1. Leseabschnitt: Anfang bis Kapitel 3 (Anfang bis Seite 105)

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Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Hier in diesem Leseabschnitt befassen wir uns mit den ersten drei Kapiteln des Buches.
 

Momo

Aktives Mitglied
10. November 2014
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Ich habe erst 32 Seiten gelesen, und finde das Buch bis hierin recht spannend, auch wenn ich etwas Zeit benötigt habe, in die Handlung rein zu kommen. Der Protagonist dieser Geschichte ist der gut situierte Barry Crohen, aus Manhatten, der sich mit einem verletzten Gesicht auf eine Reise begibt, weil er zu Hause mit seiner Kleinfamilie Probleme zu haben scheint. Er hat einen kranken Jungen Shiva, drei Jahre alt, der an einer schweren Krankheit leidet. Seit der Diagnose seines Kindes bekommt er Eheprobleme. Seine indische? Frau Seema, gelernte Juristin, 26 Jahre alt, wirft ihm persönliches Versagen vor. Barry arbeitet seit 20 Jahren in der Finanzbranche. Sein Job fordert ihn, die Frau wirft ihm Fantasie- und Seelenlosigkeit vor. Barry glaubt, dass das mit seinem trockenen Job zu tun hat.

Was hat der Junge für eine Diagnose, die die Familie auseinandergebracht hat obwohl Seema erst glaubt, die Diagnose würde die Familie stärker zusammenschließen. Man muss rätseln, da der Erzähler immer nur von der Diagnose des Kindes spricht. Später erfährt man, dass Shiva in seinen drei Lebensjahren noch kein Wort gesprochen hat, und daß das Kind nicht richtig auf die Beziehung seiner Eltern anspricht. Deshalb frage ich mich, ob der Junge autistisch ist.

Nachtrag: DIe Szenen am Busbahnhof fand ich auch spannend, auch diese Szenen laden zum Diskutieren ein.
 
Zuletzt bearbeitet:

MRO1975

Bekanntes Mitglied
11. August 2018
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Barry Cohen hat seine Familie verlassen und flieht mit einem Greyhound aus New York, um eine alte Jugendliebe in Richmond wiederzufinden. Und warum? Wenn ihr mich fragt, weil er total durchgeknallt ist.

Barry ist Investmentbanker und gehört zu den Reichen der Reichen. Er wohnt nicht in einem schnöden 3 Mio. Dollarappartement im 3. Stock. Ihm gehört eine ganze Etage von dreifachem Wert im 20. Das einzige, was ihn in seiner Eitelkeit stört ist, dass es noch reichere Männer gibt als ihn. Die 3 Etagen über ihm gehören Rupert Murdoch. - Hier habe ich herzlich gelacht! Das Leben ist soo ungerecht, oder gerecht, je nachdem, wie man es sieht. :p

Barry‘s Passion sind Uhren. Sie vermitteln ihm Kontrolle in seinem Leben, über das er sonst keine Kontrolle hat. Barry kann nicht damit umgehen, wenn es nicht so läuft, wie er möchte. Er kommt daher auch nicht damit zu recht, dass sein 3jähriger Sohn Autist ist. Sicherlich ist das eine schwere Situation für jede Familie, wenn man ein krankes Kind hat. Aber bei Barry habe ich eher das Gefühl, dass er seine schöne aalglatte Welt gefährdet sieht. Er hat mehr Sorge, dass er mit einem kranken Sohn nicht mehr ins Bild der Superreichen Investmentbanker passt. Igitt!

