1. Leseabschnitt: Anfang bis "Loch" (Anfang bis S. 86)

Anjuta

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8. Januar 2016
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Der Einstieg in das Buch ist mir etwas schwer gefallen. Oskar macht sich auf den Weg mit seinem Faltboot, aber wir verlieren ihn erstmal wieder aus den Augen und lesen in den ersten Kapiteln von Freunden und weiten Bekannten in Hamburg, die für mich aber leider nicht wirklich zum Leben erweckt werden, sondern seltsam leb- und charakterlos bleiben. Ich finde es zum Beispiel keine gelungene Charakterzeichnung, wenn diese daran festgemacht wird, das sich jemand in Gesellschaft die Zähne bzw. Zahnzwischenräume säubert. Das fand ich ziemlich platt und schal.
Etwa in der Mitte des LA dann kommen wir doch mit Oskar zusammen. Über seine Fahrt werden dabei aus zwei verschiedenen zeitlichen und persönlichen Perspektiven informiert: seine eigene Perspektive in der Echtzeit und die Perspektive der Journalistin, die ihn nach Ende der Fahrt im Krankenhaus bzw. in der Irrenanstalt interviewt. Der Wechsel zwischen beiden Perspektiven geschieht einmal sogar mitten im Satz und wird verdeutlicht durch einen neuen Kapitelanfang. So endet "Das zweite Gespräch" mitten im Satz mit 3 Punkten, und auf der nächsten Seite beginnt "Schlamm" ebenfalls mit 3 Punkten und fährt in der Schilderung - nun aber zeitlich und persönlich versetzt - in Oskars Sichtweise fort. Dieser "Erzähltrick" erscheint mir etwas aufgesetzt und nicht sehr hilfreich für ein interessantes Leseerlebnis.
Und noch etwas stört mich bislang bei der Lektüre: Die Reise von Oskar wird alles andere als glaubhaft erzählt. Und dabei meine ich nicht die generellen Zweifel an der Art der Reise und Fortbewegung, sondern auch die Art der Kontakte und Kommunikation. So finden wir Oskar zum Beispiel plötzlich und unerwartet bei einer Abendveranstaltung des deutschen Konsuls in Athen, für das ihm ein Honorar zugesagt wurde und für das er einen Umweg in Kauf genommen hat. (s. S. 105). Nur: wie, wer und wann wurde das mit Oskar ausgehandelt, der doch nach anderen Informationen sehr wenige Kontakte hat während seiner Fahrt.
Also: zusammenfassend lässt mich der erste LA noch reichlich ratlos und etwas unzufrieden zurück. Ich bin aber zuversichtlich gestimmt für das weitere Leseerlebnis.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Mir fällt es etwas schwer, mich auf das Buch einzulassen; ich mag diese aufgesetzt flapsige Erzählweise nicht so. Schon der erste Satz "Wo er mit den Leichenteilen hinwolle" zeigte auf, worauf ich mich da eingelassen hatte. Bei dem Kapitelanfang "Panisch schmiss Oskar das K weg" kam noch dazu, dass der Erzähler hier seinen Wissensvorsprung mit leise Häme heraushängen lässt: Ich habe zurückgeblättert zu der Aufzählung von Oskars Gepäckstücken und überlegt, was mit dem K gemeint sein könnte, und später kam dann die Auflösung: Russisch Brot. Hähä, sehr witzig.

Ich bin keine Spielverderberin und lasse dergleichen über mich ergehen, aber so richtig mögen kann ich so billige Tricks nicht und hoffe, dass sie nicht allzu gehäuft auftreten.

Vielleicht bin ich auch einfach nicht in der Stimmung für ein solches Buch. Ich werde mir große Mühe geben.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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Bei dem Kapitelanfang "Panisch schmiss Oskar das K weg" kam noch dazu, dass der Erzähler hier seinen Wissensvorsprung mit leise Häme heraushängen lässt: Ich habe zurückgeblättert zu der Aufzählung von Oskars Gepäckstücken und überlegt, was mit dem K gemeint sein könnte, und später kam dann die Auflösung: Russisch Brot. Hähä, sehr witzig.
Ja, das hat mich auch ziemlich irritiert. So als wolle der Autor uns ärgern.
 
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Wandablue

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18. September 2019
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Jetzt bin ich auch durch.

