1. Leseabschnitt: Beginn bis Seite 70

GAIA

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27. Dezember 2021
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Ich habe sehr gut in die Geschichte und das einsame Leben von Suzu hineingefunden. Der Beginn wirkt fast wi eine Kurzgeschichte, in die man geworfen wird. Nur fächert sich hier viel umfassender das Thema der Einsamkeit von alleinstehenden Menschen auf, mit der Krönung in dem Beruf der Kodokushi-Tatortreiniger. Ich nenne sie mal "Tatortreiniger", weil ich mich ein bisschen in der skurrilen Art des Chefs an eine mögliche Folge der bekannten Serie erinnert fühlte. Also nicht an eine spezielle, sondern einfach diese Art, wie Suzu die Arbeit findet, wie der Chef drauf ist und wie sie zur ersten Wohnung gelangen. Nun bin ich gespannt, ob das Buch eher skurril-amüsant aufgebaut ist, oder doch mehr die tragischen Anteile der einsamen Existenzen herausschälen wird. Oder vielleicht beides.
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Ich habe sehr gut in die Geschichte und das einsame Leben von Suzu hineingefunden.
Das fand ich hervorragend beschrieben! (Ist ja ein allgemeines Problem in Japan!)

Beschäftigt hat mich auf S. 16 der Part: 'Die Paare...................waren am schwierigsten zufrieden zu stellen. Anders verhielt es sich mit den Einsamen, die kamen. Sie waren für alles dankbar, was man ihnen hinstellte.'
Ich habe ja da absolut keine Erfahrungen auf diesem Gebiet! (Aus der elterlichen Wohnung heraus heiratete ich mit 21 und seitdem lebe ich mit Mann und dann zusammen mit ihm in Familie! :joy)
Wie seht Ihr das? Ist das wirklich so, dass die Einsamen 'dankbar sind für alles..........'? :monocle
(Mit den 'Familienväter wie Raubtiere' kann ich wieder nachvollziehen - da steht die Fürsorge für den Nachwuchs einfach über allem!)

Beim 'Geghostet-Werden' tat mir die Protagonistin echt leid - das wurde auch sehr eindrucksvoll beschrieben!

Und dann kommt bei ihr natürlich auch der mangelnde Antrieb dazu, der ihr im Wege steht, soziale Kontakte zu pflegen! Im Gegensatz zu uns, wo Individualismus groß geschrieben wird, herrscht in Japan die Regel: 'Wenn ein Nagel hervorsteht, muss er platt geklopft werden!'

Auf die Details ihres Arbeitsplatzes bin ich auch schon gespannt - das Vorstellungsgespräch fand ich schon mal interessant und auch unterhaltsam! ;)

Also mir macht das Buch großen Spaß! (Liegt vielleicht auch daran, dass es einen großen Wiedererkennungwert hat für mich! ;) )
 

GAIA

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Wie seht Ihr das? Ist das wirklich so, dass die Einsamen 'dankbar sind für alles..........'? :monocle
So global kann man das sicherlich nicht beantworten, aber es gibt ja schon Beispiele, bei denen man sich das gut vorstellen kann. Gerade die Einsamen, die noch raus in die Welt gehen, um eben Essen zu gehen oder andere Erledigungen zu machen, suchen sicherlich unbewusst in diesen kurzen sozialen Kontakten, Energie, die sie aufnehmen können. Im Bild des Restaurants: Sie sind dankbar für alles, was ihnen hingestellt wird und vielleicht eben auch besonders für das höfliche Lächeln der Bedienung.
Mir erzählte mal der Buchändler meines Vertrauens, als er erfuhr, dass ich Psychologin bin, dass er auch so seine Kund:innen hat, bei denen habe er das Gefühl, sie kämen jeden Tag (!) einmal im Buchladen vorbei, nur um mit einem Menschen ein kleines Gespräch führen zu können.
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich habe ein wenig gebraucht um in die Geschichte zu kommen, aber nach und nach ging es dann besser. Es gibt neben den skurrilen Szenen rund um das Vorstellungsgespräch (wo bitte schön gibt es Whiskey bei so einer Gelegenheit? :cool: Noch dazu in solchen Geschmacksrichtungen wie mit Ananas @otegami : gibt es das wirklich in Japan? :think ) einige Passagen, die mich nachdenklich gestimmt haben. Insbesondere die, in denen es um die "Unsichtbarkeit" von Menschen in Betonklötzen ging. Hier hat mir die Aussage ihres neuen Chefs berührt:
[...] lernen Sie sie kennen. Sie müssen nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, es genügt, wenn Sie sich gelegentlich nach ihrem Wohlbefinden erkundigen. (S. 58)
Ich lese gerne weiter :cool:.
 

