1. Leseabschnitt: Anfang bis „Alles Gute zum Geburtstag“ (Anfang bis S. 93)

otegami

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17. Dezember 2021
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Liebe @otegami: Es geht um den Austausch, aber nicht um deine Ehe. Möglicherweise ist die Protagonistin nicht so gestrickt wie du. Das wollte ich damit sagen.
Liebe @Wandablue, 'meine Ehe' habe ich angeführt, um zu zeigen, dass ich eine Beziehungs- und Lebenserfahrung habe, die andere nicht haben und deshalb auch manches anders sehe! Und darüber tauschen wir uns hier aus!
Bei jedem Buch, das Du liest, bei jedem Bild, das Du anschaust, bei jedem Film, den Du anschaust, fließt Deine Lebenserfahrung und Lebenseinstellung rein! (Und damit hältst Du ja auch nicht hinterm Berg, wenn es um Bücher geht! ;) )
Ich verstehe auch absolut nicht, warum D i c h das gerade so 'triggert' !
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Und hier noch Beobachtungen aus meinem reichen Erfahrungsschatz:
Ich kenne nämliche etliche Menschen (ich sage bewusst 'Menschen', weil ich nämlich auch Männer kenne) die so eine 'Flucht' gebraucht haben.
Die meisten sind abends zurückgekehrt und gut war's! Sinnvoll ist es dann allerdings, am nächsten Tag z.B. das Problem anzusprechen. Ansonsten kann sich nämlich nichts zum Positiven ändern, der andere ist ja kein Hellseher! (Und Männer schon gar nicht! :cool: )
Also Kommunikation ist alles!
Wenn es nicht angesprochen wird, ist die Gefahr des 'Rabattmarken-Klebens' geboten: jedes Mal, wenn der- oder diejenige enttäuscht vom Verhalten des anderen/der anderen ist, wird nichts gesagt, sondern bildlich eine 'Marke' ins Rabattmarken-Heftchen geklebt. Wenn das dann voll ist, genügt der kleinste Anlass und das volle Rabattmarkenheft wird präsentiert (auf deutsch: es kommt zum großen Knall!)

Ich hoffe schwer, dass auch unsere Protagonistin Elvira es schafft, mit ihrem Mann drüber zu reden! (Leicht es bestimmt nicht, aber was ist schon 'leicht'?! ;) )

@Literaturhexle, ob wir jetzt unserer SchwieTo oder unserer Tochter so einen Tag ermöglicht haben, wir sahen das als 'Prophylaxe', also vorbeugend, damit sich nicht zu viel ansammelte! Ich kannte das ja aus eigener Erfahrung, dass so ein Tag für einen selbst einfach gut tut!
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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dass ich eine Beziehungs- und Lebenserfahrung habe, die andere nicht haben
Unterschätze nie die Lebens- und Beziehungserfahrung deiner Mitlesenden, nur weil sie nicht so offen darüber sprechen...

Lesen benötigt Empathie zu den Figuren. Wir sind in einer völlig anderen Zeit, in der die Frauen meist die Erduldenden waren, die in feste gesellschaftliche Korsetts gedrückt wurden. Unsere Protagonistin fühlt sich unglücklich, schaut tief ins Wasser, erwägt die Flucht. Es gilt, sich in DIESE Figur hineinzuversetzen.

Dass man HEUTE mit Eheproblemen anders umgeht, ist richtig und wichtig. Da bin ich ganz bei dir.

Wir haben offenbar einen völlig unterschiedlichen Ansatz im Umgang mit diesen kurzen, intensiven Texten.
Selbstverständlich bringt jeder eigene Erfahrungen mit ein, aber sollte der Text dann auch die Brücke dorthin schlagen.

Lassen wir es dabei bewenden und leben mit den Unterschieden.

