1. Leseabschnitt: Anfang bis Kapitel 10 (S. 7-76)

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Mary hat ihren Sohn nicht vergessen, sie fragt die Anruferin Doris aus: "Sah mein Sohn glücklich aus?" (45). Das ist bezeichnend und zeigt einen elementaren Unterschied zu Dad, "der von alldem gar nichts wissen" will.
Bestimmt hat auch die Intoleranz der Eltern (des Vaters?) zum Zerwürfnis geführt.
Ich kenne mehrere solcher Fälle aus nächster Nähe, in denen die Väter sich mit ihren Kindern entzweien und die Mütter das eigentlich so nicht billigen, aber trotzdem stillhalten, was dann nach außen wie eine Solidarisierung mit den Vätern wirkt. Es ist der einfachere Weg für sie, weil sie so zuhause ihre Ruhe haben, auch wenn sie innerlich leiden. Für die Kinder ist das ganz besonders schmerzlich, weil sie die Mütter auch verlieren. - Ich mag Dad auch, aber diese Unerbittlichkeit ist schon sehr schade. Er leidet ja offensichtlich, kann aber nicht über seinen Schatten springen.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Aber ist das heute auf dem Dorf nicht ähnlich? Jedenfalls für die "Ureinwohner"?
Das Leben auf dem Lande ist heute anders.
Ich lebe auch auf dem Dorf und fühle mich nicht groß unter Kontrolle. Natürlich weiß man manches über die Bewohner, d.h. aber auch , dass man Anteil nimmt. Mein Bruder wohnt in einem Reihenhaus in der Stadt und seine Nachbarn sitzen beinahe auf seiner Terrasse. Zwischen unserem Haus und dem der Nachbarn liegt ein großer Garten, da fühle ich mich nicht beobachtet. Und generell hat sich das Landleben schon sehr verändert. Die weite Welt ist hier genauso präsent wie in der Stadt.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich mag Dad auch, aber diese Unerbittlichkeit ist schon sehr schade. Er leidet ja offensichtlich, kann aber nicht über seinen Schatten springen.
Vielleicht lässt Kent Haruf seine Hauptfigur noch eine Entwicklung machen. Ich hoffe, dass es noch zu einer Begegnung zwischen Vater und Sohn kommt. Was genau zu dem Zerwürfnis geführt hat, ob es nur die Homosexualität war oder mehr ...ich bin gespannt.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Aber ist das heute auf dem Dorf nicht ähnlich? Jedenfalls für die "Ureinwohner"?

Wahrscheinlich schon, aber die Dorfstruktur ist inzwischen nicht mehr so abgeschottet. Neubaugebiete werden erschlossen, Familien ziehen zu, lockern die örtlichen Vereine auf. So jedenfalls in meinem Heimatdorf, das ich aber nur noch aus der Besucherperspektive kenne.
 

Bibliomarie

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10. September 2015
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Ich glaube allerdings nicht, dass dieser Roman in den 60ern spielt. Da es Computer gibt und Mails geschrieben werden, spielt dieser definitiv später. Ich darf so viel verraten, dass ein junger Mann aus Holt im nächsten Leseabschnitt in einen Krieg in der Wüste (1. Irakkrieg?) geschickt wird, so dass der Roman in den 90ern anzusiedeln ist.
Auf dem Dorf hat sich schon was geändert - früher gab es weniger Ablenkungen und man lebte isolierter. Die globale, vernetzte Weltmacht auch vor der Landidylle nicht Halt ;)

Ich weiß nicht, wie ich auf 60iger Jahre komme, habe ich das irgendwo gelesen? oder nur weil die Menschen auf mich so 60iger wirken?
 

milkysilvermoon

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13. Oktober 2017
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Ich glaube allerdings nicht, dass dieser Roman in den 60ern spielt. Da es Computer gibt und Mails geschrieben werden, spielt dieser definitiv später. Ich darf so viel verraten, dass ein junger Mann aus Holt im nächsten Leseabschnitt in einen Krieg in der Wüste (1. Irakkrieg?) geschickt wird, so dass der Roman in den 90ern anzusiedeln ist.

Der zweite Golfkrieg war 1991 schon zu Ende. Da war das Internet zwar schon erfunden, aber Mails waren noch eine absolute Seltenheit. Ich habe deshalb überlegt, ob es nicht noch später ist.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Also ich finde der Roman liest sich sehr gut, man kommt sofort an in Holt und auch die Bewohner empfinde ich bisher als sehr sympathisch.