Auslöser seiner Flucht ist demnach auch eher eine Bagatelle. Barry und seine Frau Seema sind zum Essen bei Nachbarn eingeladen. Diese sind nur „normal reich“ und Barry sieht sie daher als niederrangig an. Als Barry gegenüber dem Gastgeber den Angeber raushängen lässt, erntet er von Seema spitze Kommentare. Sie sagt, er habe keine Fantasie und keine Seele. Darüber regt er sich die ganze Zeit auf und deshalb haut er ab. Eigentlich flüchtet er aber aus seinem, für ihn unerträglich gewordenen Leben und hofft, bei seiner Jugendliebe wieder das perfekte Leben zu finden.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Barry ist ein echtes Ekel, so oberflächlich. Den Namen von Frauen kann er sich nicht merken. Dafür erkennt er sofort, welche Marken und Uhren die Gastgeber tragen und was das jeweils gekostet hat. Alles misst er an Geld. Sonst kennt er keine Werte.

Bin gespannt , ob er auf seinem Roadtrip eins auf die F..., ähm Nase bekommt, Ich würde es ihm gönnen!
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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Ja, ihr habt Recht: Unser Held Barry ist sehr unsympathisch. Er hat es im Augenblick nicht leicht im Leben, trotz seines Reichtums. Bei seinem kleinen Sohn wurde vor kurzem Autismus diagnostiziert, sein von ihm gemanagter Hedgefonds hat seit drei Jahren keine Gewinne mehr gemacht und über ihm schwebt eine mögliche Klage der Börsenaufsicht...erst mal verständlich, dass er Fluchtgedanken hat. Sehr amerikanisch der Gedanke einfach in den Weiten des Landes zu verschwinden. Fast klischeehaft auch der Gedanke, seine Jugendliebe zu suchen. Der Wunsch, sein Leben noch einmal neu zu erfinden - alles sehr amerikanisch.
Der erste Abschnitt ist eine - wie ich vermute - treffende Milieubeschreibung der superreichen New Yorker. Sobald Barry zur Greyhound Station kommt, tauchen Menschen aus den unteren Klassen auf. Interessant wie diese mit Rassemerkmalen (Schwarze, Latinos...), oder ihrer Kleidung (T- Shirt- Aufdrucke) charakterisiert werden. Witzig fand ich die Deutschen, die extra in ein Problemviertel kutschiert werden, wo sie Drogendealer gegen Bezahlung photographieren. Ist da was dran? Gibt es tatsächliche solche touristischen Angebote? Jedenfalls scheint der Autor die Dinge gerne überspitzt darzustellen.

Mir gefällt das Buch bisher sehr gut. Durch die Fahrt mit dem Greyhoundbus durch die USA entsteht ein Sog, man möchte wissen wie mit Barry weiter geht. In Rückblenden erfährt man von Barrys bisherigem Leben vor seinem Ausbruchversuch.
in gespannt , ob er auf seinem Roadtrip eins auf die F..., ähm Nase bekommt, Ich würde es ihm gönnen!
Ja, das ist interessant. Normal fiebert ja man mit dem Helden mit und wünscht ihm, dass alles gut ausgeht. Hier ist es so, dass man sich möglichst viel Missgeschicke für Barry wünscht. Ein Antiheld.
 

Anjuta

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8. Januar 2016
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Essen
Barry tut sich immer wieder selber leid. Er gehört nur zur zweiten Liga der reichsten Männer, nicht nach ganz oben. Hätte sein Vater ihm geholfen, ihn unterstützt, dann hätte er schon Milliarden statt leider nur viele Millionen. Usw. Sympathie heischt sein Autor so ganz sicher nicht für ih ein.
Zudem ist er auch noch total lebensfern verrückt, oder was sagt ihr zu seiner Idee einer Uhrenstiftung, mit der er Typen wie Javon vom Drogendealer zum Uhrenhändler machen will und gleichzeitig auch noch Eindruck bei den Frauen machen will, die ihn bisher missachten.
Das ist schon sehr skuril-verrückt und macht ihn dann auch wieder interessant. Ich jedenfalls habe mich in das Buch eingelesen und verfolge interessiert, wie weit Barry sich mit dem Bus aus seinem alten Leben der Wall Street entfernen kann.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Zudem ist er auch noch total lebensfern verrückt, oder was sagt ihr zu seiner Idee einer Uhrenstiftung, mit der er Typen wie Javon vom Drogendealer zum Uhrenhändler machen will und gleichzeitig auch noch Eindruck bei den Frauen machen will, die ihn bisher missachten.
Diese Idee ist absolut verrückt und lebensfern. Sie zeigt, dass Barry total abgehoben ist und jeden Kontakt zum normalen Leben verloren hat. Sein Uhrentick ist auch unnormal....
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Habe angefangen, komme etwas schwer in den Text hinein, dies liegt denke ich an der Figur Barry, irgendetwas in mir versperrt sich. Aber gut, bin erst auf Seite 22.

