1. Leseabschnitt: Beginn bis Seite 81

Irisblatt

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15. April 2022
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Mir gefällt der Roman bisher ausgesprochen gut. Die Personenzeichnungen finde ich gelungen. Mir gefallen die Perspektivwechsel, die ganz beiläufig stattfinden. Z.B. dass Frau Aunt dem Jungen eine Freude machen will, in dem sie vor der Abfahrt noch einen Abstecher zur Baustelle der Vereinten Nationen macht und wir später erfahren, wie diese Aktion auf den Jungen gewirkt hat. Oder auch die unterschiedliche Wahrnehmung in Bezug auf die Verwendung der deutschen Sprache.
Frau Nurse sagt, er solle den Krieg nicht nach Amerika tragen. Dass das unmöglich ist, zeigen die Erinnerungen an schreckliche Kriegserlebnisse, die immer wieder unvermittelt auftauchen. Sehr nah gingen mir die Rückblicke, die durch die Zugfahrt ausgelöst wurden. Überhaupt mag ich diesen kleinen Kerl sehr gern.
Mein Blick auf Mrs Aitsch hat sich während des Lesens mehrmals verändert. Zu Beginn dachte ich, sie leide unter ihrem tyrannischen Mann, sei darauf bedacht jegliche Störung von ihm fernzuhalten. Auch hier wird schnell deutlich, dass es nicht so einfach ist. Sie ist einsam, die Beziehung schwierig, ihre Kunst fristet ein Schattendasein. Allerdings scheint es ihren Mann nicht zu stören, wenn Fremde den Strand nutzen.
Letztendlich kommuniziert das Paar gar nicht bzw. auf eine Art und Weise, die beim Gegenüber zu Missverständnissen führt.
Die Autorin erzählt ruhig und trotzdem sehr lebendig. Mit wenigen Worten zeichnet sie ein Bild der damaligen Gesellschaft. Da wird z.B. die Freundin nicht mit zum Besuch bei der schwarzen Familie mitgenommen, weil sie da sowieso keinen Fuß hineinsetzten würde. Die Gastfamilie auf Cape Cod bzw. deren Bekannte reden über die Herkunft des Jungen. Sämtliche Meinungen darüber, ob es nun wichtige sei, etwas über seine Eltern zu wissen, weil sich Gesinnungen vererben könnten oder ob es irrelevant sei, kommen zum Tragen.
Ich mag, dass dieser Roman so viele Ebenen hat, die nebenbei einfließen und bin froh, mich kurzfristig doch noch dafür eingetragen zu haben. Freue mich weiterzulesen.
 
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RuLeka

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Auch mich hat der Roman von Beginn an begeistert. Es ist großartig, wie gut sich die Autorin in ihre Figuren einfühlen kann. Und gerade die beiden Hauptpersonen, der Junge und Frau Aitch, werden sehr komplex gezeichnet.
Michael leidet noch sehr unter den Kriegserlebnissen. Sein Vater scheint gefallen zu sein, wie die Mutter umkam, werden wir vielleicht noch erfahren. Dass deutsche Waisenkinder nach dem Krieg in die USA kamen, war mir bisher unbekannt.
Seine Pflegeeltern scheinen es gut mit ihm zu meinen, dringen aber nicht in sein Innerstes vor. Im Grunde müssten solche Pflegefamilien geschult werden im Umgang mit kriegstraumatisierten Kindern. Aber wahrscheinlich war man froh, welche zu finden.Dass es mit dem Ratschlag, Vergangenes einfach zu vergessen, nicht getan ist, weiß man.


Und die Ehe zwischen Mrs. Aitch und ihrem Mann scheint hochkompliziert zu sein. Eine Art Hassliebe. Sie war früher ebenfalls Künstlerin, musste aber zugunsten ihres Mannes zurückstecken. Eine bekannte Geschichte! Aber Mrs. Aitch leidet immer noch darunter und ihre Wut darüber nimmt verschiedene Formen an. Sie scheint sich auch einsam zu fühlen neben ihrem schweigsamen Mann. Gleichzeitig vermeidet sie jede Gesellschaft, um ihrem Mann die nötige Ruhe zu verschaffen, wie sie sagt. Doch sie hasst es auch, immer ins Abseits geschoben zu werden, denn ihr Mann, der berühmte Künstler, steht sofort im Fokus des Interesses.

