1. Leseabschnitt: Beginn bis Seite 52

Literaturhexle

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2. April 2017
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Hier sprechen wir über den Einstieg in das Buch bis Seite 52 (der neue LA startet mit dem Satz: "Am 8. Dezember 1881 schieb Guy de Maupassant...").
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Dadurch, dass ich die Leserunde eingerichtet habe, bin ich etwas voraus und eröffne mal den Ring. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe. Irgendwas zwischen fiktionalisiertem biografischen Roman und Biografie vermutlich. Jetzt würde ich zu Letzterem tendieren, allerdings greift das zu kurz. Tatsächlich will Barnes uns eine ganze Epoche, die Belle Epoque des Frankreich zwischen 1871 und 1914, also zwischen zwei großen Kriegen, nahebringen.

Dreh- und Angelpunkt dafür könnte der Arzt Dr. Samuel Pozzi werden. Ganz sicher bin ich allerdings noch nicht. Auf den ersten 50 Seiten habe ich mehr über den Grafen Montesquiou und dessen Doppelgänger im Roman von Joris-Carl Huysmans "Gegen den Strich", der zu damaliger Zeit als skandalös und "Bibel der Dekadenz" galt, gelesen. Das allerdings auf höchst amüsante Weise: Sowohl die Dialoge aus dem Gerichtsprozess gegen Oscar Wilde, der den Roman in seinem eigenen Werk "Das Bildnis des Dorian Grey" verschenken ließ, als auch die Beschreibung der üppigen, skurrilen Wohnungseinrichtung des Grafen haben mir Spaß gemacht.

Barnes flutet uns mit Namen, Beziehungen, Kunstbezügen, historischen Begebenheiten...- da schlackern einem die Ohren.... Ich habe den ersten Teil deshalb gleich zweimal lesen müssen, um Struktur vor mein inneres Auge zu bringen. Ich fasse mal unverbindlich zusammen, was ich für wichtig erachte.

Sehr eloquent führt Barnes drei Männer unterschiedlichen Alters ein, die im Juni 1885 zusammen auf Einkaufstour in London gehen (wobei nicht nur Einkäufe im herkömmlichen Sinn, sondern auch im intellektuellen Bereich gemeint sind).
Über Graf Montesquiou habe ich oben schon einiges berichtet. Er ist ein Lebemann, ein Dandy und Connaisseur, der einen eigenwilligen Lebensstil pflegt und versteckt homosexuell sein soll. Er verfügt über eine Raritätensammlung, zu der auch eine Kugel gehört, die Puschkin getötet haben soll. Der Graf hat zahlreiche Kontakte, wurde sogar in jungen Jahren mit Flaubert bekannt gemacht.

Über den Prinz Edmond de Polignac wurde noch nicht viel gesagt: Er hat unerfüllte musikalische Ambitionen und gilt auch als heimlich homosexuell. Beide Männer sind von Adel und können sich ihren Wohlstand aufgrund ihrer Herkunft finanzieren. Wenigstens habe ich das so verstanden. Sollten die Adeligen nach der Revolution nicht entmachtet sein? Es wird deutlich, dass Beziehungen auch das haben verhindern können.

Pozzi ist der einzig Bürgerliche im Trio. Seine Lebensart scheint der der beiden anderen zu entsprechen, auch wenn Pozzi sein Geld als erfolgreicher Arzt teilweise selbst verdient. Er hat wichtige Förderer und ist Vermittler zwischen Wissenschaft und Kunst. Auch er gilt als Salonlöwe, der sich zahlreicher diskreter Liebschaften erfreut. Besonders erwähnt wird eine Beziehung mit der Schauspielerin Sarah Bernhardt, die in eine Jahrzehnte währende Freundschaft mündet. Seit 1879 ist Pozzi mit Therese Loth-Cazalis verheiratet. Ihr Vermögen scheint ihm den Lebensstil zu sichern. Ob er ihr nun treu ist, wissen wir noch nicht.

Möglicherweise haben Arzt und Graf sich kennengelernt, als letzterer sich gegen seine "Welkende Lebenskraft":D behandeln ließ. Seite 28/29 lesen sich zu diesem Thema sehr kurzweilig.

