1. Leseabschnitt: Anfang bis S. 70

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich habe gestern Abend die ersten 70 Seiten gelesen. Der Roman ist bis jetzt anders als ich erwartet habe. Ich hatte mit einer etwas warmherzigeren Geschichte gerechnet. Der Schreibstil kommt relativ nüchtern rüber. Alexander ist außerdem gerade am Anfang abweisend und wirkte auf mich richtig unsympathisch. Und Tatjana hingegen ist recht penetrant und aufdringlich. Ich denke, dass wir nach und nach noch das Verhalten der beiden besser verstehen werden. Erst einmal war ich jedoch überrascht, wie die Geschichte beginnt.

Ich fand das Ganze auch zunächst etwas schwierig zu verfolgen, weil sich Passagen mit einem längeren Monlog mit solchen abwechseln, in denen aus der Ich-Perspektive einiges zusammengefasst wird. Das geht manchmal ziemlich übergangslos vonstatten.

Man merkt allerdings schon, dass sich das Motiv der roten Kreuze wohl durchs ganze Buch ziehen wird. Das gefällt mir sehr gut.

Ich glaube, dass Tatjana noch mit einigen Erinnerungen um die Ecke kommen wird, die es in sich haben. Deshalb bin ich gespannt, wie es weitergeht.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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Ich hatte mit einer etwas warmherzigeren Geschichte gerechnet. Der Schreibstil kommt relativ nüchtern rüber. Alexander ist außerdem gerade am Anfang abweisend und wirkte auf mich richtig unsympathisch. Und Tatjana hingegen ist recht penetrant und aufdringlich.
Das geht mir auch so. Mir hat der Anfang bisher nicht so besonders gefallen, ich kann auch noch keinen Erzählfluss erkennen. Allerdings habe ich auch noch nicht den ganzen Abschnitt gelesen. Vielleicht wird's ja noch!
 
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Reaktionen: KrimiElse

Amena25

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23. Oktober 2016
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Ich fand das Ganze auch zunächst etwas schwierig zu verfolgen, weil sich Passagen mit einem längeren Monlog mit solchen abwechseln, in denen aus der Ich-Perspektive einiges zusammengefasst wird. Das geht manchmal ziemlich übergangslos vonstatten.
Das stört mich auch. Die Abschnitte sind teilweise zu kurz, als dass man sich in eine Figur hineindenken könnte. Der Perpektivwechsel ist stellenweise sehr abrupt, für mich ergibt sich leider immer noch kein Erzählfluss. Alexanders Leben und seine Krise scheint mir noch sehr rätselhaft. Mit Tatjana wird man so langsam warm, aber mitreißend finde ich es leider noch nicht.
 
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parden

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13. April 2014
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Auch ich habe mich mit dem Einstieg in den Roman etwas schwer getan. Sehr abrupt wie ein Sprung ins kalte Wasser war das und wirkte etwas bemüht - wie Tatjana den neuen Nachbarn in ihre Wohnung lotste / nötigte. Heißt der nun Alexander oder Sasha? Beides taucht im Text auf.

Warmherzig ist die Erzählung wirklich nicht, sehr sprunghaft kommt sie daher, und auch ich habe zuweilen Mühe, den Sprüngen zu folgen. Aber man kommt allmählich ein wenig in Tatjanas Leben an und bekommt auch einen Blick auf das historische Geschehen. "Eine Biografie der Angst" nennt Tatjana ihr Leben, da wird sicher noch einiges folgen. Bislang war sie ja eher naiv und optimistisch...
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Heißt der nun Alexander oder Sasha? Beides taucht im Text auf.
Das Namensthema bildet in russischer Literatur immer wieder eine Verständnishürde für Ausländer. Zur Aufklärung: Sascha ist die Kurz-/Koseform von Alexander und Russen legen sich nicht so eindeutig auf eine Gleichbleibende Verwendung des Namens fest wie Wir das tun. Da wird jemand einmal Alexander, einmal Sascha, oder einmal Tatjana, einmal Tanja genannt. Und immer ist es die gleiche Person.
 

