1. Leseabschnitt: Anfang bis Kapitel 8 (Seite 9 - 63)

claudi-1963

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29. November 2015
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Ich frage mich gerade, ob im realen Leben ein so schwer psychisch gestörter Mensch wie die Mutter überhaupt als Stammzellen-Spender in Frage käme, auch wenn mir klar ist, dass es hier nun wirklich nicht um diese medizinische Frage geht.

Das ist auch meine Frage, ob die Mutter hier einfach als illegaler Zwangsspender gebraucht wird oder ob sie auch was dazu zu sagen hat. Den mit Geld ist ja heute viel zu machen und die Familie scheint ja genug zu haben, um Ärzte zu bestechen.
 
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claudi-1963

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29. November 2015
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Das ist schon eine sehr eigenwillige Familie und Begrüßung, was da Jesko bei seiner Ankunft erleben musst. Aber anscheinend kannte er das ja zumindest von seiner Mutter. Das, die auf ihren Mann mit dem Messer losgeht, fand ich schon heftig. Ebenso das man sie da in diesem Haus der Tanten in der Sauna eingesperrt hat. Mehr oder minder geht man diesen Kompromiss nur ein, weil sie sehr wahrscheinlich Jeskos Leben retten könnte. Doch will sie das auch oder wurde sie dazu einfach genötigt? Das ist hier für mich noch nicht klar ersichtlich.

Aber auch die ganze Familie ist etwas komisch. Vor allem kann ich nicht verstehen, warum man Jesko in dem Haus der Tanten mit seiner Mutter unterbringt? Wo sie doch so gefährlich ist und inzwischen das ganze Haus verunstaltet und vermüllt hat. Also wenn ich Jesko wäre, würde ich es da auch nicht aushalten. Und warum möchte er nicht, dass die Freundin seines Bruders in pflegt? Liegt es daran, dass sie so jung ist und er da zu schüchtern ist? Den eigentlich kommt er mir gar nicht so vor, ich finde ihn sogar recht offen.
Sein Kleidungsstil dagegen finde ich auch etwas eigenartig, das er wirklich mit Röcken herumlauft, scheint wohl gerade modern zu sein. Doch irgendwie kann ich mich damit nicht anfreunden, es sein den es wäre der Kilt.

Die Kindheit der beiden Brüder war angesichts der Mutter extrem gewesen. So richtig ist mir allerdings noch nicht klar, ob es am Alkohol lag oder ob sie wirklich psychisch krank ist. Das mit der Debatte um den Namen bzw. das A oder E hätte ich jetzt nicht unbedingt gebracht.

Ich sehe das auch so wie Renie, das der normalste für mich bisher noch Ansgar ist. Und dass der Gesundheitszustand der Mutter sehr schwankt, den zwischendrin schien sie mir mal ganz normal zu sein, als sie nach Jesko gefragt hat.
Ich glaube, Jesko überspielt mit seiner zynischen Art ein wenig die ganze Situation. Den würde er sich mit ihr auseinandersetzen, dann würde er sicher nicht so sein und er müsste sich der Diagnose stellen, dass er vielleicht sterben müsste. Doch durch seine Art schiebt er das ganze irgendwie in weite Ferne. Zwar deutet er es immer an, dass er sterben wird, aber das er es wirklich so an sich ran lässt, bezweifle ich. Und das muss er jetzt wohl oder übel, wenn er in der Familie ist und sie alles versuchen wollen, das er gesund wird.

Ich bin gespannt was man noch alles erfahren wird über die Familie.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich denke schon, dass man zumindest mündig sein muss. Blutspenden darfste ja auch erst ab 18.
Heutzutage kann man meines Wissens gar niemanden entmündigen lassen.
In solch einem Fall wird gewiss ein Vormund bestellt worden sein. Der wiederum stammt nicht selten aus der Familie, intakte Verhältnisse vorausgesetzt. Irgendjemand müsste also für sie verantwortlich sein.
 

nellsche

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1. September 2018
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Hach, das ist ja mal wieder ein ganz besonderes Buch aus dem Diogenes Verlag!
Eine tragische und zugleich humorvolle Geschichte. Ich mag diese Mischung.

Es gab so viele Szenen, bei denen ich losprusten musste. Zuletzt bei Käthe, die Mittwoch nicht kann, weil sie nach London reifen will. Herrlich. Oder Zitrone, deren Gegackert indianisch klang. Ich liebe diesen schrägen und schwarzen Humor.

Jesko und Ansgar haben mit ihrer Mutter wirklich Schlimmes erlebt. Dass das Erlebnis für alle Albträume reicht, ist verständlich.

Ich bin total gespannt, wie es weitergeht!
 