Doch jeder hat hier sein Päckchen zu tragen oder es umgibt ihn ein Geheimnis die wir sicher noch alle im lauf des Buches erfahren werden.
Am schlimmsten scheint es Dad Lewis zu gehen mit seinem Krebsleiden. Das seine Frau zusammenbricht erschreckt ihn, aber irgendwie kann man es verstehen, sie hat sich einfach überarbeitet. Nur gut das sie ihre Tochter Lorraine anrufen, die auch sofort kommt. Dad und Mary sind ein tolles Paar, nicht mal schlafen können die beiden ohne einander. Für Mary wird der Abschied von Dad sicherlich schlimm werden.

Die Erlebnisse im Laden mit Clayton fand ich echt krass, besonders als Clayton dann seine Frau zu Dad geschickt hat. Eigentlich hätte er Clayton anzeigen sollen, stattdessen gibt er ihm die Chance zu gehen und neu zu beginnen. Und was ist der Dank, Dad bekommt noch ein schlechtes Gewissen gemacht, das Clayton Selbstmord begangen hat. Ich finde das war nicht richtig von Clytons Frau.

Auch der Tod von Alice Mutter an Brustkrebs ist schlimm. Ich glaube kaum das ein Kind das begreift, das es gut ist, das sie wenigstens noch ihre Oma hat. Für sie ist in erster Linie der Verlust ihrer Mutter da und dazu noch einen ganz andere Umgebung. Man kann einfach eine Mutter nicht ersetzen, das schafft selbst Berta May nicht. Allerdings hat ja auch sie den Verlust ihrer Tochter zu ertragen. Und trotzdem scheint sie eine sehr hilfbereite Frau zu sein.

Reverand Lyle und seine Familie, sie umgibt noch etwas geheimnisvolles. Was ist in ihrem alten Zuhause passiert? Der Sohn scheint nicht glücklich zu sein. Nicht mit der neuen Umgebung und auch nicht mit dem Beruf seines Vaters. Das Erlebnis mit den Ehepaar fand ich sehr schön, kein Wunder das Lyle so euphorisch bei seiner Familie war.

Willa und Alene ein komischen Mutter-Tochter Verhältnis. Ihren tagesablauf fand ich ganz schön trist, ich glaube nicht das Alene das auf Dauer aushält. Schade das sie ich mit einem verheirateten Mann eingelassen hat. Es ist doch immer dasselbe, die Männer gaukeln den Frauen was vor und die warten so lange bis es zu spät ist um einen wirklichen Partner zu suchen.

Mir scheinen alle ein wenig zu hadern, zweifeln und sogar ein stückweit unversöhnt zu sein mit ihrem Leben. Keiner scheint so wirklich glücklich zu sein. Auch was mit Dads Sohn Frank geschehen ist bin ich gespannt. Ob er vielleicht schwul ist und das den gläubigen Eltern nicht gefallen hat und er deshalb gegangen ist?
Ich finde es auch gut das Dad umsorgt wird von medizinischen Personal, das sie sogar zu ihm kommen. Ich denke nicht das Dad in eine Hospiz geht, dazu hängen die beiden zu sehr aneinander. Lustig fand ich nur, das sie alle so Angst vor den Medikamenten haben oder ob es Dad gut tut.
Ich hoffe nur, das Frank sich noch mit seinem Vater vorher versöhnen kann.Keiner scheint noch immer den Tod vor Augen zu haben, also was soll ihm da noch schaden?

Auf alle Fälle liest sich die Geschichte sehr gut.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Problematisch finde ich auch, dass er seiner Tochter Lorraine das eigene Geschäft aufzwingen will. Ich bin gespannt, wie diese sich entscheiden wird.
Ich hatte nicht den Eindruck, das er es ihr aufzwingen will, sondern eher das er sich freut wenn sie es machen würde.
Verständlich ist es, aber auch gnadenlos. Ich vermute, dass dieses Verhalten auch zum Bruch mit demSohn geführt hat.
Ich fand ihn auch nicht gandenlos, sondern einfach konsequent. Was auch verständlich ist, wenn jemand Geld unterschlägt. Ich denke so ein Mitarbeiter ist einfach nicht tragbar. Wie hätte er ihm wieder vertrauen sollen?
Ich glaube auch, dass Dad ein ganz schön harter Hund und eigenwilliger Charakter sein kann. Er hat gewisse Ansichten, von denen ich vermutlich nicht alle gutheißen kann.
Kann ich jetzt von ihm eher nicht sagen. Ich denke er ist in seinen Äußerungen einfach konsequent ohne Kompromisse, wobei ich das auch bei seinem Mitarbeiter so richtig gesehen habe. Ich denke er wäre mit ihm nicht glücklich geworden. Was allerdings mit seinem Sohn passiert ist, da bin ich echt gespannt, ob ich da auch noch so über Dad denke.
 