Neben der Vorstellung des Personals ist mir aufgefallen, dass Barnes immer wieder zeitgenössische Vergleiche zwischen Frankreich und England einbringt. Es scheint zahlreiche Vorurteile auf beiden Seiten zu geben: Die Pariserinnen sind vollkommen, die Engländerinnen hässlich und sexuell merkwürdig (was natürlich nur an den Männern liegen kann - das hat er Recht;))

Die französische Lebensart lässt Mätressen ausdrücklich zu, die Ehe findet nur im Hintergrund statt. Die Engländer sehen Frankreich auch deshalb als Quell von Schmutz und Schund, was sich auch in der moderneren Kunst/Literatur widerspiegelt.
Nach der kolonialen Vorherrschaft streben beide:
[zitat]und wie nicht anders zu erwarten, hielt jede Nation die eigene zivilisatorische Mission für zivilisierter als die der anderen. S.36[/zitat]
Erwähnt wird die Dreyfus-Affäre, die die Franzosen wohl jahrelang in einen Sumpf aus Antisemitismus und Korruption geführt hat. Lustig auch hier die Episode rund um das Expeditionscorps, wo Lord Kitchener eine kritische Situation entschärfte.

Julian Barnes muss für dieses Buch sehr viel recherchiert haben. Wenn ich die Flut an Namen mal ausblende, die mich zuweilen doch sehr gefordert hat, finde ich sehr viel Positives: Barnes kann einfach wunderbar formulieren. Viele der geschilderten Episoden verfügen über eine gehörige Portion Humor. Manches wirkt für uns heute allerdings sehr überzogen in dieser Welt der Reichen und Schönen.

Ich bin neugierig, ob nun ein Großteil der relevanten Personen vorgestellt wurde oder ob es weiterhin viel zu recherchieren gibt. Auf alle Fälle ist es gut, dieses Buch gemeinsam zu lesen. Interessant ist es allemal!
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Dadurch, dass ich die Leserunde eingerichtet habe, bin ich etwas voraus und eröffne mal den Ring. Ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe. Irgendwas zwischen fiktionalisiertem biografischen Roman und Biografie vermutlich. Jetzt würde ich zu Letzterem tendieren, allerdings greift das zu kurz. Tatsächlich will Barnes uns eine ganze Epoche, die Belle Epoque des Frankreich zwischen 1871 und 1914, also zwischen zwei großen Kriegen, nahebringen.

Dreh- und Angelpunkt dafür könnte der Arzt Dr. Samuel Pozzi werden. Ganz sicher bin ich allerdings noch nicht. Auf den ersten 50 Seiten habe ich mehr über den Grafen Montesquiou und dessen Doppelgänger im Roman von Joris-Carl Huysmans "Gegen den Strich", der zu damaliger Zeit als skandalös und "Bibel der Dekadenz" galt, gelesen. Das allerdings auf höchst amüsante Weise: Sowohl die Dialoge aus dem Gerichtsprozess gegen Oscar Wilde, der den Roman in seinem eigenen Werk "Das Bildnis des Dorian Grey" verschenken ließ, als auch die Beschreibung der üppigen, skurrilen Wohnungseinrichtung des Grafen haben mir Spaß gemacht.

Barnes flutet uns mit Namen, Beziehungen, Kunstbezügen, historischen Begebenheiten...- da schlackern einem die Ohren.... Ich habe den ersten Teil deshalb gleich zweimal lesen müssen, um Struktur vor mein inneres Auge zu bringen. Ich fasse mal unverbindlich zusammen, was ich für wichtig erachte.

Sehr eloquent führt Barnes drei Männer unterschiedlichen Alters ein, die im Juni 1885 zusammen auf Einkaufstour in London gehen (wobei nicht nur Einkäufe im herkömmlichen Sinn, sondern auch im intellektuellen Bereich gemeint sind).
Über Graf Montesquiou habe ich oben schon einiges berichtet. Er ist ein Lebemann, ein Dandy und Connaisseur, der einen eigenwilligen Lebensstil pflegt und versteckt homosexuell sein soll. Er verfügt über eine Raritätensammlung, zu der auch eine Kugel gehört, die Puschkin getötet haben soll. Der Graf hat zahlreiche Kontakte, wurde sogar in jungen Jahren mit Flaubert bekannt gemacht.

Über den Prinz Edmond de Polignac wurde noch nicht viel gesagt: Er hat unerfüllte musikalische Ambitionen und gilt auch als heimlich homosexuell. Beide Männer sind von Adel und können sich ihren Wohlstand aufgrund ihrer Herkunft finanzieren. Wenigstens habe ich das so verstanden. Sollten die Adeligen nach der Revolution nicht entmachtet sein? Es wird deutlich, dass Beziehungen auch das haben verhindern können.