Was mir sehr zu schaffen macht, ist, dass die Reise von hinten her mehr erzählt wird als erlebt. Kaum tauchen wir im Kapitel "Schlamm" auf Seite 74 mal wirklich ins Wasser - und es passiert irgendwas - aber was, kentern wir - wird auf Seite 76 wieder von rückwärts her erzählt - und nicht etwa was passiert ist, das weiß ich nämlich immer noch nicht, sondern wie Oskar sich jetzt füüühlt und dass er glaubt, Gold entdeckt zu haben.
Die Aktivität der Bootsfahrt wird bisher äußerst schmal behandelt.
Dazu die Gespräche in der Psychiatrie. Vllt wären die ganz originell, wenn sie nicht jetzt schon begonnen hätten und als STilmittel wirken, dass wir Informationen kriegen, leider aus zweiter Hand.
Für mich wirkt das so, dass, nachdem das Boot in Ulm zu Wasser gelassen wurde, es sofort und nachhaltige Unterbrechungen gibt. Gespräche mit anderen Wasserfahrern auf der Insel, Gespräche im Wirtshaus, Gespräche mit einem Schriftsteller, Gespräche in der Psychiatrie. (Hört auf zu schwatzen, ich will fahren und was erleben).

Dagegen ausführliche Umblendungen zu dem Geschehen in HH um Karol. Das, es sei mir erlaubt zu sagen, so überflüssig wie ein Kropf ist. Interessiert mich überhaupt nicht. Und wirkt wie nachgelesen. Das sind Schablonen. Keine echten, authentischen Menschen. Plakativ ist das. Blutleer. Brauchen wir diesen Strang überhaupt, der überaus langweilig und mit platten Staffagen ausgestattet ist?

Also bisher kein Abenteuer, sondern eine sehr unbeholfene Erzählung.
Unbeholfen und altmodisch ist es bisher. Auch das ständige Anzünden von Zigaretten und mutwillige Beifügungen von historischen Requisiten (was es halt damals so gab) - machen das Ganze nicht geschmeidiger.

Uhhhh, ich kann nur sagen, hoffentlich wird das besser.
 
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Wandablue

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So endet "Das zweite Gespräch" mitten im Satz mit 3 Punkten, und auf der nächsten Seite beginnt "Schlamm" ebenfalls mit 3 Punkten und fährt in der Schilderung - nun aber zeitlich und persönlich versetzt - in Oskars Sichtweise fort.
Das finde ich jetzt nicht tragisch: ich war ja froh, dass wir wieder im Wasser landen, in Echtzeit, wie du sagst. Tragisch finde ich, dass wir 3 Seiten weiter gleich wieder rausgerissen werden aus dem Abenteuer.

Aha, aber das ist schon in 2. LA. Trotzdem gebe ich dir recht. Es wird mit Schnitten gearbeitet, die einen ständig aus dem Geschehen reißen. Warum bloß?
"Panisch schmiss Oskar das K weg" kam noch dazu, dass der Erzähler hier seinen Wissensvorsprung mit leise Häme heraushängen lässt:
Ach komm, ich habe so viele von diesen Buchstaben gegessen, dass es mir nicht schwer fiel, das K zu erkennen.
 

Renie

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Ich glaube, ich lese nicht mehr mit Euch. Das ist jetzt schon das 3. Buch in Folge, das ich anders wahrnehme, als andere in der Runde. Ist das anstrengend.:oops:

Der Einstieg habe ich als mühsam empfunden. Vermutlich hat mich die Umstellung von dem laaaangweiligen und laaaangatmigen "Das Mädchen, das man ruft" auf diese lebhafte Geschichte in einen Schockzustand versetzt. Doch mittlerweile bin ich in dem Buch angekommen.
Zunächst musste ich ein bisschen Ordnung und Struktur in die Vielzahl an Personen, die genannt werden, bringen. Genauso habe ich eine Weile gebraucht, um mit den Zeitsprüngen klarzukommen. Doch jetzt liebe ich das Buch.
Ich bin sehr froh, dass es sich hierbei um keinen Reisebericht handelt. Eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Reiseabschnitte in chronologischer Reihenfolge hätte mich gelangweilt. Was kann schon auf einem Fluss in der damaligen Zeit losgewesen sein? Immerhin hat der Oskar keine Spazierfahrt gemacht, sondern fuhr ein Rennen auf Zeit, das er notwendigerweise zwischendurch unterbrechen musste, um Geld zu verdienen bzw. Geld abzuholen, Reparaturen durchzuführen etc.
Ein bisschen erinnert mich die Aktion Ulm-Zypern an "In 80 Tagen um die Welt".
Mir gefällt, dass die Geschichte einen Einblick in Hitlers Propagandamaschinerie gibt. Scheinbar gab es diverse Abenteurer, die der Welt zeigen sollten, aus welchen Teufelskerlen und -frauen das deutsche Volk besteht. Hitler-Deutschland ging es zu diesem Zeitpunkt noch gut, die Judenhetze steckte noch in den Keimzellen, der Feind war der Sozi bzw. der Kommunist.
So, jetzt lese ich mal, was Ihr geschrieben habt und wahrscheinlich bekomme ich eine Krise.:eek:
 