Aber diese Passage muss ich schon mal posten. Beinhaltet einen interessanten Gedankengang.

"Aber die Autorität des Busfahrers war vollkommen. Barry beschlich eine Ahnung über unser Land. Dass wir im Innersten alle total reglementiert und militaristisch waren." S. 22

Klar Barry ist hier in seinen gesamten Grundfesten erschüttert, es ist etwas passiert, was ihn an seine Grenzen bringt. Jemanden, der immer Führungspositionen einnimmt, muss sich hier nun unterordnen. Dies gefällt ihm sicher nicht.

Aber etwas Wahres ist an diesem Gedankengang der reglementierten Gesellschaft schon dran. Klar, eine Gemeinschaft braucht Regeln. Aber ab wann wird zu viel reglementiert und was resultiert daraus? Was sagt ihr?
 

Leseglück

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7. Juni 2017
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ber etwas Wahres ist an diesem Gedankengang der reglementierten Gesellschaft schon dran. Klar, eine Gemeinschaft braucht Regeln. Aber ab wann wird zu viel reglementiert und was resultiert daraus? Was sagt ihr?
Ich habe in dem Zusammenhang daran gedacht, dass es in den USA wohl üblicher ist als bei uns, jemanden zu verklagen. Z.B. scheint es in den USA keine Spielplätze wie bei uns zu geben, denn wenn sich ein Kind verletzten würde, könnte der Spielplatzbetreiber verklagt werden. Das wäre für mich ein Beispiel für übermäßige Regulierung. Aber im Prinzip haben diese Kontrollorgane( wie Rechtsanwälte, Sozialarbeiter, Medien, an die man sich wendet wenn einem Unrecht geschieht) glaube ich mehr Vor- als Nachteile.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ich habe in dem Zusammenhang daran gedacht, dass es in den USA wohl üblicher ist als bei uns, jemanden zu verklagen. Z.B. scheint es in den USA keine Spielplätze wie bei uns zu geben, denn wenn sich ein Kind verletzten würde, könnte der Spielplatzbetreiber verklagt werden. Das wäre für mich ein Beispiel für übermäßige Regulierung. Aber im Prinzip haben diese Kontrollorgane( wie Rechtsanwälte, Sozialarbeiter, Medien, an die man sich wendet wenn einem Unrecht geschieht) glaube ich mehr Vor- als Nachteile.
Ich habe bei diesem Gedanken des zu viel Reglementierens an ein Hineinfallen in diese vielen Regeln gedacht, ein nicht mehr Nachdenken/Hinterfragen dieser Regeln. An ein Fördern des nicht Denkens. Eine eventuell einhergehende Unzufriedenheit damit, die sich in Wählerverhalten, siehe Trump o ä niederschlägt.
 

ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Ich hatte vor allem zu Anfang des Buches ganz stark das Gefühle, ganz stark das Gefühl, dass ich das Buch kenne (was aber nicht sein kann). Es schwirrte ständig eine Erinnerung an einen Vater, der die Familie verlässt, wo der Sohn eine Erkrankung hat.
Der Autor jedenfalls hat ein Händchen für Situationen. Das Kammer (Trauer) Spiel bei den Nachbarn war schon sehr exemplarisch für amerikanische Verhältnisse. Die Szene mit dem Drogendealer war für meinen Geschmack etwas zu absurd. Aber das scheint mir typisch für Shteyngart. Zumindest bei Snack Daddys abenteuerlicher Reise ist der Held auch ständig in so skurrile Situationen geschlittert.

