das genial geschrieben.
Oha- ich Kunstbanausin! Den Namen Hopper habe ich nicht einmal gehört geschweige denn, dass ich etwas über Werke und deren Ausdruck wüsste.
 
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Ich wusste gar nicht, dass er Michael heißt, da ich den Klappentext nicht gelesen habe. Ich habe mich schon gefragt, warum der Junge namenlos bleibt.
Ich lese ja auch in der Regel keine Klappentexte und von daher war der Name mir bislang ebenfalls unbekannt.
Wir wissen nicht genau, was der Junge im Krieg erlebt hat. Aber dass hier jede Menge Ängste immer wieder hochkommen, ist verständlich. Er hat keine Sicherheit erlebt, alles kann sich innerhalb kürzester Zeit ändern. Deshalb wirkt jede neue Situation erstmal bedrohlich.
Das ist für mich sehr gut nachvollziehbar. Es wurde ja auch schon angesprochen: Keine einfache Aufgabe, ein kriegstraumatisiertes Kind aufzunehmen und zu betreuen. Heutzutage ist man in dieser Hinsicht viel weiter und es gibt entsprechende Schulungs- und Unterstützungsangebote.
 

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29. März 2022
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Auch mir gefällt der Schreibstil der Autorin recht gut. Die einzelnen Charaktere kann man sich bildlich ganz gut vorstellen.
Dass deutsche Waisenkinder nach dem Krieg in der USA ein neues Zuhause fanden, war mir bislang auch weitgehend unbekannt. Ich bin gespannt, mehr über das Schicksal des Jungen zu lesen. Kriegserfahrungen wollen erst mal verarbeitet werden. Zudem bleibt abzuwarten, ob und inwiefern ihn in den USA bei der "neuen Familie" eine Idylle erwartet.
Ich lese in freudiger Erwartung weiter.
 

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Who on earth is Edward Hopper???

Du kannst mich nach Musikern fragen, aber gewiss nicht nach irgendwelchen Pinselschwingern :rofl
Aber ich finde es wieder toll, wie ihr mir helft, Bildungslücken zu schließen!
Danke, danke, danke!
Da bin ich ja wenigstens nicht die Einzige hier, die den Hopper nicht kennt. :grinning
 

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Was den Sympathiefaktor betrifft, schenken sich Mr. und Mrs. Hopper nichts. Tatsächlich finde ich sie mit ihrem Jähzorn nerviger. ;)
Ich beobachte mich selbst schon wieder dabei, wie ich insgeheim an Misses Hopper unangemessene Kritik übe - bei der Schilderung ihrer massiven, auch körperlichen Auseinandersetzung mit ihrem Mann hätte ich erwartet, dass sie Konsequenzen zieht und ihn verlässt. Aber da denke ich vermutlich zu sehr in heutigen Kategorien….
 

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Who on earth is Edward Hopper???

Du kannst mich nach Musikern fragen, aber gewiss nicht nach irgendwelchen Pinselschwingern :rofl
Aber ich finde es wieder toll, wie ihr mir helft, Bildungslücken zu schließen!
Und vielleicht kennst du ihn doch? Zumindest eines seiner meist beachteten Bilder hast du garantiert schon irgendwo gesehen. Es heißt „Nighthawks“ und wird gerne - auch zu Werbezwecken - gezeigt…
 

Christian1977

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8. Oktober 2021
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Ihr habt eigentlich schon alles geschrieben, was ich auch schreiben würde. Den begeisterten Stimmen kann ich mich bislang voll und ganz anschließen.

Mich beeindruckt, wie es Christine Dwyer Hickey gelingt, sich komplett in die Perspektiven des Jungen und Mrs. Aitchs zu begeben und mit deren Augen die Welt und die Gesellschaft zu betrachten. Dabei nähert sie sich den beiden Außenseiter:innen behutsam und mit Feingefühl. Insgesamt sind die Figuren wunderbar gezeichnet, mit Ecken und Kanten. Ich mag den Jungen sehr, aber auch Mrs. Aitch. Skurril fand ich, wie trocken der Streit mit ihrem Mann auf S. 45 geschildert wird, obwohl er total ausgeartet ist. Da musste ich lachen.

Die Anfangsszene habe ich als tieftraurig empfunden. Der Junge und Mrs. Novak sind komplett überfordert mit der Situation. Der Junge ist traumatisiert, Mrs. Aunt sehnt sich nach Liebe und Anerkennung des Kindes. Der Junge selbst jedoch auch. Sehr berührend!

Nach der ersten Annäherung zwischen dem Jungen und Mrs. Aitch bin ich sehr gespannt auf den weiteren Verlauf ihrer Beziehung und lese gern weiter.
 

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Ihr habt eigentlich schon alles geschrieben, was ich auch schreiben würde. Den begeisterten Stimmen kann ich mich bislang voll und ganz anschließen.

Mich beeindruckt, wie es Christine Dwyer Hickey gelingt, sich komplett in die Perspektiven des Jungen und Mrs. Aitchs zu begeben und mit deren Augen die Welt und die Gesellschaft zu betrachten. Dabei nähert sie sich den beiden Außenseiter:innen behutsam und mit Feingefühl. Insgesamt sind die Figuren wunderbar gezeichnet, mit Ecken und Kanten. Ich mag den Jungen sehr, aber auch Mrs. Aitch. Skurril fand ich, wie trocken der Streit mit ihrem Mann auf S. 45 geschildert wird, obwohl er total ausgeartet ist. Da musste ich lachen.

Die Anfangsszene habe ich als tieftraurig empfunden. Der Junge und Mrs. Novak sind komplett überfordert mit der Situation. Der Junge ist traumatisiert, Mrs. Aunt sehnt sich nach Liebe und Anerkennung des Kindes. Der Junge selbst jedoch auch. Sehr berührend!

Nach der ersten Annäherung zwischen dem Jungen und Mrs. Aitch bin ich sehr gespannt auf den weiteren Verlauf ihrer Beziehung und lese gern weiter.
Stimmt, das Verhältnis zu seiner Pflegemutter kann nur schwierig sein - der Junge spricht über seine Erlebnisse scheinbar nicht, so dass seine Umgebung gar nicht wissen kann, was er erlebt hat…
 

Renie

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19. Mai 2014
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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Ich beobachte mich selbst schon wieder dabei, wie ich insgeheim an Misses Hopper unangemessene Kritik übe - bei der Schilderung ihrer massiven, auch körperlichen Auseinandersetzung mit ihrem Mann hätte ich erwartet, dass sie Konsequenzen zieht und ihn verlässt. Aber da denke ich vermutlich zu sehr in heutigen Kategorien….
Irgendwo stand, dass sie jähzornig ist. Insofern kann man bei mittlerweile 26 Ehejahren davon ausgehen, dass Mr. Hopper die Ausbrüche seiner Frau gewohnt ist und damit umzugehen weiß. Immerhin "straft" er sie mit Gelassenheit, was sie auch wieder auf die Palme bringt.
 

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Irgendwo stand, dass sie jähzornig ist. Insofern kann man bei mittlerweile 26 Ehejahren davon ausgehen, dass Mr. Hopper die Ausbrüche seiner Frau gewohnt ist und damit umzugehen weiß. Immerhin "straft" er sie mit Gelassenheit, was sie auch wieder auf die Palme bringt.
Ganz sicher ist sie - genau wie - ein schwieriger Charakter!