Dass es sich hier um das Ehepaar Hopper handelt, weiß man durch den Klappentext. Das war für mich mit ein Grund, mich für diese Leserunde anzumelden. Denn ich liebe die Bilder von Edward Hopper. Hoffentlich habe ich nach der Lektüre des Buches immer noch Freude an den Gemälden, wenn ich weiß, was er für ein Mensch war. Sympathisch kommt er jedenfalls nicht rüber.

Ich bin gespannt auf die nähere Begegnung mit dem seelisch verletzten Jungen und der schwierigen Frau.
 

Irisblatt

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Es ist großartig, wie gut sich die Autorin in ihre Figuren einfühlen kann. Und gerade die beiden Hauptpersonen, der Junge und Frau Aitch, werden sehr komplex gezeichnet.
Das genieße ich sehr.
Dass deutsche Waisenkinder nach dem Krieg in die USA kamen, war mir bisher unbekannt.
Mir auch.
Seine Pflegeeltern scheinen es gut mit ihm zu meinen, dringen aber nicht in sein Innerstes vor. Im Grunde müssten solche Pflegefamilien geschult werden im Umgang mit kriegstraumatisierten Kindern. Aber wahrscheinlich war man froh, welche zu finden.Dass es mit dem Ratschlag, Vergangenes einfach zu vergessen, nicht getan ist, weiß man.
Ja - damals war das aber noch nicht im Bewusstsein und es wurde auf Verdrängung und Vergessen gesetzt.
Und die Ehe zwischen Mrs. Aitch und ihrem Mann scheint hochkompliziert zu sein.
Finde ich sehr spannend gezeichnet. Es gibt ein Bild, das sich ständig verändert und richtig greifbar ist es nicht.
Sie scheint sich auch einsam zu fühlen neben ihrem schweigsamen Mann.
Das wird sehr deutlich.
Gleichzeitig vermeidet sie jede Gesellschaft, um ihrem Mann die nötige Ruhe zu verschaffen, wie sie sagt.
Genau - wie sie sagt. Ich bin mir gerade nicht so sicher, inwiefern sie sich das selbst auferlegt hat. Stutzig wurde ich ja als er sagte, die Strandbesucher würden ihn überhaupt nicht stören.
Doch sie hasst es auch, immer ins Abseits geschoben zu werden, denn ihr Mann, der berühmte Künstler, steht sofort im Fokus des Interesses.
Das ist bestimmt frustrierend.
Dass es sich hier um das Ehepaar Hopper handelt, weiß man durch den Klappentext. Das war für mich mit ein Grund, mich für diese Leserunde anzumelden. Denn ich liebe die Bilder von Edward Hopper.
Ich mag die Bilder von Hopper auch gerne. Tatsächlich habe ich aufgrund der Beschreibung, dass er hier eine Rolle spielt, aber eher gezögert. Mich reizen Romane über reale Persönlichkeiten wenig. Dagegen interessiert mich die Geschichte des deutschen Waisenjungen, der in die USA gebracht wurde sehr.
 

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Auch mich hat der Roman von Beginn an begeistert. Es ist großartig, wie gut sich die Autorin in ihre Figuren einfühlen kann. Und gerade die beiden Hauptpersonen, der Junge und Frau Aitch, werden sehr komplex gezeichnet.
Michael leidet noch sehr unter den Kriegserlebnissen. Sein Vater scheint gefallen zu sein, wie die Mutter umkam, werden wir vielleicht noch erfahren. Dass deutsche Waisenkinder nach dem Krieg in die USA kamen, war mir bisher unbekannt.
Seine Pflegeeltern scheinen es gut mit ihm zu meinen, dringen aber nicht in sein Innerstes vor. Im Grunde müssten solche Pflegefamilien geschult werden im Umgang mit kriegstraumatisierten Kindern. Aber wahrscheinlich war man froh, welche zu finden.Dass es mit dem Ratschlag, Vergangenes einfach zu vergessen, nicht getan ist, weiß man.


