"Worüber sie weinte, wusste sie nicht, und genau deshalb erschien ihr alles so traurig. Haus, Himmel, Baum, Wolken ... alles war für diese Trauer bestimmt. Natürlich auch sie. Dass es bestimmt war - dass alles fertig und durch nichts zu ändern war -, daher kam wohl diese alles umfassende Trauer." (S. 18)
Ich tue mich normal schwer mit solchen Texten, in denen die Trauer sich selbst füttert und man gar keinen Grund mehr braucht, traurig zu sein, außer dem, dass man eben traurig ist. Aber die Art, wie die Autorin diese Trauer beschreibt, ist anders, als ich das aus Texten über Depressionen Erwachsener kenne. Da liest man dann (oder hat es vielleicht auch selbst so erlebt), dass alles grau und leblos erscheint. Für Leena dagegen ist die Trauer ein lebendiger, sogar manchmal "schöner" Zustand. Die Trauer wird im Regen schön und verwandelt sich in ein eigenes Lied (S.18). Nach meinem Gefühl ist Leena kein "depressives" Kind. Sie hat eine andere Grundstimmung als andere Kinder, von Grund auf einsam, aber ihre Einsamkeit ist mit ihren eigenen Schöpfungen bevölkert. Ich weiß nicht, ob es für einen solchen Zustand eine Bezeichnung gibt; vielleicht ist es eine Form von Autismus, dass sie einfach für sich sein will.
Schlimm ist die Einschätzung dieser grottigen Lehrerin. Da hört sie, dass Leena sich selbst Lesen und Schreiben beigebracht hat, und schreibt gleich danach auf den Zettel an die Oma, Leena sei faul und starrsinnig. Geht's noch? Wie ist diese Frau Lehrerin geworden?
Leenas Trauer schwindet, weil sie nun eine andere Aufgabe hat: "die Lehrerin hassen". Ihre Trauer schwindet, weil nun die Depression kommt, in dem Sinn, wie wir es aus gängigen Redenarten kennen: "aschfahle Tage, darunter seltene Farbtupfer, doch auch diese hatten für sie keinerlei Bedeutung. Die einzige Sache, die Bedeutung hatte, war der Tod" (S.48)
Für ein Kind von neun Jahren hört sich das furchtbar an. Aber - ich glaube nicht mal, dass das so ungewöhnlich ist. Man hat solche Zustände als Erwachsene(r) halt vergessen und erzählt, wie glücklich die Kindheit gewesen sei.