Zunächst einmal bin ich sehr positiv in den Roman gestartet. Das Vorgeplänkel (vorausgestelltes Zitat, Am Anfang, Ein Junge) hat auf angenehme Weise geheimnisvoll und wohlformuliert begonnen. Es geht um Stimmen. Um die Stimmen der Dinge. Der Dinge, die mit Benji sprechen.
Dann wird es ernst. Benny hörte auf zu wachsen, seine Mutter beginnt zuzunehmen, am Tag, als der Vater stirbt. Heavy, die Trauer muss immens sein, sie macht etwas mit den beiden. Der Vater war Musiker. Offenbar trank er gern und nahm Drogen - sein Tod wirkt seltsam skurril mit dem umherflatternden Federvieh. Trotzdem gehen diese Abschiedszenen unter die Haut. Man kann sich sehr gut in Benny hineinfühlen. Zunächst vermutete ich, dass die rufende Vaterstimme nur in seinem Gedächtnis zu hören war. Doch sie nehmen zu und sprechen weiter mit ihm. So stark, dass es ihn völlig konfus macht.
Die relativ monotone Schnippelarbeit Annabelles wird geschildert, man spürt schnell, dass sie ein auslaufendes Modell ist. Die Mutter ist sowieso ziemlich unorganisiert. Außerdem behandelt sie Benny wie ein kleines Kind. Ein 13-jähriger kann locker alleine zu Hause sein und wird das nicht als Vertrauensbeweis sehen
Sprachliche Schwierigkeiten bekam ich ab Seite 45. Die Liebesgeschichte der Eltern wird dermaßen mit Adjektiven überladen und süßlich erzählt... Puh! Ich hatte das Gefühl, mit einem Mal ein anderes Buch zu lesen. Die Liebesszene ganz schlimm:
...im abgedunkelten Schlafzimmer...ihre runden, weißen Schultern...wie ein Gemälde... verlieh der cremfarbenen Haut einen permuttartigen Schimmer... Botticellis Venus.... wunderschön....liebliches Gesicht... Bella... schicksalhafte Bestimmung
Ihr wisst, was ich meine. Es trieft und wird relativ dick aufgetragen. Wahrscheinlich um das Ehe- und Liebesglück auszumalen, das nun so tragisch zerbrach. Ganz nebenbei wird dann der sexuelle Missbrauch durch den Stiefvater erwähnt und wieder zur Seite gewischt. Ich bin gespannt, ob der noch Bedeutung bekommt.
Bennys Perspektive ist zum Glück weit angenehmer im Ton. Der erste feuchte Traum gehört wohl im Entwicklungsroman dazu. Das Gesicht des schönsten Mädchens von der Welt - nun ja. Immerhin ist der Junge 13 und nicht 9 wie in vielen Männerfantasien beschrieben.
Danach werden wir in die leise Last der Dinge eingeführt. Zu viele Dinge zu besitzen kann belastend sein. Bennys Mutter hat einen Hang zum Sammeln und Zumüllen. Mit Benny sprechen die Sachen im Chor, was ihn sehr belastet. Im Bastelladen macht sich ein Buch selbständig. Es heißt "Tidy Magic" und ist auf dem wunderschönen Cover abgebildet -es hat also Bedeutung.
Die Szene am Container verstehe ich noch nicht. Auf jeden Fall bringt sie ein Quietscheentchen hervor.
Ich mag die Figuren, auch das Skurrile passt noch. Mutter und Sohn leben sehr abgeschieden, haben offenbar kaum Freunde. Annabelle verliert nun wohl auch ihre Arbeit. Beide vermissen Kenny. Das Buch ist trotzdem nicht tieftraurig. Es hat einen eher leichten Ton. Ich bin mal gespannt, wo es uns hinführt.