Und die Ehe zwischen Mrs. Aitch und ihrem Mann scheint hochkompliziert zu sein. Eine Art Hassliebe. Sie war früher ebenfalls Künstlerin, musste aber zugunsten ihres Mannes zurückstecken. Eine bekannte Geschichte! Aber Mrs. Aitch leidet immer noch darunter und ihre Wut darüber nimmt verschiedene Formen an. Sie scheint sich auch einsam zu fühlen neben ihrem schweigsamen Mann. Gleichzeitig vermeidet sie jede Gesellschaft, um ihrem Mann die nötige Ruhe zu verschaffen, wie sie sagt. Doch sie hasst es auch, immer ins Abseits geschoben zu werden, denn ihr Mann, der berühmte Künstler, steht sofort im Fokus des Interesses.

Dass es sich hier um das Ehepaar Hopper handelt, weiß man durch den Klappentext. Das war für mich mit ein Grund, mich für diese Leserunde anzumelden. Denn ich liebe die Bilder von Edward Hopper. Hoffentlich habe ich nach der Lektüre des Buches immer noch Freude an den Gemälden, wenn ich weiß, was er für ein Mensch war. Sympathisch kommt er jedenfalls nicht rüber.

Ich bin gespannt auf die nähere Begegnung mit dem seelisch verletzten Jungen und der schwierigen Frau.
Ich stimme zu: Im Grunde hätte man die Pflegefamilien im Umgang mit den traumatisierten Kindern aus Deutschland schulen müssen - bin mir nur nicht sicher, ob man diese seelischen Beeinträchtigungen wirklich damals schon erkannt und als solche bewertet hat. Schließlich hatten im Krieg ja alle “Schlimmes” erlebt. In erster Linie ging es wohl darum, zu vergessen und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern…
 

RuLeka

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Ich stimme zu: Im Grunde hätte man die Pflegefamilien im Umgang mit den traumatisierten Kindern aus Deutschland schulen müssen - bin mir nur nicht sicher, ob man diese seelischen Beeinträchtigungen wirklich damals schon erkannt und als solche bewertet hat. Schließlich hatten im Krieg ja alle “Schlimmes” erlebt. In erster Linie ging es wohl darum, zu vergessen und sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern…
Ein Volk von Traumatisierten. Damals hat man sich keine Gedanken gemacht, was das für Folgen haben könnte. Aber wie auch? Man kann nicht alle therapieren. Deshalb Ärmel hoch- weitermachen und vergessen. Anders ging es nicht. Ich mache da niemanden einen Vorwurf.
 

Bücherfreundin

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Ein Volk von Traumatisierten. Damals hat man sich keine Gedanken gemacht, was das für Folgen haben könnte. Aber wie auch? Man kann nicht alle therapieren. Deshalb Ärmel hoch- weitermachen und vergessen. Anders ging es nicht. Ich mache da niemanden einen Vorwurf.
Nein, so habe ich es auch nicht verstanden. Ich fühlte mich nur kurz an eine Lesung letzte Woche erinnert - Ulrike Draesner: „Die Verwandelten“, da ging es auch um Traumata des zweiten Weltkrieges, wie sie damals und wie sie heute wahrgenommen werden. Aber das führt uns jetzt ein Stück weit weg von unserer Lektüre.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich bin schwer begeistert, es endlich wieder mit einer richtigen Autorin zu tun zu haben, einer, die Beziehungen, Gefühle und vor allem ihre Figuren komplex darstellen kann. Auch die Dialoge sind gelungen und glaubwürdig (wenn ich da an mein letztes Buch denke:rolleyes:)! Also der Schreibstil hat es mir von den ersten Zeilen an angetan (emotional, gut beobachtet, assoziativ, fließende Übergänge).

Egal ob Mrs Aunt, Mrs Aige oder der Junge: sie alle haben viele Schattierungen. Man hat Empathie mit dem traumatisierten Kind, das an vielen Stellen etwas sieht und hört, was nicht da sein kann, das seine Sprache verlieren soll (wie seine Vergangenheit), das sich zu Henry und seinen Freunden hingezogen fühlt und Angst hat, erneut verstoßen zu werden. Viele nehmen ihn als verstockt wahr, in Gegenwart von Henry wirkt er aber aufgeweckt, wissensdurstig und klug.