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nellsche

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1. September 2018
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Und doch möchte ich hier noch die Frage stellen: Ist das nicht alles ein bisschen "too much", ein bisschen zu sehr aufgetragen, zu sehr auf Wirkung bedacht ???? Ich weiß noch nicht. Das muss erst das Buch in Gänze ergeben. Es ist eine Gradwanderung, das empfinde ich schon jetzt. Aber: Bis das vielleicht tatsächlich kippt, genieße ich einfach mal und werfe mich wieder mit Elan in die weitere Lektüre.
Ich mag diesen ersten Abschnitt total und hoffe, dass es so bleibt und es nicht kippt. Klar ist es teilweise ein wenig viel, aber ich find's klasse.
 

nellsche

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1. September 2018
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Was für ein Familiengeflecht! Die Sprache zieht den Leser*in sofort in den Sog dieser Geschichte, spricht mich sehr an. Auch die im Grunde ernsten und traurigen Situationen bekommen durch den abgeklärten sarkastischen Humor des Ich-Erzählers Jesko eine gewissene Leichtigkeit. Ein Buch, das auch jetzt ruft: nicht schreiben, weiterlesen.
Ich kann dir absolut zustimmen. Das Buch entwickelte bei mir ganz schnell einen Sog, eine Faszination, und ich will unbedingt weiterlesen.
Ich finde es großartig, wie Ernst und Humor zusammentreffen.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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In diesen kurzen, im Sprachstil eher abgehackten Sätzen verbirgt sich gleich so viel angerissen Erzähltes, das Spannung vermittelt, wie es das Buch auch nach bisheriger Lektüre ausmacht. Nicht alles wird auserzählt, eher durch Bilder angerissen und lebendig gemacht.

Den Sprachstil finde ich literarisch sehr interessant, allerdings empfinde ich ihn auch als latent aggressiv, wie auch die Stimmung innerhalb der Familie sehr konfliktbeladen und explosiv erscheint.
Da ich gerade ein Buch beendet habe, in dem sehr vieles sehr ausführlich und redundant erzählt wurde, ist das jetzt ein sehr harter Kontrast für mich, an den ich mich erst etwas gewöhnen muss.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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So, das ist einmal ein Buch, bei dem ich überlege, ob ich es mag oder nicht. Noch bin ich unentschlossen. Asgar ist ein Spießer, Jesko ein Zyniker. Alles ist so abgehoben, dass man erwähnen muss, wenn jemand Hosen von C&A trägt oder Brillen von Fielmann.

Jesko trägt ständig das "blaue Buch" von Seneca mit sich herum. Damit schottet er sich ab. Schon bei der Autofahrt nach Hause, um nicht seinem Bruder reden zu müssen. Er steckt das Buch in idie hinter Tasche seines Rocks "zu den anderen Schmerzmiteln" Ein Buch gegen den Schmerz, das macht ihn mir ja fast zugänglich.

[zitat]"Kaum ein Mensch weiß um die eigene Seele, ihren Geiz, ihre Arroganz, ihre Habgier oder abgrundtiefe Gemeinheit. Wir sind alle blind..."[/zitat] Jesko weiß um seine eigene Blindheit, er nimmt sich mit dem Wort "wir" nicht aus.

Das ist schon ganz böser Humor, wenn Käthe nach London reitet oder wenn ein Junge zu seiner Mutter "Heil Hitler, Mami" sagt. Allerdings halte ich nur Käthes Satz (egal ober ihrer Geisteskrankheit entspringt oder gespielt ist) für authentisch. Dass ein Kind (wie alt mag Asgar damals gewesen sein, älter als 10 jedenfalls) so reagiert, halte ich für fragwürdig.

Ich muss zweifellos noch mehr lesen, um mich entscheiden zu können.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Heutzutage kann man meines Wissens gar niemanden entmündigen lassen.
In solch einem Fall wird gewiss ein Vormund bestellt worden sein. Der wiederum stammt nicht selten aus der Familie, intakte Verhältnisse vorausgesetzt. Irgendjemand müsste also für sie verantwortlich sein.
Geht schon noch aber es ist viel schwieriger geworden wie früher.
 

claudi-1963

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Das ist schon ganz böser Humor, wenn Käthe nach London reitet oder wenn ein Junge zu seiner Mutter "Heil Hitler, Mami" sagt. Allerdings halte ich nur Käthes Satz (egal ober ihrer Geisteskrankheit entspringt oder gespielt ist) für authentisch. Dass ein Kind (wie alt mag Asgar damals gewesen sein, älter als 10 jedenfalls) so reagiert, halte ich für fragwürdig.

Ich bin mir auch ehrlich gesagt nicht sicher ob der Autor das wirklich humorvoll gemeint hat. Ich denke eher das er da den verwirrenden Zustand der Mutter darstellen wollte. Klar mag es für den einen oder anderen als Lustig rüber kommen, ich dagegen empfinde es eher als traurig. Den man muss sich mal vorstellen, die beiden Söhne kennen ihre Mutter so schon seit sie klein sind, das ist schon heftig. Ich frage mich nur was der Auslöser war das sie so wurde. Den sie muss ja mal anders gewesen sein, sonst hätte sie Jeskos Vater doch nicht geheiratet.
 