parden

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13. April 2014
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Das Namensthema bildet in russischer Literatur immer wieder eine Verständnishürde für Ausländer. Zur Aufklärung: Sascha ist die Kurz-/Koseform von Alexander und Russen legen sich nicht so eindeutig auf eine Gleichbleibende Verwendung des Namens fest wie Wir das tun. Da wird jemand einmal Alexander, einmal Sascha, oder einmal Tatjana, einmal Tanja genannt. Und immer ist es die gleiche Person.
Oh, vielen Dank für die Erläuterung. :) Das muss ja zu Verwirrungen führen... Ich dachte schon, der Autor hätte sich selbst aus Versehen in den Text geschrieben... ;)
 

kingofmusic

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30. Oktober 2018
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Ich hatte auch anfangs Mühe, den Sprüngen zu folgen. Mittlerweile bin ich aber "angekommen" und weiß den Roman zu nehmen. Interessant finde ich die zitierten Originaldokumente, die mir schon die ein oder anderen Schauer beschert haben.
Was es allerdings mit dem Gedicht über das "wandernde Haus" auf sich hat, hab ich nicht ganz verstanden :confused:...
 

Literaturhexle

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An sich hatte ich mit dem Einstieg keine Probleme. Der neue Mieter Alexander ist völlig entkräftet in der neuen Wohnung gestrandet und man spürt, dass er zunächst einfach keinen Nerv auf Plaudereien hat.
Gerade auf Seite 9 sind einige Sätze, die zeigen, dass auch er mindestens einen schweren Bruch im Leben erlitten hat.

Allerdings finde ich das intensive, schnelle Zusammenkommen der beiden auch recht bemüht, wie oben schon erwähnt wurde. Aber sei es drum: Tatjana kommt ins Erzählen und was sie erzählt, liest sich ungemein spannend. Ihre Kindheit in London, der Umzug nach der Revolution in die Sowjetunion aufgrund des Idealismus ihres Vaters, dann wieder in die Schweiz... Ein bewegtes Leben.

Was die kleine italienische Liebesgeschichte dort verloren hat, ist mir noch nicht so ganz klar. Die Liebesnacht wurde durch einen Rotzbrocken verhindert - auf solche Komik kann ich verzichten.

Als Sekretärin stand sie mitten im Machtgefüge. Hat Vieles mitbekommen: die "Säuberungen", den Weg in den Krieg. Absolut spannend, diesen wieder aufgefrischt zu bekommen. Totalitäre Regierungen sind einfach verlogen und unkalkulierbar. Das galt damals und gilt (leider) noch heute.

Die roten Kreuze tauchen wiederholt auf. Es scheint da ja auch um die Vorgänger des heutigen Roten Kreuzes zu gehen? Wenigstens schließe ich das aus den Dokumenten, wo es um Versorgung/Austausch von Verwundeten und Gefangenen geht. Allerdings nicht nur. Möglicherweise hatten die roten Kreuze auch eine andere (verdeckte) Funktion.

Der Mieter lauscht dieser Geschichte auch ganz gebannt. Werden sich Parallelen zu seinem eigenen Leben auftun?
 

Literaturhexle

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Was es allerdings mit dem Gedicht über das "wandernde Haus" auf sich hat, hab ich nicht ganz verstanden :confused:...
Ich bin leider auch kein Experte für Poesie.
Ich schließe aus dem nachfolgenden Satz, dass es sich um eine metaphorische Bearbeitung der vielen Festnahmen und Morde handelt. Verbunden mit dem Glauben, dass "das Gute" nicht untergeht.
Wie gesagt, sehr vage ;)
Aber ich fand das Gedicht ansprechend. Sehr (kinder-)leicht zu lesen steckt tiefere Bedeutung in den Zeilen.
 