Renie

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dass der Erzähler hier seinen Wissensvorsprung mit leise Häme heraushängen lässt: Ich habe zurückgeblättert zu der Aufzählung von Oskars Gepäckstücken und überlegt, was mit dem K gemeint sein könnte, und später kam dann die Auflösung: Russisch Brot. Hähä, sehr witzig.
Das mit dem Wissensvorsprung, macht er immer wieder gern. Ich finde dies tatsächlich witzig. Doch scheinbar habe ich einen anderen Humor, was wir ja bereits in anderen Leserunden festgestellt haben.
 

Renie

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Dazu die Gespräche in der Psychiatrie. Vllt wären die ganz originell, wenn sie nicht jetzt schon begonnen hätten und als STilmittel wirken, dass wir Informationen kriegen, leider aus zweiter Hand.
Für mich wirkt das so, dass, nachdem das Boot in Ulm zu Wasser gelassen wurde, es sofort und nachhaltige Unterbrechungen gibt.
Der Oskar war monatelang unterwegs, bis er Zypern erreicht hat. Ich mag zwar Landschaftsbeschreibungen. Hätte der Autor die Reise chronologisch erzählt und ohne Unterbrechungen, wäre mir das deutlich zuviel des Guten gewesen. Da Oskar auch keiner war, der die Nähe von Menschen gesucht hat, werden seine sozialen Kontakte während dieser Reise auf ein Minimum beschränkt gewesen sein. Hier sehe ich daher nicht viel Futter, um eine derartige Reise Leser-kompatibel auszuschmücken. Daher bin ich sehr dankbar für diese Unterbrechungen.
 

Die Häsin

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Rhönrand bei Fulda
Wieso billiger Trick? Wer kommt schon auf solch eine Idee mit dem Russisch Brot?
Ich nenne es deshalb billigen Trick, weil ich erstmal nicht wusste, was mit dem K gemeint ist. Da er es panisch wegschmeißt, dachte ich, es ist etwas, was in der Hand zu halten ihm peinlich oder gefährlich ist, und habe mich einen Moment gefragt, ob er vielleicht Kokain mitführt oder etwas anderes Verbotenes. Habe zurückgeblättert und nachgesehen, was er im Gepäck hat, aber nichts gefunden, was passt. Und zwei Seiten weiter stellt sich heraus: ätsch, es war einfach ein Buchstabe. Wie gesagt, ich springe auch ein-, zweimal übers Stöckchen, wenn der Autor das so will, aber nicht öfter.

Ich habe übrigens gar nichts gegen das Buch. Stellenweise amüsiert es mich. Das Kapitel, in dem der Regenpfeifer erwähnt wird (und in dem Oskar anscheinend zum Verzehr Füchse jagen will) hat mir zum Beispiel richtig gut gefallen.
 

Wandablue

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Wandablue

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Der Oskar war monatelang unterwegs, bis er Zypern erreicht hat. Ich mag zwar Landschaftsbeschreibungen. Hätte der Autor die Reise chronologisch erzählt und ohne Unterbrechungen, wäre mir das deutlich zuviel des Guten gewesen. Da Oskar auch keiner war, der die Nähe von Menschen gesucht hat, werden seine sozialen Kontakte während dieser Reise auf ein Minimum beschränkt gewesen sein. Hier sehe ich daher nicht viel Futter, um eine derartige Reise Leser-kompatibel auszuschmücken. Daher bin ich sehr dankbar für diese Unterbrechungen.
Tscha, da ich Reiseberichte und Reiseerzählungen liebe, wenn sie denn gut geschrieben sind, werden wir hier nicht auf einen gemeinsamen grünen Zweig kommen. Das Anhalten und Arbeiten etc würde ich keineswegs übel nehmen, wenn es aktiv erzählt würde und nicht immer hinterhergeschoben würde.
 
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