Pozzi ist der einzig Bürgerliche im Trio. Seine Lebensart scheint der der beiden anderen zu entsprechen, auch wenn Pozzi sein Geld als erfolgreicher Arzt teilweise selbst verdient. Er hat wichtige Förderer und ist Vermittler zwischen Wissenschaft und Kunst. Auch er gilt als Salonlöwe, der sich zahlreicher diskreter Liebschaften erfreut. Besonders erwähnt wird eine Beziehung mit der Schauspielerin Sarah Bernhardt, die in eine Jahrzehnte währende Freundschaft mündet. Seit 1879 ist Pozzi mit Therese Loth-Cazalis verheiratet. Ihr Vermögen scheint ihm den Lebensstil zu sichern. Ob er ihr nun treu ist, wissen wir noch nicht.

Möglicherweise haben Arzt und Graf sich kennengelernt, als letzterer sich gegen seine "Welkende Lebenskraft":D behandeln ließ. Seite 28/29 lesen sich zu diesem Thema sehr kurzweilig.

Neben der Vorstellung des Personals ist mir aufgefallen, dass Barnes immer wieder zeitgenössische Vergleiche zwischen Frankreich und England einbringt. Es scheint zahlreiche Vorurteile auf beiden Seiten zu geben: Die Pariserinnen sind vollkommen, die Engländerinnen hässlich und sexuell merkwürdig (was natürlich nur an den Männern liegen kann - das hat er Recht;))

Die französische Lebensart lässt Mätressen ausdrücklich zu, die Ehe findet nur im Hintergrund statt. Die Engländer sehen Frankreich auch deshalb als Quell von Schmutz und Schund, was sich auch in der moderneren Kunst/Literatur widerspiegelt.
Nach der kolonialen Vorherrschaft streben beide:
[zitat]und wie nicht anders zu erwarten, hielt jede Nation die eigene zivilisatorische Mission für zivilisierter als die der anderen. S.36[/zitat]
Erwähnt wird die Dreyfus-Affäre, die die Franzosen wohl jahrelang in einen Sumpf aus Antisemitismus und Korruption geführt hat. Lustig auch hier die Episode rund um das Expeditionscorps, wo Lord Kitchener eine kritische Situation entschärfte.

Julian Barnes muss für dieses Buch sehr viel recherchiert haben. Wenn ich die Flut an Namen mal ausblende, die mich zuweilen doch sehr gefordert hat, finde ich sehr viel Positives: Barnes kann einfach wunderbar formulieren. Viele der geschilderten Episoden verfügen über eine gehörige Portion Humor. Manches wirkt für uns heute allerdings sehr überzogen in dieser Welt der Reichen und Schönen.

Ich bin neugierig, ob nun ein Großteil der relevanten Personen vorgestellt wurde oder ob es weiterhin viel zu recherchieren gibt. Auf alle Fälle ist es gut, dieses Buch gemeinsam zu lesen. Interessant ist es allemal!
Großartig, wie Du das zusammengefasst hast.
Ich bin noch nicht durch mit dem Abschnitt, trotzdem kann ich jetzt schon sagen, dass wir um einiges gebildeter aus der Leserunde herausgehen.
Die Lektüre ist fordernd, allein schon aufgrund der vielen Namen und Informationen. Doch Barnes Art zu schreiben, hält einem bei der Stange.
Schon die erste Seite ist genial. Womit fängt man ein Buch an? Mit einem bestimmten Ereignis oder wählt man ein anderes aus? Wie weit muss man zurückgehen?
Neben der Vorstellung des Personals ist mir aufgefallen, dass Barnes immer wieder zeitgenössische Vergleiche zwischen Frankreich und England einbringt
Barnes ist ein großer Frankreich-Kenner und- Liebhaber, das ist auch hier wieder ersichtlich . Die Unterschiede zwischen Engländern und Franzosen lesen sich amüsant und es gibt sicherlich nicht nur im sexuellen Bereich Differenzen.
Auf alle Fälle ist es gut, dieses Buch gemeinsam zu lesen. Interessant ist es allemal!
Da stimme ich Dir zu, bei beidem.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Schon die erste Seite ist genial. Womit fängt man ein Buch an? Mit einem bestimmten Ereignis oder wählt man ein anderes aus?
Ja. Das hat er wunderbar gemacht. Zumal ich sicher bin, dass die anderen Ereignisse auch noch Zuwendung bekommen. Eine Kugel tauchte zum Beispiel schon zweimal auf. Einmal die im Bauchraum wandernde, dann die, die Puschkin getötet haben soll. Barnes überlässt nichts dem Zufall. Das Buch liest sich nicht einfach weg, aber es lohnt sich. Davon bin ich auch überzeugt.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Ich bin ja ein großer Fan von Literatur, die sich an Bildern quasi festmacht, und deshalb schon jetzt ein Fan des Buches. Sargents Bild ist einfach hinreißend. (In diesem Zusammenhang fiel mir übrigens Fleetwood Macs "Rumours" ein, von dem in der Leserunde mit "Noch alle Zeit" die Rede war. Auf dem Cover hat Mick Fleetwood auch so eine Art Troddeln vorne an der Hose herunterhängen - wir (meine Tochter und ich) haben uns noch darüber lustig gemacht, als ich die Platte raussuchte.)
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Bin bisher nur bis zur Seite 18 gekommen. Die drei Herren auf Einkaufstour, eine illustre Vorstellung. Viele große Größen fanden bereits Erwähnung, wenn sie auch mit der Handlung teilweise nur wenig zutun haben.
Die Beschreibung eines Gemäldes, welches einen Mann im roten Mantel zeigt, war interssant, da ich sicher nicht auf so viele verschiedene Facetten geachtet hätte, mir auch nicht so viele Gedanken über solche Details gemacht hätte.
Ansonsten muss ich ehrlich gestehen, dass ich mich momentan ein wenig erschlagen fühle. Ich hoffe, das gibt sich im weiteren Verlauf des Buches. Denke, es liegt daran, dass mir nichts von dem wirklich geläufig ist. Habe das Gefühl mir alles hart erkämpfen zu müssen. Dieser Arnes ist so ganz anders, als das, was ich von ihm kenne. Dies war mir natürlich bewusst, bevor ich mich zur Leserunde angemeldet habe, bin dennoch gespannt, ob mich das Buch noch packen kann. Aber ich gebe nicht auf, nicht nach den wenigen Seiten:D
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
ich dachte, wir fangen heute erst an? Irrtum?