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Reaktionen: Mikka Liest

ulrikerabe

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Ich bin mir auch ehrlich gesagt nicht sicher ob der Autor das wirklich humorvoll gemeint hat. Ich denke eher das er da den verwirrenden Zustand der Mutter darstellen wollte. Klar mag es für den einen oder anderen als Lustig rüber kommen, ich dagegen empfinde es eher als traurig. Den man muss sich mal vorstellen, die beiden Söhne kennen ihre Mutter so schon seit sie klein sind, das ist schon heftig. Ich frage mich nur was der Auslöser war das sie so wurde. Den sie muss ja mal anders gewesen sein, sonst hätte sie Jeskos Vater doch nicht geheiratet.

Ist es nicht genau das, was man mit dem Stilmittel des schwarzen Humors erreichen will? Vordergründige Persiflage, vielleicht sogar Verharmlosung, um sich der Tragik der Ereignisse bewusst zu werden. Themen, die mit einem gewissen Tabu behaftet sind (Krankheit, Tod, Behinderung...) werden ins Rampenlicht geholt.
Und mit dem richtigen Augenmaß sollte auch zu erkennen sein, was plumper, gemeiner, diskriminierender Spott ist und was pointierte Satire.
 

Mikka Liest

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14. Februar 2015
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Hilter am Teutoburger Wald
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Ich habe mich direkt in den Schreibstil verliebt... Tolle Sogwirkung, interessante Bilder, und der die Sprache hat auf jeden Fall eine ganz eigene Note. Mehr gute Zitate, als man für eine Rezension gebrauche kann. Und ich liebe den Humor, der immer wieder durchblitzt.⠀

Die Geschichte wird mir persönlich nicht too much, ich frage mich nur immer wieder: ⠀

Wieso hat diese Frau (Käthe) keine Hilfe bekommen?! (Damit wäre auch den Kindern geholfen gewesen.) Klar, um keinen Eklat zu riskieren, um die ganze Sache sauber unter den Teppich zu kehren – aber hätte der Vater sie dann nicht wenigstens still und leise in eine Klinik einweisen lassen können, wo man den Ursachen für ihre Wahnvorstellungen vielleicht hätte auf den Grund gehen können?⠀

Ich hasse, was sie den Kindern angetan hat, aber ich kann SIE nicht hassen, denn sie ist in meinen Augen nicht weniger ein Opfer in dieser Situation.⠀

Ich bin noch unschlüssig, inwieweit Jesko dem Vater wirklich am Herzen liegt und wieviel davon nur der Versuch ist, den Status Quo zu erhalten. Wäre vielleicht zu viel des Klischees, wenn es dem Vater wirklich nur darum ginge.⠀

Ihr habt die Frage aufgeworfen, ob die Mutter zum Mitmachen gezwungen wird oder dabei auch was zu sagen hat... Ich glaube, sie ist gar nicht in der Lage, die Situation klar genug zu verstehen, um eine wirkliche Einwilligung geben zu önnen. ⠀

Und ob Jesko das wirklich will, interessiert ja anscheinend auch keinen. Sterben will er wohl nicht, aber ans Leben bindet ihn auch nichts so recht...
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Heutzutage kann man meines Wissens gar niemanden entmündigen lassen.
In solch einem Fall wird gewiss ein Vormund bestellt worden sein. Der wiederum stammt nicht selten aus der Familie, intakte Verhältnisse vorausgesetzt. Irgendjemand müsste also für sie verantwortlich sein.
Es gibt keinen Vormund mehr, sondern einen gesetzlichen Betreuer. Keine Entmündigung, sondern eine rechtliche Betreuung.
 

parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Na, zu der Familie möchte man ja wohl unbedingt gehören. Nicht. ;) Die Namensgebung ist eines der zuspitzenden Stilmittel, die hier verwendet werden. Die schrägen Metaphern ein anderes:
[zitat]"Wir (...) nahmen die Hitze der Nacht mit auf die Rückbank und saßen warm und weich wie auf Eingeweiden. (S. 9)[/zitat]
Uäh. Überhaupt empfinde ich die angerissenen Bilder oft nur vordergründig als witzig, dahinter erahnt man den Ekel, den Versuch der Abgrenzung, das Morbide, auch z.T. das Aggressive. Aber @ulrikerabe hat die Sache mit dem schwarzen Humor ja schon ausreichend erläutert, da kann ich mich nur anschließen. Schon verblüffend, wie pointiert die kurzen Sätze wirken, harmlos und in schräge Bilder gekleidet, dabei aber rasiermesserscharf. Mir gefällt es bislang, ich bin gespannt, wie es weitergeht!