Mrs Aunt wurde uns zunächst in einem negativen Licht gezeigt. Sie wirkt überfordert, launenhaft, gefühllos dem Jungen gegenüber. Sie hat Angst aufzufallen, davor, was die Leute sagen. Offenbar hat sie einen Sohn verloren und Henry brachte den Jungen mit durch Vermittlung von Mrs Kaplan, die für mich bis jetzt sehr positiv besetzt ist.

Mrs Aige scheint sich in der Rolle der Künstlergattin wohlzufühlen, sie hat sich selbst darauf reduziert und sich selbst isoliert. Während sie am Strand wie eine Furie auftrat, ist sie dem Jungen gegenüber recht umgänglich. Der Junge wieder: warum lügt er so entsetzlich? Auch eine Folge seines früheren Lebens? Weil niemand wissen durfte, wer er war? Ist er jüdischer Herkunft? Es ist spannend, dass man es noch nicht weiß. Immer wieder werden uns Puzzlesteinchen geliefert, die die Handlung interessant machen, das Bild komplettieren. Auch die kindliche Perspektive empfinde ich als sehr gut getroffen (was selten genug vorkommt).

Die Autorin verwebt die verschiedenen Perspektiven äußerst geschickt. Neben den Wechseln kommen Träume, Reflektionen, Gespräche und Erinnerungen hinzu. Das ist Schriftstellerei par excellence!
 

Literaturhexle

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Mir gefällt der Roman bisher ausgesprochen gut.
Mir auch!!!
Frau Nurse sagt, er solle den Krieg nicht nach Amerika tragen. Dass das unmöglich ist, zeigen die Erinnerungen an schreckliche Kriegserlebnisse,
Es ist die Zeit, in der Kinder zu funktionieren haben. Das kommt noch hinzu. In dem Zusammenhang hat mir der betrunkene Kriegsveteran gefallen. Was eine tolle Idee, eine solche Figur im Zug auftreten zu lassen, die eben mal andere Gedanken einbringt!
Überhaupt mag ich diesen kleinen Kerl sehr gern.
Ja. Man hat ihn gern. Er hat gelernt, zuzuhören, zu verstehen. Alles versteht er nicht, aber er weiß z.B. von Mrs Aunts Schwangerschaft, was seine Angst befeuert, nicht zurückkehren zu dürfen... Wie rührend seine Sorge um die Kekse, die er dann verschenkt, um sie nicht mit Richie teilen zu müssen... Aber warum lügt er so krankhaft? Aufmerksamkeitsdefizit, würde ich heute sagen.
Die Autorin erzählt ruhig und trotzdem sehr lebendig. Mit wenigen Worten zeichnet sie ein Bild der damaligen Gesellschaft.
Das ist ungeheuer geschickt und nötigt mir Respekt ab.
Ich mag, dass dieser Roman so viele Ebenen hat, die nebenbei einfließen
Ja, sage ich oben auch. Wir sind uns einig;)
Michael leidet noch sehr unter den Kriegserlebnissen
Michael? Ist der Name schon gefallen? Für mich ist der Junge (noch) namenlos.
Dass es sich hier um das Ehepaar Hopper handelt, weiß man durch den Klappentext
Ihr Klappentextleser:rofl
Aber es war klar, dass es sich um eine bekannte Person handeln muss.
Ich bin mir gerade nicht so sicher, inwiefern sie sich das selbst auferlegt hat
Ich auch nicht.
Mich reizen Romane über reale Persönlichkeiten wenig.
Mich ebenfalls selten. Ich habe mich auf die Empfehlung des Verlags verlassen und nicht weiter hingeschaut. Zum Glück!
 

Bücherfreundin

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Ich bin schwer begeistert, es endlich wieder mit einer richtigen Autorin zu tun zu haben, einer, die Beziehungen, Gefühle und vor allem ihre Figuren komplex darstellen kann. Auch die Dialoge sind gelungen und glaubwürdig (wenn ich da an mein letztes Buch denke:rolleyes:)! Also der Schreibstil hat es mir von den ersten Zeilen an angetan (emotional, gut beobachtet, assoziativ, fließende Übergänge).