Ganz krass wird auch der Unterschied zwischen Vermögen und Armut gezeichnet. (Witzig finde ich aber auch, wie er die Reichen und die ganz Reichen noch auseinander dividiert). Kaum ist Barry aus seiner Blase der Button Down Hemden, Hausangestellten, Klimaanlagen sauber steril, geschniegelt) draußen, umgibt ihn Gestank und Ärger. Irgendwie prallt das aber noch an seiner Teflonschicht ab. Momentan ärgert ihn mehr, dass er niemand mir seiner schwarzen Amex beeindrucken kann, als dass er sich echte Angst vor Drogenhändlern hat.

Mich hat allerdings auch gewundert, dass er sich so leicht vom Handy und der Kreditkarte trennt. Immerhin mag Barry Bücher, alles ist ja doch nicht so verkehrt an ihm. :)

Seema ist aber für mich um keinen Deut sympathischer als ihr Mann. Mir scheint, dass das kranke Kind für sie ein Projekt ist, das sie erfolgreich zu einem Abschluss bringen will. Ihr Kind ist nicht krank, ihr Kind hat ein besonderes Profil. Sie wirkt auf mich noch viel glatter als Barry, bei allem den Schein wahren, die brahmanische Seele betonen, aber HotDogs verputzen. Seema ist jung, viel jünger als Barry, aber wohl nicht so unbedarft, dass sie nicht wusste, worauf sie sich einlässt. Seema wirft Barry vor, er will nur Kinder wegen der Waschbecken, aber sie achtet doch genauso nur aufs Prestige.
Das einzige Mal wo sie mir nicht vollkommen hohl erschien, war bei der Betrachtung des Madonnenbild in Venedig
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Muss jetzt noch einmal etwas loswerden, bin auf Seite 58, also noch weit entfernt vom Leseabschnittsende. Aber dieses Buch beschäftigt schon ungemein! Seema und Barry, am weit oberen Ende der Gesellschaft, hätten eigentlich allen Grund zufrieden zu sein. Aber auch so ein Paar/Menschen dieser Gesellschaftsschicht kann/können Situationen durchleben, die sie an ihre Grenzen bringen. Hier wird die Diagnose des Sohnes als Grund angeführt, sicherlich etwas Schwerwiegendes, sicher auch ein Trennungsgrund. Sicher auch nur ein Grund, es gibt sicher noch mehr. Besonders liebevoll scheint ihr Miteinander ja auch nicht zu sein.

Barry denkt über sein Leben nach und es wird erwähnt, dass er der Sohn eines Poolreinigers war. Wie kam er in seine jetzige Posittion? Ist jemand der aus einer anderen Gesellschaftsschicht nach oben strebt mehr auf Geld fixiert, als jemand der mit Geld aufwächst?

Weiterhin wird über den frühen Tod seiner Mutter berichtet. Was macht das mit dem Kind? Später wird über beide tote Eltern geredet. ??? Dies klingt nach Problemen an verschiedenen Fronten.

Weiterhin sehe ich dies auch so wie einige von meinen Vorschreiberinnen. Seema und Barry werden nicht gerade sympathisch gezeichnet. Doch warum? Was will der Autor erreichen? Wohin bringt uns diese Geschichte? Bin weiterhin sehr neugierig.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Die Art der Schreibe hat etwas und gefällt mir sehr. Da ist ein gewisser Sarkasmus/Zynismus, den ich sehr mag und ab und zu finden sich sehr schöne Sätze/Gedanken.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Barry denkt über sein Leben nach und es wird erwähnt, dass er der Sohn eines Poolreinigers war. Wie kam er in seine jetzige Posittion? Ist jemand der aus einer anderen Gesellschaftsschicht nach oben strebt mehr auf Geld fixiert, als jemand der mit Geld aufwächst?
Das ist der typisch amerikanische Traum. Er kommt aus unterprivilegierten Verhältnissen und schafft es kraft guter Ausbildung in die Finanzbranche. Dort macht er aus Geld noch mehr Geld. So funktioniert Amerika...
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Sobald Barry zur Greyhound Station kommt, tauchen Menschen aus den unteren Klassen auf. Interessant wie diese mit Rassemerkmalen (Schwarze, Latinos...), oder ihrer Kleidung (T- Shirt- Aufdrucke) charakterisiert werden.
Dieses Beschreiben von Menschen über die Marken, die sie tragen zieht sich ja durch das ganze Buch. Sicherlich eine überspitzte und sarkastische Darstellung unserer Welt, mit der übertriebenen Wichtigkeit vom äußerlichen Schein. Und das Ganze in diesem überspitzten Ton, gefällt mir.
 