Danke @Wandablue für deine Erläuterungen! Du hast meinen Standpunkt mit Hemingway wunderbar unterlegt! Wir funken da auf einer Welle;)
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Die Nachfolge der Rose
Dieses Streben nach Unscheinbarkeit wird noch betont durch ihr braunes Kleidchen mit dem Spitzenkragen, das sie wie eine Rüstung trägt.
Ich habe mich gefragt, welche Symbolik der Rosenstrauß verkörpert (traditionell ja Stolz, Schönheit, Unnahbarkeit). Daraus konnte ich mir keinen Reim machen. Zusammen mit dem Streben nach Unscheinbarkeit haben wir hier einen Gegensatz, der Laura offenbar quält...
Nicht nur einmal habe ich gedacht, jetzt nimm doch die verdammten Rosen und mach was auch immer damit.
Ja. Ich war geduldig. Aber irgendwann habe ich die inneren Kämpfe auch als repetitiv empfunden, obwohl sie gut geschildert sind. Es fällt schwer, sich in diese kranke Seele hineinzufinden. Es müssen Depressionen im Spiel sein. Ihre Eierstöcke sind insuffizient. Damit kann sie eine ihrer Hauptaufgaben als Frau nicht erfüllen. Milch als Stärkungs- und Beruhigungsmittel? Psychische Probleme drängen sich auf.
Bei dem vielen Rosengerede und dem Glas Zehn-Uhr-Milch war ich gedanklich bei Mrs Dalloway
Ich habe auch an Sie denken müssen, weil wir es auch hier mit einem Gedankenstrom und wenig tatsächlicher Handlung zu tun haben. Es geht ebenfalls um weibliche Befindlichkeiten. Ich lese erneut laaangsam und konzentriert.

Immer wieder wird "das Geschehene" angesprochen, aber nie konkretisiert, was das war. Ich hoffte, es zu erfahren.
(Auf S. 56 wird erwähnt, dass sie andere erschreckt hat - das spricht für einen psychischen Ausraster).

Als sie sich so schwer von dem Strauß trennen konnte, dachte ich für einen Moment, dass sie schon einmal etwas Schönes hatte fortgeben müssen: ein (totes) Kind? Reine Spekulation.
Und der Mann hat darauf bestanden, nicht ich! Das Schicksal hat es so gewollt! Oh nur dieses eine Mal! Nur dieses eine Mal, und ich schwöre nie wieder! S. 63
Wovon redet sie? Sind die Rosen das Sinnbild für etwas anderes? Für etwas Schönes? Es gibt einen tiefen Sinn und ich finde ihn nicht:(
Das Wegschenken der Rosen vertreibt kurzfristig die Müdigkeit, auch erwägt sie, den Spitzenkragen etwas aufzuhübschen... Dennoch tut sie nichts. Ihrem Mann schwant Schlimmes, als er sie versunken im Hauskleid antrifft...

Auch für mich hätte etwas mehr Handlung sein dürfen. Die Formulierungen gefallen mir aber sehr:
Wie für ein Portrait dieses Augenblicks behielt er noch dasselbe leere Gesicht auf, als hätte ihn der Fotograf nur um ein Gesicht gebeten und nicht um die Seele.69
Bis jetzt überwiegen Tristesse und Melancholie. Ob es auch mal ein positives Frauenleben zu bestaunen gibt? Ich werde das Büchlein langsam lesen und mir eine Zweitlektüre suchen.
 

Literaturhexle

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Alles Gute zum Geburtstag
Na, das ist doch mal eine Story mit Zugang! Sofort fühlte ich mich an "Papa ante Portas" von Loriot erinnert mit dem grandiosen Finale mit der Familie im Seebad zum 80. der verschrobenen Mutter:D

Hier sind so viel Heuchelei, Menscheleien, mühsam verdeckte Konflikte am Start! Die Familie ist zerstritten und kommt bemüht zum Geburtstag der 89-j. Mutter zusammen, die etliche Kinder hat - doch wer ist für die Pflege verantwortlich: die einzige Tochter! Typisch.

Schon den Einstieg finde ich sehr gelungen mit der Schwiegertochter aus Olaria, die wie in einer Wartehalle am Rand sitzt. Die Perspektiven wechseln gekonnt von einem zum anderen, die Krönung ist die der Jubilarin selbst, die von ihrer gesamten Brut wenig hält:
Der Stamm war brauchbar gewesen. Aber gewachsen waren daran diese säuerlichen und glücklosen Früchte, die noch nicht einmal zur echten Freude taugten. 82
Die Bösartigkeit steigert sich noch...

Die Geschichte endet mit der einsamen Jubilarin und dem gedankenschweren Satz: "Der Tod war ihr Rätsel.", und hat mich richtig mitgerissen. Schreiben kann Frau Lispector!
 

otegami

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17. Dezember 2021
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Zusammen mit dem Streben nach Unscheinbarkeit haben wir hier einen Gegensatz, der Laura offenbar quält...
:thumbsup Habe ich auch so empfunden!
Es fällt schwer, sich in diese kranke Seele hineinzufinden. Es müssen Depressionen im Spiel sein. Ihre Eierstöcke sind insuffizient. Damit kann sie eine ihrer Hauptaufgaben als Frau nicht erfüllen. Milch als Stärkungs- und Beruhigungsmittel? Psychische Probleme drängen sich auf.
Ich dachte auch an Depressionen. Es stellt sich auch die Frage: in welchem Krankenhaus war sie? Was wurde da behandelt?
Als sie sich so schwer von dem Strauß trennen konnte, dachte ich für einen Moment, dass sie schon einmal etwas Schönes hatte fortgeben müssen: ein (totes) Kind? Reine Spekulation.
Dies lässt aber auch echt Raum für Spekulationen! ;)
Bis jetzt überwiegen Tristesse und Melancholie. Ob es auch mal ein positives Frauenleben zu bestaunen gibt? Ich werde das Büchlein langsam lesen und mir eine Zweitlektüre suchen.
Ich darf schon mal verraten, dass es etwas besser wird, aber da sind die weiblichen Wesen auch jünger! :helo