Egal ob Mrs Aunt, Mrs Aige oder der Junge: sie alle haben viele Schattierungen. Man hat Empathie mit dem traumatisierten Kind, das an vielen Stellen etwas sieht und hört, was nicht da sein kann, das seine Sprache verlieren soll (wie seine Vergangenheit), das sich zu Henry und seinen Freunden hingezogen fühlt und Angst hat, erneut verstoßen zu werden. Viele nehmen ihn als verstockt wahr, in Gegenwart von Henry wirkt er aber aufgeweckt, wissensdurstig und klug.

Mrs Aunt wurde uns zunächst in einem negativen Licht gezeigt. Sie wirkt überfordert, launenhaft, gefühllos dem Jungen gegenüber. Sie hat Angst aufzufallen, davor, was die Leute sagen. Offenbar hat sie einen Sohn verloren und Henry brachte den Jungen mit durch Vermittlung von Mrs Kaplan, die für mich bis jetzt sehr positiv besetzt ist.

Mrs Aige scheint sich in der Rolle der Künstlergattin wohlzufühlen, sie hat sich selbst darauf reduziert und sich selbst isoliert. Während sie am Strand wie eine Furie auftrat, ist sie dem Jungen gegenüber recht umgänglich. Der Junge wieder: warum lügt er so entsetzlich? Auch eine Folge seines früheren Lebens? Weil niemand wissen durfte, wer er war? Ist er jüdischer Herkunft? Es ist spannend, dass man es noch nicht weiß. Immer wieder werden uns Puzzlesteinchen geliefert, die die Handlung interessant machen, das Bild komplettieren. Auch die kindliche Perspektive empfinde ich als sehr gut getroffen (was selten genug vorkommt).

Die Autorin verwebt die verschiedenen Perspektiven äußerst geschickt. Neben den Wechseln kommen Träume, Reflektionen, Gespräche und Erinnerungen hinzu. Das ist Schriftstellerei par excellence!
Ja, der Stil der Autorin gefällt mir auch sehr. Ich dachte anfangs, es sei ein Erstling - aber der Klappentext belehrte mich eines Besseren.
 

Renie

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renies-lesetagebuch.blogspot.de
Dass es sich hier um das Ehepaar Hopper handelt, weiß man durch den Klappentext. Das war für mich mit ein Grund, mich für diese Leserunde anzumelden. Denn ich liebe die Bilder von Edward Hopper. Hoffentlich habe ich nach der Lektüre des Buches immer noch Freude an den Gemälden, wenn ich weiß, was er für ein Mensch war. Sympathisch kommt er jedenfalls nicht rüber.
Bilde ich es mir ein, oder gibt es tatsächlich Parallelen zwischen Hoppers Bildern und der Schreibweise dieses Buches? Nicht, dass ich mich mit Kunst auskenne. Aber ich habe in Erinnerung, dass in Hoppers Bildern bspw. die Einsamkeit ein Thema ist. Diese Einsamkeit finde ich in den Charakteren und ihren Erzählperspektiven wieder. Jeder wirkt isoliert und in sich verschlossen.
Dann erinnere ich mich, dass Hopper gern Szenen gemalt hat, die dem Betrachter das Gefühl geben, von Außerhalb drauf zu blicken. Das findet sich hier auch mehrfach. Der Betrachter ist dabei der jeweilige Prota, der aus seiner Erzählperspektive Situationen schildert, die er beobachtet oder hört. Beispiel: Mrs. H., die die Kaplan-Truppe am Strand beobachtet, oder der Junge, der auf der Veranda sitzt und hört, wie drinnen der Kaffeeklatsch stattfindet und über ihn gesprochen wird.
Es gibt bestimmt noch mehr Verbindungen, und sofern ich mir diese nicht einbilde, ist das genial geschrieben.
 