Was sind das für Köpfe "da oben?" Verstorbene Leser? Präsidenten? Vorsitzende von Leseclubs?
 

Emswashed

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9. Mai 2020
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Woher kennst du meinen Nickname?

Gratulation: In zwei Minuten einen ganzen LA gelesen!

Aber sie MUSSTE doch vorlesen, sonst hätte sie keine vernünftige Einteilung machen können.

Nachdem ich gestern Abend dann noch meine Schnipsel für die Abschnitte ins Buch geklebt habe, dachte ich, jau, das ist leicht zu schaffen. Dann habe ich das Buch mit ins Bett genommen und bin erst einmal völlig in den Bildern versunken.
Die Umschlaggestaltung zeigt ja nur einen Ausschnitt des Gemäldes im Buch und ja, ich bin auch sofort an den Fingern hängengeblieben. Die sehen schon sehr weiblich aus.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Umschlaggestaltung zeigt ja nur einen Ausschnitt des Gemäldes im Buch und ja, ich bin auch sofort an den Fingern hängengeblieben.
Ja. Das Buch ist außergewöhnlich schön gestaltet- bis hin zum verwendeten Papier.
Man sollte es genießen, hier und da vertiefen. Bis jetzt gelingt Barnes die Kombination aus Wissensvermittlung und Leichtigkeit gut, will mir scheinen. Hast du schon den Link über das Bild im Vertiefungsabschnitt entdeckt? Sehr spannend. Wie aus der Betrachtung eines Gemäldes ein ganzes Buch entstehen kann:)
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ja. Das Buch ist außergewöhnlich schön gestaltet- bis hin zum verwendeten Papier.
Man sollte es genießen, hier und da vertiefen. Bis jetzt gelingt Barnes die Kombination aus Wissensvermittlung und Leichtigkeit gut, will mir scheinen. Hast du schon den Link über das Bild im Vertiefungsabschnitt entdeckt? Sehr spannend. Wie aus der Betrachtung eines Gemäldes ein ganzes Buch entstehen kann:)

Ich habe mir zu Weihnachten "Kunst sehen" von Julian Barnes gekauft, da dreht es sich nur um Bildbetrachtung. Bisher habe ich nur hineingeschnuppert, aber auch in seinem Buch "Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln" verbreitet er sich eingehend über ein Bild, "Das Floß der Medusa" von Théodore Géricault. Er macht das sehr kenntnisreich, aber auch locker und humorvoll, so dass man Spaß beim Lesen hat. Ich mag solche Bücher immer gerne. :reader5
 

Querleserin

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30. Dezember 2015
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Wadern
querleserin.blogspot.com
Auch ich habe schon etwas vorgelesen, da ich die Woche über abends immer so müde bin.
Dass der Roman (?), ist es überhaupt einer, eher nicht, sehr fordernd ist, wurde schon gesagt. Ein Faible für Sarah Bernhardt scheint Barnes zu haben, in seinen Betrachtungen "Lebensstufen" kommt sie auch schon vor.

