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Barbara62

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Peter war in der Situation mit dem nicht-binären Menschen völlig überfordert, sein Beharren auf der Liste, in der Frau Olivia P. steht, zeugt von seiner Unsicherheit. Wahrscheinlich ist er niemals zuvor mit diesem zur Zeit sehr aktuellen Thema konfrontiert worden. Ich kann nachvollziehen, dass er sich von seiner Frau Unterstützung gewünscht hätte, die als Thearpeutin meines Erachtens sehr unsensibel reagiert hat.
Ich kann Peter dafür nicht verurteilen. Es ist auch falsch, ihm mangelnde Toleranz vorzuwerfen. Die Situation war für ihn neu. Natürlich war der binäre Mensch Olivia (oder wie sagt man das korrekt?) genervt von einer Situation, die für ihn/sie(?) schon x-Mal vorkam, aber für Peter war sie neu.

Ich selbst habe vor kurzem erfahren, dass ein Mädchen, das ich lange kenne, jetzt ein Mann ist. Ich bin froh, dass ich nicht spontan damit konfrontiert wurde, sondern mich darauf einstellen kann. Das hat mit Vorurteil oder gar Ablehnung absolut gar nichts zu tun, aber für mich ist es die erste Geschlechtsveränderung in meinem Umfeld und damit einfach völlig ungewohnt. Ich wünsche mir, dass uns die Betroffenen - bei allem Leid und allem Verständnis - dies zubilligen.

Von Rahel hätte ich dagegen mehr Souveränität erwartet. Aber sie scheint mir hier wie in anderen Situationen die Therapeutin gänzlich in der Praxis zu lassen.
 

kingofmusic

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Trotzdem nagt es an ihm. Die eigene Wahrnehmung ist sicher eine andere, vor allem weil er wenig Unterstützung erfahren hat, auch im universitären Umfeld nicht.
Vielleicht erwartet man von einem Dozenten an der Uni auch eine "Weltoffenheit", die er in der Situation nicht zeigt oder nicht zeigen kann. Rahel scheint da nicht nur auf Grund ihres Berufs anders gepolt zu sein.
 

RuLeka

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Aber sie scheint mir hier wie in anderen Situationen die Therapeutin gänzlich in der Praxis zu lassen.
Einfühlung in andere Menschen kann sie privat garnicht. Als Therapeutin scheint sie auch mehr auf vorgefertigte Hilfsangebote zurückzugreifen. Das hört sich manchmal sehr schablonenhaft an, was sie da so von sich gibt.
 

Barbara62

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Einfühlung in andere Menschen kann sie privat garnicht. Als Therapeutin scheint sie auch mehr auf vorgefertigte Hilfsangebote zurückzugreifen. Das hört sich manchmal sehr schablonenhaft an, was sie da so von sich gibt.
Und Daniela Krien ist auch keine Psychotherapeutin...
 

Barbara62

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19. März 2020
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Vielleicht erwartet man von einem Dozenten an der Uni auch eine "Weltoffenheit", die er in der Situation nicht zeigt oder nicht zeigen kann. Rahel scheint da nicht nur auf Grund ihres Berufs anders gepolt zu sein.
Ich würde nicht vermuten, dass es ihm an Weltoffenheit fehlt. Er war überrumpelt und nicht in der Lage, sich spontan auf die neue, unerwartete Situation einzustellen.
 

Querleserin

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Wadern
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Und, wie einige von euch geschrieben haben, einen Vorwurf kann ich ihm auch nicht machen. Der nicht-binäre Mensch hätte auch in Ruhe ein Gespräch mit ihm suchen können, statt ihn so vorzuführen. Auch ihr mangelt es an Empathie, die sie für ihre Situation einfordert. Auch wenn diese sicherlich nicht einfach ist.
 