Irisblatt

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Bilde ich es mir ein, oder gibt es tatsächlich Parallelen zwischen Hoppers Bildern und der Schreibweise dieses Buches? Nicht, dass ich mich mit Kunst auskenne. Aber ich habe in Erinnerung, dass in Hoppers Bildern bspw. die Einsamkeit ein Thema ist. Diese Einsamkeit finde ich in den Charakteren und ihren Erzählperspektiven wieder. Jeder wirkt isoliert und in sich verschlossen.
Dann erinnere ich mich, dass Hopper gern Szenen gemalt hat, die dem Betrachter das Gefühl geben, von Außerhalb drauf zu blicken. Das findet sich hier auch mehrfach. Der Betrachter ist dabei der jeweilige Prota, der aus seiner Erzählperspektive Situationen schildert, die er beobachtet oder hört. Beispiel: Mrs. H., die die Kaplan-Truppe am Strand beobachtet, oder der Junge, der auf der Veranda sitzt und hört, wie drinnen der Kaffeeklatsch stattfindet und über ihn gesprochen wird.
Es gibt bestimmt noch mehr Verbindungen, und sofern ich mir diese nicht einbilde, ist das genial geschrieben.
Das ist mir auch aufgefallen. Zusätzlich zu Deinen Anmerkungen möchte ich noch Farben und Licht ergänzen, die bei den Beschreibungen der Szenen eine größere Bedeutung haben als ich das normalerweise in anderen Texten wahrnehme.
 

Renie

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Mrs Aunt wurde uns zunächst in einem negativen Licht gezeigt. Sie wirkt überfordert, launenhaft, gefühllos dem Jungen gegenüber.
Für mich ist sie eher hilflos, weiß nicht, wie sie an den Jungen herankommen soll. Er macht es ihr auch nicht leicht. Wir haben vermutlich eine Frau, die bemuttern möchte und einen Jungen, der sich nicht bemuttern lassen kann, weil er traumatisiert ist.
 

Renie

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Mrs Aige scheint sich in der Rolle der Künstlergattin wohlzufühlen, sie hat sich selbst darauf reduziert und sich selbst isoliert.
Wobei sie das sicher anders sieht: sie betrachtet sich als Opfer des Ruhms ihres Mannes und er ist Schuld daran, dass sie ist, wie sie ist.
Der Junge wieder: warum lügt er so entsetzlich?
Das frage ich mich auch. Vielleicht will er seine Realität leugnen, ein anderer sein, als derjenige, der er ist: ängstlich, schüchtern, verschlossen, traumatisiert.
Ihr Klappentextleser:rofl
Aber es war klar, dass es sich um eine bekannte Person handeln muss
Man muss kein Klappentextleser sein. Das Cover hat mich an Hopper erinnert und ist tatsächlich auch von ihm. Als dann Mrs. H. auftauchte, habe ich eins und eins zusammengezählt :cool:
Zusätzlich zu Deinen Anmerkungen möchte ich noch Farben und Licht ergänzen, die bei den Beschreibungen der Szenen eine größere Bedeutung haben als ich das normalerweise in anderen Texten wahrnehme.
Stimmt, ich stolpere immer wieder über blau und weiß :smileeye
 

Irisblatt

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Für mich ist sie eher hilflos, weiß nicht, wie sie an den Jungen herankommen soll. Er macht es ihr auch nicht leicht. Wir haben vermutlich eine Frau, die bemuttern möchte und einen Jungen, der sich nicht bemuttern lassen kann, weil er traumatisiert ist.
Es geht in diesem LA ja vor allem um die Situation, dass er weggeschickt werden soll. Beim Jungen kommen da massiv Ängste hoch: Verlust der Eltern, Zugfahrt durch ein zerstörten Land, Fahrt ins Ungewisse. Nach seiner Rückkehr erwarten ihn ein neues Haus, eine neue Schule ....
 

Renie

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Es geht in diesem LA ja vor allem um die Situation, dass er weggeschickt werden soll. Beim Jungen kommen da massiv Ängste hoch: Verlust der Eltern, Zugfahrt durch ein zerstörten Land, Fahrt ins Ungewisse. Nach seiner Rückkehr erwarten ihn ein neues Haus, eine neue Schule ....
Und wahrscheinlich gibt es auch hier die Angst, was aus ihm wird, wenn ein eigenes Kind da ist.