G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Der Protagonist dieser Geschichte ist der gut situierte Barry Crohen, aus Manhatten, der sich mit einem verletzten Gesicht auf eine Reise begibt, weil er zu Hause mit seiner Kleinfamilie Probleme zu haben scheint. Er hat einen kranken Jungen Shiva, drei Jahre alt, der an einer schweren Krankheit leidet. Seit der Diagnose seines Kindes bekommt er Eheprobleme. Seine indische? Frau Seema, gelernte Juristin, 26 Jahre alt, wirft ihm persönliches Versagen vor. Barry arbeitet seit 20 Jahren in der Finanzbranche. Sein Job fordert ihn, die Frau wirft ihm Fantasie- und Seelenlosigkeit vor. Barry glaubt, dass das mit seinem trockenen Job zu tun hat.
Barry Cohen hat seine Familie verlassen und flieht mit einem Greyhound aus New York, um eine alte Jugendliebe in Richmond wiederzufinden. Und warum? Wenn ihr mich fragt, weil er total durchgeknallt ist.

Barry ist Investmentbanker und gehört zu den Reichen der Reichen. Er wohnt nicht in einem schnöden 3 Mio. Dollarappartement im 3. Stock. Ihm gehört eine ganze Etage von dreifachem Wert im 20. Das einzige, was ihn in seiner Eitelkeit stört ist, dass es noch reichere Männer gibt als ihn. Die 3 Etagen über ihm gehören Rupert Murdoch. - Hier habe ich herzlich gelacht! Das Leben ist soo ungerecht, oder gerecht, je nachdem, wie man es sieht. :p

Barry‘s Passion sind Uhren. Sie vermitteln ihm Kontrolle in seinem Leben, über das er sonst keine Kontrolle hat. Barry kann nicht damit umgehen, wenn es nicht so läuft, wie er möchte. Er kommt daher auch nicht damit zu recht, dass sein 3jähriger Sohn Autist ist. Sicherlich ist das eine schwere Situation für jede Familie, wenn man ein krankes Kind hat. Aber bei Barry habe ich eher das Gefühl, dass er seine schöne aalglatte Welt gefährdet sieht. Er hat mehr Sorge, dass er mit einem kranken Sohn nicht mehr ins Bild der Superreichen Investmentbanker passt. Igitt!