Renie

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Ich hatte mit einer etwas warmherzigeren Geschichte gerechnet. Der Schreibstil kommt relativ nüchtern rüber. Alexander ist außerdem gerade am Anfang abweisend und wirkte auf mich richtig unsympathisch. Und Tatjana hingegen ist recht penetrant und aufdringlich. I
Ganz so habe ich die Beiden nicht wahrgenommen.
Sashas abweisendes Verhalten ist für mich ein Stück weit verständlich: er scheint eine schwere Zeit durchgemacht zu haben und will zur Ruhe kommen. Da will man sich nicht direkt mit den Nachbarn verbrüdern. Ihm ist nicht nach Smalltalk. Daher versucht er möglichst höflich aus der Kennenlernsituation herauszukommen. Nur leider hat er nicht mit der resoluten Tanja gerechnet, die seine Ablehnung stur ignoriert.
Und Tanja hat Gesprächsbedarf. Wer weiß, wie lange sie schon keinen zum Quatschen hatte. Hinzu kommt die Alzheimer-Erkrankung, die schon die ersten Symptome zeigt. Und damit Tanjas Geschichte mit Fortschreiten der Erkrankung nicht in Vergessenheit gerät, sucht sie sich Leute, denen sie ihre Geschichte erzählen kann. Sasha ist einer von diesen Leuten. Aus seiner Sicht war er wohl zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber tatsächlich beisst er an. Sein Interesse steigt zumindest mit Fortschreiten von Tanjas Erzählung.
Irgendwie musste ich bei dem Aufeinandertreffen der Beiden grinsen. Sie gehen ja auch nicht zimperlich miteinander um. Wie war der Spruch von Sasha? "Ich dachte, Sie haben Alzheimer. Jetzt sind Sie auch noch taub." ...(oder so ähnlich)
Ok, warmherzig ist anders, @milkysilvermoon . Unterkühlt ist der Umgang der Beiden aber auch nicht. Ich schlage daher "lauwarmherzig" vor.:D
 

milkysilvermoon

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Die Liebesnacht wurde durch einen Rotzbrocken verhindert - auf solche Komik kann ich verzichten.

Diese Episode fand ich auch etwas überflüssig und mir hat sich nicht erschlossen, warum sie das erzählt.

Ganz so habe ich die Beiden nicht wahrgenommen.
Sashas abweisendes Verhalten ist für mich ein Stück weit verständlich: er scheint eine schwere Zeit durchgemacht zu haben und will zur Ruhe kommen. Da will man sich nicht direkt mit den Nachbarn verbrüdern. Ihm ist nicht nach Smalltalk. Daher versucht er möglichst höflich aus der Kennenlernsituation herauszukommen. Nur leider hat er nicht mit der resoluten Tanja gerechnet, die seine Ablehnung stur ignoriert.
Und Tanja hat Gesprächsbedarf. Wer weiß, wie lange sie schon keinen zum Quatschen hatte. Hinzu kommt die Alzheimer-Erkrankung, die schon die ersten Symptome zeigt. Und damit Tanjas Geschichte mit Fortschreiten der Erkrankung nicht in Vergessenheit gerät, sucht sie sich Leute, denen sie ihre Geschichte erzählen kann. Sasha ist einer von diesen Leuten. Aus seiner Sicht war er wohl zur falschen Zeit am falschen Ort.

Da stimme ich dir völlig zu. Ich hatte ja auch geschrieben, dass man ihr Verhalten später sicher besser versteht. Aber zunächst ist es ja so, dass sich Sascha recht unhöflich gibt, wobei ich da vor allem seinen Ton meine. Dass er Tatjana abwimmeln will, ist in Ordnung. Aber er reagiert eben auch recht ungehalten. Und Tatjana drängt sich ihm auf, obwohl sie merkt, dass er weder Zeit noch Nerv für ein solches Gespräch hat. Beide Verhaltensweisen sind verständlich, aber nicht wirklich herzlich. ;)
 

kingofmusic

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Was die kleine italienische Liebesgeschichte dort verloren hat, ist mir noch nicht so ganz klar. Die Liebesnacht wurde durch einen Rotzbrocken verhindert - auf solche Komik kann ich verzichten.
Na ja, als "Komik" würde ich das jetzt auch nicht bezeichnen. Aber wie Monika Helfer in "Die Bagage" erzählt: „Eine Ordnung in die Erinnerung zu bringen – wäre das nicht eine Lüge? Eine Lüge insofern, weil ich vorspielen würde, so eine Ordnung existiere.“ Ich glaube für einen Menschen mit Alzheimer ist es ganz schwer, wichtige von unwichtigen "Ereignissen" zu trennen. Manches ist dann vielleicht unfreiwillig "komisch", aber für sie (die an Alzheimer erkrankten Menschen) in dem Moment, wo sie es erzählen, eine wichtige Information, die sie mit anderen Menschen teilen wollen/ müssen...
 