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Reaktionen: Barbara62 und RuLeka

Literaturhexle

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Die Frage ist mir auch durch den Kopf gegangen. Aber wenn eine mütterliche Freundin, die mir immer zur Seite stand, in einer Notlage um Hilfe bittet, hätte ich auch nicht gezögert. Das wäre mir persönlich falsch vorgekommen.
Hm. Ich muss sagen, dieser Einstieg kommt mir insgesamt sehr konstruiert vor. Der Urlaub in den Bergen ist geplatzt. Das mit dem Brand kann passieren. Aber kaum einen Moment später ruft Ruth an und bittet darum, den Hof zu übernehmen. Das kann sie doch nicht verlangen. Rahel und Peter sind berufstätig und anderweitig eingebunden.... Konstruiert eben.
Sie nimmt an - aber klar hätte sie mit Peter sprechen müssen und sei es nur der guten Ordnung halber.
 

Literaturhexle

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Also diese Olivia P. kommt mir sehr wichtigtuerisch vor, eine Rebellin und Besserwisserin, die die eigenen Befindlichkeiten über die anderer stellt. Aber das scheint ja nicht das einzige Problem gewesen zu sein, was Peter beruflich in letzter Zeit umtrieb. Rahel wirkte da etwas saturiert in ihrer Stell-dich-nicht-so-an Haltung.

Auf mich wirkt Peter sehr nachdenklich. Es gab schon einige Situationen, in denen er überrascht innehielt, zum Beispiel, als das Glas kaputtging. Was geht ihm da durch den Kopf?
Offenbar hat sich auch seine Einstellung Tieren gegenüber gewandelt. Peter macht einen Veränderungsprozess durch, den Rahel irgendwie nur auf das Sexuelle reduziert. Warum versucht sie nicht, Nähe auf der Erlebnisebene zu erreichen? Durch gemeinsames Spazieren, Schwimmen, Einkaufen, Lachen? Es gibt Ansätze, aber...

Wenn Peter wieder mit ihr schliefe, wäre alles in Ordnung, oder wie? Das ist doch ein "typisch männliches" Verhaltensmuster?
Interessant finde ich gerade, dass hier die gängigen Stereotype vertauscht werden. Allgemein wird ja eher den Frauen nachgesagt, dass sie sich sexuell zurückziehen. Hier ist es anders rum. Ich habe das Gefühl, dass da weit mehr hinter steckt.

Ansonsten kann ich mich euch nur anschließen: Bereits nach drei Sätzen war ich in der Geschichte angekommen.
 

kingofmusic

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Hm. Ich muss sagen, dieser Einstieg kommt mir insgesamt sehr konstruiert vor. Der Urlaub in den Bergen ist geplatzt. Das mit dem Brand kann passieren. Aber kaum einen Moment später ruft Ruth an und bittet darum, den Hof zu übernehmen. Das kann sie doch nicht verlangen. Rahel und Peter sind berufstätig und anderweitig eingebunden.... Konstruiert eben.
Sie nimmt an - aber klar hätte sie mit Peter sprechen müssen und sei es nur der guten Ordnung halber.
Sie haben doch Urlaub :cool:. Und hinter dem Titel steckt bestimmt noch mehr als der Brand im Ferienhaus.
 

Querleserin

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Wenn Peter wieder mit ihr schliefe, wäre alles in Ordnung, oder wie? Das ist doch ein "typisch männliches" Verhaltensmuster?
Interessant finde ich gerade, dass hier die gängigen Stereotype vertauscht werden
Damit entlarvt Krien auch die Stereotype. Für Rahel gehört der Sex zur Nähe dazu, ist wichtiger Bestandteil der Beziehung. Immerhin initiiert sie ein klärendes Gespräch, während er ihr aus dem Weg geht.
 

