Das war tatsächlich ein Roman, vor dem ich vorher großen Respekt hatte. Thematisch ist es nicht unbedingt das, was in meiner Komfortzone liegt, aber Helga Schubert hat mich einfach sehr interessiert.
Ihre Art zu schreiben empfinde ich als sehr besonders, sie kann in wenigen Worten über Alltäglichkeiten viel Sinnhaftes und Bedeutungsvolles transportieren. Die zurückgenommene Art, mit der sie mittlerweile sich selbst und ihre Welt betrachtet, fasziniert mich, vor allem, weil ich in ihren Rückblicken auf das jüngere Ich nicht das Gefühl habe, dass sie so gut in die "zweite Reihe" treten konnte. Dadurch wird der Text für mich auch zu einer sehr lebendigen Darstellung von Lebens- und Altersweisheit.
Dazu hatte ich befürchtet, dass der Text sehr bedrückend und belastend sein könnte, für mich ist er das aber gar nicht. Ich lese ihn wie eine große Liebeserklärung an ein reiches Leben an der Seite der großen Liebe mit allen Höhen und Tiefen und dem nun unvermeidlich nahenden Ende. Aus jeder Zeile spricht so viel liebevolle Dankbarkeit, dass mich das Buch sehr demütig stimmt. Es lässt mich innehalten und ich lese es langsam, auch weil ich es genieße, dass es mir zeigt und bewusst macht, wie wertvoll eine Beziehung, Liebe, feste Bezugspersonen im Leben sind - etwas, was wir im Alltag vielleicht oft genug vergessen wertzuschätzen.
Ich erlebe selten, das Bücher mich gedanklich und auch auf emotionaler Ebene so beschäftigen, aber hier gelingt das sehr gut.
Die Rückblicke sind sehr interessant, auch weil nebenbei so eindrücklich DDR-Leben und -Gewohnheiten geschildert werden wie der Wohnungstausch und die Studiererlaubnis, mit denen ich kaum vertraut bin.