Literaturhexle

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Ich glaube für einen Menschen mit Alzheimer ist es ganz schwer, wichtige von unwichtigen "Ereignissen" zu trennen.
Da hast du unbedingt recht.
Allerdings sind die Erzählungen Tanjas dermaßen akribisch und logisch aufgebaut, dass ich an den Alzheimer nicht richtig glauben kann. Bei beginnender Alzheimer Demenz leidet nur das Kurzzeitgedächtnis, ja. Doch das hat sie auch noch: sie wusste sehr wohl, dass Alexander eine Frage bereits zum zweiten Mal stellte....
Also Alzheimer verkauft sich heute in der Literatur gut, aber ich kann bis jetzt nur leichte Altersschusseligkeit sehen :D

Allerdings kann es sein, dass der Rotzklumpen für sie selbst sehr wichtig war. Vielleicht hat sie den Italiener auch nicht richtig geliebt. Sie ist ihm ja absichtlich aus dem Weg gegangen nach der Episode. Vielleicht bekommt das Geschichtchen auch noch Bedeutung....
Lesen wir einfach weiter ;)
 

Anjuta

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Aus den Tagen, an denen die Tragödie zur Norm geworden ist ... davon erzählt Tatjana ihrem neuen Nachbarn, also einem ganz zufälligen und durchaus unwilligen Zuhörer. Es kommt die Zeit, wo das Schweigen nicht mehr standhalten kann, und diese Zeit ist für Tatjana nun gekommen, angetrieben ganz sicher durch ihre Alzheimer Erkrankung, die die Zeit für sie ticken lässt. Und so ist Sascha gezwungen, sich der Vergangenheit zu öffnen, einer Vergangenheit, die für ihn als Sowjetbürger bisher weitgehend verschlossen war. Es bricht aus Tatjana geradezu heraus: ihre Vergangenheit voller verschwundener Menschen, ihre Verdrängung der Realitäten, ihre verzweifelte Hoffnung, dass es ( die Verfolgungen) sie nicht trifft und das inmitten eines immer leerer werdenden Wohnhauses voller versiegelter Türen und eines Arbeitsplatzes, an dem sich der Schrecken besonders deutlich Ausdruck verschafft, wo sie als kleines Rädchen an den Schaltstellen der Macht arbeitet. Ein Herausbrechen der Wahrheit - dem steht Sascha hier gegenüber in einer Mischung von Unwillen ( das will ich alles gar nicht wissen) undunbändiger Neugier (wie war das damals? Was wusstet ihr schon damals?) . Fragen, die wir in unserer deutschen Vergangenheit auch schmerzhaft abwägen mussten und uns dann für weitgehende Aufklärung entschieden haben. Fragen, die in Russland aber immer noch nicht beantwortet sind. Hier in dem Roman findet ein kleines Stück langüberfälligem und immer noch nicht selbstverständlichem „Wider das Vergessen“ statt. Der Schrecken wartet dabei auf uns in den nächsten LAs, darauf richte ich mich ein.
 

Renie

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19. Mai 2014
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Allerdings kann es sein, dass der Rotzklumpen für sie selbst sehr wichtig war. Vielleicht hat sie den Italiener auch nicht richtig geliebt. Sie ist ihm ja absichtlich aus dem Weg gegangen nach der Episode. Vielleicht bekommt das Geschichtchen auch noch Bedeutung....
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Sie hat sich einfach nur in Grund und Boden geschämt. Das ist doch mega-peinlich, wenn Du im Beisein Deines Objektes der Begierde Körperflüssigkeiten oder -gase absonderst.:D Vor allen Dingen, wenn Du in der Pubertät bist.