Wir fahren ja Mitte der Woche auf ein Familienfest im Burgenland - 'Dunkelblum' lässt grüßen! :cool: Und da nehme ich dieses Büchlein auf keinen Fall mit! Ich bezweifle, dass ich da überhaupt zum Lesen komme und wenn, brauche ich dann was Positives! ;)
 

otegami

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Viel Spaß, hoffentlich bleibt das Wetter so sommerlich.
Danke schön! Aber naja, 35 Grad wie vergangenes WE brauche ich nicht :rolleyes: ! Nachmittag um 15.00 Uhr ist die Kirche - Tochter erzählte, dass die letzten Jahre reihenweise Jungs in Anzügen 'umgebabbd' sind! (Ich find's auch 'an Schmarrn', bei so einer Hitze die Kinder in eine solche Kleidung reinzuquetschen! :p )
 

Renie

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welche Symbolik der Rosenstrauß verkörpert
Für mich geht es um das Schöne, Besondere und Außergewöhnliche, also etwas, das dem Bild, das die Protagonistin von sich hat, völlig widerspricht. Dennoch scheint sie eine gewisse Sehnsucht nach diesem Besonderen zu haben. Daher findet in ihr der innere Kampf statt, ob sie die dusseligen Rosen verschenken soll, oder nicht. Wenn sie sie verschenkt, ist sie das Besondere losgeworden, und entspricht wieder dem unscheinbaren Bild, das sie anstrebt, kann sich aber gleichzeitig als aufmerksamer Wohltäter gegenüber der Freundin profilieren, was auch schon wieder ein Widerspruch ist. Irgendwie drehen sich ihre Gedanken dadurch im Kreis (und meine auch ;))
 

GAIA

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Mich macht die Geschichte traurig. Wann ist sie verfasst worden, irgendwann inden 1940ern bis 1960ern? Damals sicher kein leichtes Unterfangen, einfach so den Mann zu verlassen. Heut aber auch nicht immer.
Mal unabhängig von der inhaltlichen Diskussion, ich bin hier ganz bei dir, der allgemeine Gedanke in die Runde gestellt: Ich hätte es gut gefunden, wenn irgendwo im Buch die Entstehungsjahre der Kurzgeschichten vermerkt gewesen wären. Oder habe ich sie einfach nicht gesehen? Das kenne ich jedenfalls von anderen Kurzgeschichtensammelbänden von einem Autor oder einer Autorin. Ich bin eine Person, die gern zu einem Werk das Lebensalter der Schriftstellerin ausrechnet und zusätzlich natürlich, wie schon von @ulrikerabe angedeutet auch den historischen Kontext dazu. Wir wissen, wann die Frau gelebt hat, aber es macht schon einen Unterschied, ob sie die Kurzgeschichte mit 20 oder 50 Jahren geschrieben hat. Vor der eigenen Heirat oder danach.
Habe gerade mal bei Wikipedia nachgeschaut, wo ein paar der Kurzgeschichten gelistet sind und ich mit meinem nicht vorhandenem Portugiesisch wlche zuordnen konnte, die wir schon in diesem ersten Leseabschnitt gelesen haben. Sie liegen eher am Ende ihres (kurzen, da keine 57 Jahre langen Lebens) in den 1970ern! Eine Info, die ich gern im Buch hätte, was ich in Händen halte.