Schon die erste Seite ist genial. Womit fängt man ein Buch an? Mit einem bestimmten Ereignis oder wählt man ein anderes aus? Wie weit muss man zurückgehen?
Die verschiedenen Erzählanfänge fand ich auch interessant.
1. "Im Juni 1885 kamen drei Franzosen in London an." (7)
Die Hauptfiguren werden erwähnt, die Verbindung zwischen Frankreich und England gezogen und wir sind direkt in der Zeit verortet und wissen warum sie dorthin gereist sind. Klassischer Einstieg in einen Bericht ;)
2. Eine Erzähllinie bildet der Roman "Gegen den Strich", wie @Literaturhexle bereits ausgeführt hat. Auch hier gibt es eine Verbindung zwischen Frankreich, dem Entstehungsort des Romans, und England, da dieser Roman in Oscar Wildes "englischer Variante" vorkommt. Auch Oscar Wilde taucht immer wieder auf, Bezüge zum Grafen werden gezogen.
3. Die Kugel - auch das scheint ein Leitmotiv zu sein. Eine Kugel, die Puschkin getötet haben soll, ist im Besitz des Grafen Montesquiou. Gleichzeitig verweist die Kugel auch auf die Duelle, deren Beschreibung später noch Raum einnimmt (2.LA).
4. Da ist mir der Zusammenhang noch nicht klar, wird damit auf Pozzis Beruf angespielt?
5. Auch beim 5. Erzählanfang sehe ich noch keinen Zusammenhang, meint Barnes sich selbst?
6. Das Bildnis, auf dem Pozzi zu sehen ist, und das Barnes uns so wunderbar näher bringt.

Den Rest des LA hat @Literaturhexle präzise zusammengefasst, und das ist bei dieser scheinbar assoziativen Darstellung der Belle Époque mit Pozzi und dem Grafen im Mittelpunkt eine echte Herausforderung. Keine leichte, aber eine sehr interessante Kost.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Zwei der verschiedenen politischen Skandale in Frankreich, die Barnes anspricht, wurden von Emile Zola literarisch "verwurstet": der Panama-Korruptionsskandal in seinem Roman "Paris" (1898) und die Dreyfus-Affäre in "Wahrheit" (1903). Ersterer ist auch heute noch lesenswert, sogar richtig dramatisch, ich erinnere mich an mehrere ungewöhnliche Wendungen - es gibt u.a. einen Bombenanschlag auf die Basilika Sacré-Coeur. "Wahrheit" ist m.W. Zolas letzter vollendeter Roman und, soweit ich mich erinnere, ziemlich langweilig. Es ist aber lange her, dass ich den Kram gelesen habe ...
 

Yolande

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13. Februar 2020
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Zwei der verschiedenen politischen Skandale in Frankreich, die Barnes anspricht, wurden von Emile Zola literarisch "verwurstet": der Panama-Korruptionsskandal in seinem Roman "Paris" (1898) und die Dreyfus-Affäre in "Wahrheit" (1903). Ersterer ist auch heute noch lesenswert, sogar richtig dramatisch, ich erinnere mich an mehrere ungewöhnliche Wendungen - es gibt u.a. einen Bombenanschlag auf die Basilika Sacré-Coeur. "Wahrheit" ist m.W. Zolas letzter vollendeter Roman und, soweit ich mich erinnere, ziemlich langweilig. Es ist aber lange her, dass ich den Kram gelesen habe ...
Über die Dreyfus-Affäre habe ich den nicht unbedingt intellektuellen, aber sehr interessanten und spannenden Roman "Intrige" von Robert Harris gelesen. Uff, wenigstens in einer Beziehung war ich informiert :cool:
 

Yolande

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13. Februar 2020
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Fordernd ist schon der richtige Ausdruck für dieses Buch, aber Barnes schafft es mit seinem amüsanten Unterton, das Interesse wachzuhalten. Vielleicht wäre ich sonst doch zwischendurch mal weggenickt :confused:;). ich habe das Gefühl, das doch einiges an Hintergrundwissen vorausgesetzt wird, mal sehen, wie ich mich hier schlage. Aber es gefällt mir eigentlich ganz gut, die Vergleiche zwischen Engländern und Franzosen sind köstlich und die ausgewählten Anekdoten sind richtig ansprechend. Wenn ich mir so was gut merken könnte, wäre ich auf mancher Party ein echter Star :D:p.