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claudi-1963

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Das ist eine gute Frage, die nicht direkt beantwortet wird. Da ihn diese Geschichte allerdings nicht loszulassen scheint, denke ich auch, dass er sich Vorwürfe macht. Der Selbstmord scheint der Knackpunkt zu sein, bis dahin war er mit seiner Entscheidung eins, doch dieses Ereignis überschattet seinen damaligen Entschluss
Naja Clayton Frau hat ihm da ja auch ordentlich die Meinung gesagt, obwohl ich das nicht in Ordnung fand. Den es lag nicht an Dads Entscheidung, sein Leben hat sich Clayton schon selbst vermasselt in dem er betrogen hat.
 

claudi-1963

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Für mich auch, es ist natürlich auch die Zeit. Die 60iger Jahre habe ich meine Kindheit/Jugend auf dem Dorf gelebt. Das war nicht anders.
Ich denke das muss man mögen, in so einer Nachbarschaft zu leben. Anderseits finde ich den Zusammenhalt wenn es einem schlecht geht sehr schön. Das ist etwas was es bei uns nur noch sehr selten gibt. Und wie du schreibst es sind halt die 60 iger Jahre, da war auch noch vieles anders.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Die Geschichte mit Clayton scheint ihn zu beschäftigen, aber ich denke nicht, dass er seine Entscheidung bereut. Dass sich Clayton umgebracht hat, beschäftigt ihn. Aber er hat ihm eine faire Chance gegeben, wo anders noch einmal neu anzufangen.

Ich sehe die Landschaft, die Weite und auch die Eintönigkeit vor mir, spüre die Hitze des Mittleren Westens. Auch wenn die Grundstimmung melancholisch ist, Nur die Alten scheinen damit zufrieden, bei den jüngeren, wie Alene, macht sich Resignation breit.

Das mit Clayton sehe ich ähnlich wie du und aber es sind nicht nur die Alten die zufrieden scheinen. Ich denke nicht das Lyle schon alt ist und er scheint zufrieden zu sein. Es ist im Grunde immer einer in der Familie, der nicht zufrieden, bzw. wankelmütig ist.
 

claudi-1963

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29. November 2015
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Vielleicht lässt Kent Haruf seine Hauptfigur noch eine Entwicklung machen. Ich hoffe, dass es noch zu einer Begegnung zwischen Vater und Sohn kommt. Was genau zu dem Zerwürfnis geführt hat, ob es nur die Homosexualität war oder mehr ...ich bin gespannt.
Ich glaube Dad ist ein gläubiger Mensch und verurteilt deshalb die Homosexualität. Ich glaube er muss da erst lernen zu unterscheiden, das man die Lebensweise vielleicht verurteilen kann, aber den Mensch nicht. Ich hoffe das die beiden noch ein klärendes Gespräch führen werden, den bisher macht er ja noch immer zu was dieses Thema betrifft.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Naja Clayton Frau hat ihm da ja auch ordentlich die Meinung gesagt, obwohl ich das nicht in Ordnung fand. Den es lag nicht an Dads Entscheidung, sein Leben hat sich Clayton schon selbst vermasselt in dem er betrogen hat.
Das sehe ich tatsächlich genauso. Aber es ist eben immer einfacher, anderen die Schuld zu geben, als sich an die eigene Nase zu fassen.
Ich frage mich ob der Autor hier ein wenig seine eigene Krankheitsgeschichte wiedergibt?
Den Gedanken hatte ich auch. Schließlich liegen Erscheinen des Romans und Tod des Autors nicht sehr weit auseinander.
Haruf hat aber allgemein eine Begabung, sich in Menschliches hineinzudenken, so dass es nicht biografisch sein MUSS.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Naja Clayton Frau hat ihm da ja auch ordentlich die Meinung gesagt, obwohl ich das nicht in Ordnung fand. Den es lag nicht an Dads Entscheidung, sein Leben hat sich Clayton schon selbst vermasselt in dem er betrogen hat.
Natürlich hat Clayton es selbst verbockt, kann aber trotzdem verstehen, dass Dad Zweifel überkommen, als er erfährt, dass der Mann sich umgebracht hat.
 

Amena25

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23. Oktober 2016
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Kent Haruf hat die Gabe ganz einfache Gedanken und Erinnerungen aus dem Alltag seiner Protagonisten zu etwas Besonderem zu machen.

Die Figuren werden häufig in ihrem ganz normalen, einfachen Alltag dargestellt und trotzdem - oder vielleicht gerade deswegen, hat man schnell den Eindruck, sie gut zu kennen.
Allerdings finde ich die Stimmung doch sehr melancholisch.