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29. März 2022
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Mainz
Sodele, der erste Abschnitt ist gelesen und bisher bin ich sehr angetan von dem Buch.
Eine Fundgrube für an Gesellschaftskritik interessierte Soziologinnen: Einsamkeit, Ghosting, Leistung und Arbeit bis zum Umfallen...
Ich habe zuletzt in einem meiner Seminare noch mit meinen Studierenden über die Müdigkeitsgesellschaft gesprochen: eine Nebenfolge auf die Spitze getriebener Individualisierung und Leistungsorientierung, die das Ausmaß an Depressionen und Selbstmord drastisch ansteigen lässt. Korea steht da auf Platz 1. Ich habe beim Lesen an diesen Ansatz gedacht.
Suzu ist vielleicht auch müde. Sie scheint Geselligkeit eine Absage erteilt zu haben, worin sie ja quasi durch diese Ghosting-Erfahrung auch wieder bestärkt wird. Irgendwie scheint sie sich recht motivationslos (müde?) durchs Leben zu kämpfen. Dieser neue Job - passt auch da rein. Erschreckend, dass manche dermaßen einsam sind, dass ihr Ableben erst so spät entdeckt wird. Da putzen zu müssen, wird Suzu sicherlich Einiges abverlangen.
Den Schreibstil mag ich auch sehr. Irgendwie ist die Geschichte in einem sehr angenehmen Tempo erzählt. Da auch das Druckbild angenehm groß ist, fliegt man nur so durch die Seiten. So kann es gerne weiter gehen. :)
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Wie seht Ihr das? Ist das wirklich so, dass die Einsamen 'dankbar sind für alles..........'? :monocle
(Mit den 'Familienväter wie Raubtiere' kann ich wieder nachvollziehen - da steht die Fürsorge

So global kann man das sicherlich nicht beantworten, aber es gibt ja schon Beispiele, bei denen man sich das gut vorstellen kann. Gerade die Einsamen, die noch raus in die Welt gehen, um eben Essen zu gehen oder andere Erledigungen zu machen, suchen sicherlich unbewusst in diesen kurzen sozialen Kontakten, Energie, die sie aufnehmen können. Im Bild des Restaurants: Sie sind dankbar für alles, was ihnen hingestellt wird und vielleicht eben auch besonders für das höfliche Lächeln der Bedienung.
Ich kann mir schon gut vorstellen, dass da was Wahres dran ist. Einsamkeit ist sicher mitunter schwer auszuhalten, v.a. wenn man sich nach Geselligkeit sehnt, selbst aber einsam ist und quasi jeder im Umfeld glücklich, zufrieden und heiter erscheint. Einfache Gesten wie Umarmungen, Zuhören oder einfach auch nur ein Lächeln, was für alle ganz normal zum Alltag gehört, können für Einsame ein Highlight nach einer langen, mglw. sehr einsamen Durststrecke sein.
Auch Gaias Beispiel aus dem Buchhandel leuchtet mir ein.
 

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Beim 'Geghostet-Werden' tat mir die Protagonistin echt leid - das wurde auch sehr eindrucksvoll beschrieben!
Dieses Ghosting ist eine ganz schlimme Sache. Ich habe das mal selbst erlebt. Dachte immer, ich hätte irgendwas falsch gemacht, suchte nach Antworten, warum die Person einfach so verschwand. Das war sehr schmerzhaft und qulend. Etwas geholen hat mir dann ein Buch über Ghpsting, auf das ich gestoßen war. Ich erkannte Ghosting als Ghosting und erkenne darin v.a. einen sehr gewaltsamen Akt. Immerhin war ich meine eigenen Schuldgefühle dann sehr schnell los...
 

otegami

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(wo bitte schön gibt es Whiskey bei so einer Gelegenheit? :cool: Noch dazu in solchen Geschmacksrichtungen wie mit Ananas @otegami : gibt es das wirklich in Japan? :think )
Es gibt ja inzwischen nichts, was es nicht gibt! :helo (Wäre aber definitiv nix für mich! Und ist mir auch noch nicht untergekommen! ;)) Ananas mag ich wohl sehr gern, landet auch an ein paar Tagen in meinem Müsli, aber dieser Geschmack in Verbindung mit Whisky kann ich mir schwer vorstellen, eher mit Rum!)
In Japan wird hervorragender Whisky gebrannt, sogar der beste Whisky der Welt! Hätte ich nie vermutet - ich hätte den eher in Irland (Whiskey) oder in Schottland angesiedelt. Auch der Gin schmeckt hervorragend! :thumbsup:cool:

Der Witz ist: Japaner vertragen nur sehr geringe Mengen an Alkohol! Näheres dazu: Alkohol-Intoleranz: Genetische Diagnostik | Labor Information (medizinische-genetik.de)
 

Renie

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Ich habe ein wenig gebraucht um in die Geschichte zu kommen, aber nach und nach ging es dann besser.
Das ging mir genauso. Bei den ersten Seiten fehlte mir der zündende Moment, der dann aber mit dem Vorstellungsgespräch kam. Herr Sakai ist ein weiser Mann, der mit seinen Ansichten über das Leben in der Stadt und der Notwendigkeit von Gemeinschaft einen Finger in die offene Wunde von Suzu legt. Er spricht Dinge aus, die sie insgeheim weiß, aber bis vor Kurzem für sich geleugnet hat. Sie wirkt dabei widersprüchlich. Denn einerseits scheut und meidet sie die Gesellschaft anderer, ist aber andererseits auf der Suche nach jemanden, um den sie sich kümmern kann. Ihr Interesse an Dating Portalen ist bezeichnend, auch wenn der erste ernste Versuch gescheitert ist. Bleibt noch der Hamster, der ihr aber auch die kalte Schulter zeigt. Mistvieh!
 

Renie

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eine Nebenfolge auf die Spitze getriebener Individualisierung und Leistungsorientierung, die das Ausmaß an Depressionen und Selbstmord drastisch ansteigen lässt. Korea steht da auf Platz 1. Ich habe beim Lesen an diesen Ansatz gedacht.
Auch mein Gedanke. Immer wieder begegnen uns in dem Text Beobachtungen über Menschenströme, die auf dem Weg zur Arbeit oder in den Feierabend sind. Die Unterhaltung zwischen der Mutter und ihrem Sohn, der gerne ein "Bunny" sein möchte (S. 44) zeigt auch, dass dieses Leistungsdenken heutzutage quasi mit der Muttermilch aufgenommen wird. Und das ist sicherlich kein Phänomen, das dem asiatischen Raum vorbehalten ist.
 

otegami

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eine Nebenfolge auf die Spitze getriebener Individualisierung
Einspruch! In Europa! In Japan gilt jedoch die Regel 'Wenn ein Nagel hervorsteht, dann muss er plattgeklopft werden'! Unsere Individualität ist da streng verpönt - 'ja nicht auffallen' ist da die Devise! (Und das merkt man wirklich auf vielen Gebieten, auch bei der Kleidung!)

Die Selbstmordrate ist auch in Japan sehr hoch! Und....... die Nachkommen müssen für die Kosten aufkommen, die so ein Selbstmord (z.B. sich vor den Zug werfen) verursacht!
 

Renie

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Suzu ist vielleicht auch müde. Sie scheint Geselligkeit eine Absage erteilt zu haben, worin sie ja quasi durch diese Ghosting-Erfahrung auch wieder bestärkt wird. Irgendwie scheint sie sich recht motivationslos (müde?) durchs Leben zu kämpfen.
Ich frage mich, ob diese Motivationslosigkeit und Ablehnung von Gesellschaft nicht einfach ihrem Charakter geschuldet ist. Sie ist schüchtern, unsicher und introvertiert. Jemand wie sie tut sich schwer damit, auf andere Menschen zu zu gehen. Für mich ist daher ihre Ablehnung anderer eine bequeme Ausrede, nicht über den eigenen Schatten springen zu müssen. Irgendjemand müsste sie an die Hand nehmen und ihr helfen.
 

Renie

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Einspruch! In Europa! In Japan gilt jedoch die Regel 'Wenn ein Nagel hervorsteht, dann muss er plattgeklopft werden'! Unsere Individualität ist da streng verpönt - 'ja nicht auffallen' ist da die Devise! (Und das merkt man wirklich auf vielen Gebieten, auch bei der Kleidung!)

Die Selbstmordrate ist auch in Japan sehr hoch! Und....... die Nachkommen müssen für die Kosten aufkommen, die so ein Selbstmord (z.B. sich vor den Zug werfen) verursacht!
Wie meinst Du das? Ich kann gerade Japan und Europa in Deinem Kommentar nicht auseinanderhalten. Individualität ist auch in Europa verpönt? Meinst Du das?