Auslöser seiner Flucht ist demnach auch eher eine Bagatelle. Barry und seine Frau Seema sind zum Essen bei Nachbarn eingeladen. Diese sind nur „normal reich“ und Barry sieht sie daher als niederrangig an. Als Barry gegenüber dem Gastgeber den Angeber raushängen lässt, erntet er von Seema spitze Kommentare. Sie sagt, er habe keine Fantasie und keine Seele. Darüber regt er sich die ganze Zeit auf und deshalb haut er ab. Eigentlich flüchtet er aber aus seinem, für ihn unerträglich gewordenen Leben und hofft, bei seiner Jugendliebe wieder das perfekte Leben zu finden.
Ja, ihr habt Recht: Unser Held Barry ist sehr unsympathisch. Er hat es im Augenblick nicht leicht im Leben, trotz seines Reichtums. Bei seinem kleinen Sohn wurde vor kurzem Autismus diagnostiziert, sein von ihm gemanagter Hedgefonds hat seit drei Jahren keine Gewinne mehr gemacht und über ihm schwebt eine mögliche Klage der Börsenaufsicht...erst mal verständlich, dass er Fluchtgedanken hat. Sehr amerikanisch der Gedanke einfach in den Weiten des Landes zu verschwinden. Fast klischeehaft auch der Gedanke, seine Jugendliebe zu suchen. Der Wunsch, sein Leben noch einmal neu zu erfinden - alles sehr amerikanisch.
Der erste Abschnitt ist eine - wie ich vermute - treffende Milieubeschreibung der superreichen New Yorker. Sobald Barry zur Greyhound Station kommt, tauchen Menschen aus den unteren Klassen auf. Interessant wie diese mit Rassemerkmalen (Schwarze, Latinos...), oder ihrer Kleidung (T- Shirt- Aufdrucke) charakterisiert werden. Witzig fand ich die Deutschen, die extra in ein Problemviertel kutschiert werden, wo sie Drogendealer gegen Bezahlung photographieren. Ist da was dran? Gibt es tatsächliche solche touristischen Angebote? Jedenfalls scheint der Autor die Dinge gerne überspitzt darzustellen.
Barry tut sich immer wieder selber leid. Er gehört nur zur zweiten Liga der reichsten Männer, nicht nach ganz oben. Hätte sein Vater ihm geholfen, ihn unterstützt, dann hätte er schon Milliarden statt leider nur viele Millionen. Usw. Sympathie heischt sein Autor so ganz sicher nicht für ih ein.
Zudem ist er auch noch total lebensfern verrückt, oder was sagt ihr zu seiner Idee einer Uhrenstiftung, mit der er Typen wie Javon vom Drogendealer zum Uhrenhändler machen will und gleichzeitig auch noch Eindruck bei den Frauen machen will, die ihn bisher missachten.
Das ist schon sehr skuril-verrückt und macht ihn dann auch wieder interessant. Ich jedenfalls habe mich in das Buch eingelesen und verfolge interessiert, wie weit Barry sich mit dem Bus aus seinem alten Leben der Wall Street entfernen kann.
Ganz krass wird auch der Unterschied zwischen Vermögen und Armut gezeichnet. (Witzig finde ich aber auch, wie er die Reichen und die ganz Reichen noch auseinander dividiert). Kaum ist Barry aus seiner Blase der Button Down Hemden, Hausangestellten, Klimaanlagen sauber steril, geschniegelt) draußen, umgibt ihn Gestank und Ärger. Irgendwie prallt das aber noch an seiner Teflonschicht ab. Momentan ärgert ihn mehr, dass er niemand mir seiner schwarzen Amex beeindrucken kann, als dass er sich echte Angst vor Drogenhändlern hat.

Mich hat allerdings auch gewundert, dass er sich so leicht vom Handy und der Kreditkarte trennt. Immerhin mag Barry Bücher, alles ist ja doch nicht so verkehrt an ihm. :)

Einerseits wirkt Barry wie der schnöde Investmentbanker, nur am Geld und äußerer Wirkung interessiert, sein Frauenbild ist dringend zu überarbeiten. Andererseits ist dieses ständige Drehen um das Thema Finanzen auch etwas zu stark im Vordergrund stehend, meiner Meinung nach mit der Nicht-Upper-Class-Herkunft Barrys zu erklären, da schwingt immer die Angst vor dem sozialen Absturz mit. Das zeigt auch eine gewisse Schwäche. Die Liebe zu den Büchern macht ihn wieder menschlicher. Und bei der Szene mit dem Schwarzen wirkt es wieder so, als würde er dies tun um Seema von seinen menschlichen Eigenschaften zu überzeugen, was ja eine Verletztheit suggeriert und damit auch Gefühle, was ihn auch wieder etwas nachvollziehbarer erscheinen lässt. Manchmal ein Antiheld und dann wieder menschlicher gezeichnet, genau dies macht Barry wieder interessant. Und mich neugierig auf Kommendes.