RuLeka

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Hm. Ich muss sagen, dieser Einstieg kommt mir insgesamt sehr konstruiert vor. Der Urlaub in den Bergen ist geplatzt. Das mit dem Brand kann passieren. Aber kaum einen Moment später ruft Ruth an und bittet darum, den Hof zu übernehmen.
Konstruiert, ja. So ein Zufall, aber auch.
. Warum versucht sie nicht, Nähe auf der Erlebnisebene zu erreichen? Durch gemeinsames Spazieren, Schwimmen, Einkaufen, Lachen?
Das frage ich mich auch. Erst das, dann kommt der Sex wieder von alleine. Jeder wurstelt tagsüber allein vor sich hin und dann soll dazwischen die große Leidenschaft auftauchen? Die sind doch keine Zwanzig mehr und frisch verliebt. Wie ich in einem späteren Absatz mal geschrieben habe ( damit spoiler ich nicht) , kann Rahel anscheinend Nähe nur über Sex herstellen, so kommt mir ihr Verhalten vor.
Das ist doch ein "typisch männliches" Verhaltensmuster?
Interessant finde ich gerade, dass hier die gängigen Stereotype vertauscht werden.
Das war auch schon in dem letzten Roman so. Die Frauen waren dort , bis auf eine Ausnahme, sexuell sehr aktiv.
 

Bibliomarie

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Vielleicht erwartet man von einem Dozenten an der Uni auch eine "Weltoffenheit", die er in der Situation nicht zeigt oder nicht zeigen kann. Rahel scheint da nicht nur auf Grund ihres Berufs anders gepolt zu sein.
Ich glaube nicht das es ihm grundsätzlich daran mangelt. Er hat ungeschickt reagiert, aber hätte Olivia P. nicht gleich ein Fass aufgemacht, sondern um Änderung gebeten, wäre das keiner Erwähnung wert.
 

Bibliomarie

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Peter macht einen Veränderungsprozess durch, den Rahel irgendwie nur auf das Sexuelle reduziert.
Rahel scheint das Sexuelle wichtiger zu sein als ihm. Erst vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über den sexuellen Rückzug von Männern gelesen, bei den Interviewten gab es viele Parallelen zu Peter. Vielleicht eine Folge der Verunsicherung der Männer durch den Wandel der Geschlechterrolle?
 

Renie

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Essen
renies-lesetagebuch.blogspot.de
Hier sind auch meine ersten Eindrücke zu diesem Buch.
Direkt bei den ersten Seiten muss ich schmunzeln. Peter und Rahel sind sicherlich über die Jahre zu einem eingespielten Team geworden. Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass die Autorin das Zusammenleben des Ehepaares zu einer zu perfekten kultivierten Ehe-Idylle arrangiert hat und sich gleichzeitig über soziokulturelle Errungenschaften unserer Gesellschaft lustig macht. Es finden sich viele Klischees, die mich ständig grinsen lassen. Akademiker-Ehepaar, Altbauwohnung, es wird Wein getrunken, HightechTrecking Material für einen Urlaub in den Bergen (fußstabilisierende Socken :D etc. etc. Vielleicht ist es auch einfach die Liebe zum Detail, die sich in Daniela Kriens Erzählweise finden lässt und bei mir diesen Eindruck hervorruft. Auf jeden Fall amüsiere ich mich köstlich.
Das Ehepaar ist in ihrer Ehe an einem Punkt angelangt, an dem es für die beiden nicht mehr weitergeht. Die Beiden sind gegensätzlich. Rahel gehört vermutlich zu den Frauen, die lange überleben müssen, wenn man sie nach ihrem Alter fragt - nicht aus Eitelkeit, sondern weil das Alter für sie nur eine Zahl ist. Sie scheint mit beiden Beinen im Leben zu stehen, ist aktiv und energiegeladen und erwartet noch einiges vom Leben. Wohingegen Peter derjenige ist, der sich "festgelebt" hat. Er hat einen Status erreicht, in dem es sich bequem leben lässt, Veränderungen sind irritierend und schwer zu handhaben für jemanden, der keine Energie aufbringen will, aus seiner eingelebten Komfortzone herauszukommen. Es ist doch alles gut so, wie es ist. Deshalb wird Peter mit dieser neumodischen Political Gendering Correctness völlig überfordert. Und dann noch Social Media. :rolleyes:

Eigentlich führen die Beiden eine ganz normale Ehe. Ich kenne viele Paare, die diese Aufteilung haben. Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. Die meisten scheint es nicht zu stören, sondern sie akzeptieren eher die Andersartigkeit des Partners und seine Macken. Doch bei Rahel und Peter sieht die Sache anders aus. Zumindest bei Rahel macht sich Widerwillen breit. Die Szene in der Peter akribisch sein Essen auf dem Teller arrangiert war lustig. Und ich schätze, dass dieser Moment, indem einen Ehepartner solche Macken nerven, obwohl er sich vielleicht tausende Male zuvor darüber amüsiert hat, derjenige Moment ist, an dem eine Beziehung den Bach runtergeht.

Rahel und Peter können also nicht mehr miteinander, was natürlich traurig und ernst ist. Aber trotz aller Ernsthaftigkeit sorgt Daniela Krien für Situationskomik: der Sturm auf die getrennten Zimmer, nachdem Ruth weg ist; Peter, der Pferdeflüsterer, der sich wie verrückt um die Viecher kümmert, damit er sich nicht mit Rahel beschäftigen muss; das Spinnennetz im Schambereich der Skulptur; Peter, den es nicht erregt, wenn sich ihm das Wild vor die Flinte legt.:)
 

Bibliomarie

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Die Szene in der Peter akribisch sein Essen auf dem Teller arrangiert war lustig. Und ich schätze, dass dieser Moment, indem einen Ehepartner solche Macken nerven, obwohl er sich vielleicht tausende Male zuvor darüber amüsiert hat, derjenige Moment ist, an dem eine Beziehung den Bach runtergeht.
Hat die Autorin sehr gut beobachtet und ist absolut aus dem Leben gegriffen.;)
 

wal.li

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1. Mai 2014
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Ich habe so den Eindruck Rahel und Peter haben sich auseinander gelebt. Sie haben gegenseitig Erwartungen, die der jeweils andere nicht erfüllen kann oder will. Und so haben sie sich nebeneinander eingerichtet. Das läuft ganz gut, aber es darf auch nichts dazwischen kommen.
Dieser Urlaub kommt dazwischen. Möglicherweise brechen dadurch die unterschwelligen Konflikte auf.
Peters Probleme mit dieser Person an der Uni sind glaube ich ein Zeichen der Zeit. Leider sind diese Nicht-Binären-Personen auf ihre Art genauso intolerant wie alle anderen. Ich glaube, Peter hat einfach nicht mit so einer Person gerechnet und war einfach über ihre überzogene Reaktion erschrocken. Dass sich das Ganze so aufbläht erinnert mich irgendwie an Wolfgang Thierse.
Es wäre schön, wenn alle Toleranz und Freundlichkeit pflegen würden.
Vielleicht ist es nicht so schlecht, dass der eigentlich geplante mit Markenausrüstung durchorganisierte Wanderurlaub ausgefallen ist.
 

milkysilvermoon

Bekanntes Mitglied
13. Oktober 2017
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Ich bin bisher wieder sehr angetan von Daniela Kriens Art zu schreiben. Mit wenigen Sätzen schafft sie es, mir die Figuren nahezu.bringen.

Ich kenne noch keinen Roman von der Autorin. Deshalb war ich auf ihre Schreibe gespannt, die mir bisher auch sehr zusagt.

Die Frage ist mir auch durch den Kopf gegangen. Aber wenn eine mütterliche Freundin, die mir immer zur Seite stand, in einer Notlage um Hilfe bittet, hätte ich auch nicht gezögert. Das wäre mir persönlich falsch vorgekommen.

Ich bin auch der Meinung, dass Rahel nicht „Nein“ sagen konnte. Schließlich war Ruth auch immer für sie da. Natürlich kann sie nicht über Peters Kopf hinweg entscheiden. Aber sie hätte auch ohne ihn fahren können, wenn es für ihn nicht okay gewesen wäre, oder? Sie zwingt ihn nicht mitzukommen.