Ich habe bei dieser Geschichte sehr viele Fragezeichen. Diese Frau sitzt zunächst vor dem Spiegel. Der Mann und die Kinder nicht zuhaise. Später verbringt sie ganze Tage im Bett, lässt sich von ihrem Mann keinen Kuss geben.
Diese Geschichte habe ich tatsächlich sehr kafkaesk gelesen und würde gar nicht einschätzen wollen, was davon wirklich passiert ist (inklusive dem Essen im Restaurant) und was nicht. Vielleicht hat die Frau ein durchgängiges Alkoholproblem und fantasiert den ganzen Tag wild vor sich hin?
Ich habe mich gefragt, welche Symbolik der Rosenstrauß verkörpert (traditionell ja Stolz, Schönheit, Unnahbarkeit). Daraus konnte ich mir keinen Reim machen. Zusammen mit dem Streben nach Unscheinbarkeit haben wir hier einen Gegensatz, der Laura offenbar quält...
Ich hatte zwischenzeitlich die Vermutung, dass es eine Metapher vielleicht für ein verlorenes Kind sein könnte. Sie will den Strauß nicht weggeben, hadert mit sich. Es ist ja ihrer. Und im Text gibt es die ein oder andere Stelle, bei der es um ihre Fruchtbarkeit geht, die Kinderlosigkeit. Aber mit der Idee bin ich mir überhaupt nicht sicher.
Es fällt schwer, sich in diese kranke Seele hineinzufinden. Es müssen Depressionen im Spiel sein. Ihre Eierstöcke sind insuffizient. Damit kann sie eine ihrer Hauptaufgaben als Frau nicht erfüllen. Milch als Stärkungs- und Beruhigungsmittel? Psychische Probleme drängen sich auf.
Es werden auch latent die Hochphasen (quasi "over-the-top"), die wohl vor und während ihres Klinikaufenthaltes bestanden. Deshalb kam mir die Idee bezüglich einer bipolaren Störung. Sie hat Hochphasen, in denen sie Bäume ausreißen könnte und auch macht. S. 45 "Nicht mehr dieses Etwas, das sich ihr einmal hell wie ein Krebs über die Seele gelegt hatte." "Genie war die schlimmste Versuchung." etc. Das könnte tatsächlich auf die Überschätzung im Rahmen der manischen Phase abzielen. In einer depressiven könnte sie schon einen (oder mehrere) Selbstmordversuche durchgeführt haben, (Achtung ganz viele wilde Vermutungen jetzt) vielleicht Reinigungsmittel trinken, weshalb der Magen kaputt ist und (wir blicken auf die Entstehungszeit) Milch zur Beruhigung von Magen und Seele getrunken werden soll. Nur die Sache mit dem Insulin bekomme ich nicht ins Bild gerückt...
Als sie sich so schwer von dem Strauß trennen konnte, dachte ich für einen Moment, dass sie schon einmal etwas Schönes hatte fortgeben müssen: ein (totes) Kind? Reine Spekulation.
Ah, jetzt habe ich auch diesen Kommentar von dir gelesen. Also stimmen wir mit unserer Vermutung überein bezüglich des Straußes! ^^
Für mich geht es um das Schöne, Besondere und Außergewöhnliche, also etwas, das dem Bild, das die Protagonistin von sich hat, völlig widerspricht. Dennoch scheint sie eine gewisse Sehnsucht nach diesem Besonderen zu haben.
Wenn ich meine Hypothese zur bipolaren Störung weiter ausschmücke, könnte das der Wunsch nach der "besonderen Zeit" sein, wenn die Manie reinhaut. Personen mit dieser Erkrankung erleben die manischen Phasen als frei von Leidensdruck, das ist die beste Zeit ihres Lebens. Nur für die Angehörigen ist das der viel schlimmere Teil der Erkrankung als der depressive. Die Protagonistin musste die "besondere Zeit" in der Klinik abgeben und hockt jetzt wieder festgefahren in ihren depressiven Symptomen im Hauskleid zuhause den ganzen Tag auf dem Bett.
 

GAIA

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Ich kann nicht viel neues, außer vielleicht das im vorherigen Kommentar geschriebene zur Diskussion beitragen.

Mein Eindruck vom Beginn der Sammlung: Die Autorin hatte mich sofort mit der ersten Geschichte. Die Flucht war dann wirklich großartig, wenn auch tieftraurig. Dann wurde es wild mit dem Tagtraum, wobei ich sagen muss, dass so kafkaeske Phantastereien (so habe ich die Geschichte gelesen) nicht ganz meins sind. Eine Formulierungen fand ich aber auch in dieser Geschichte ganz toll, ebenso wie in der letzten.

Insgesamt muss ich sagen, gefallen mir die kürzeren Kurzgeschichten der Autorin bisher besser als die längeren. So oder so, kann Clarice Lispector schreiben. Aber wie! Ich bin sehr gespannt auf weitere Geschichten um ihre weiblichen Protagonistinnen.
 

GAIA

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Nachtrag zur "Die Flucht":
Zum Thema "Allerdings waren in ihr nicht nur Freude und Erleichterung. Auch ein bisschen Angst und zwölf Jahre." (einer der vielen großartigen Sätze in den Texten der Autorin!). Es gibt in der Sozialpsychologie ein Konstrukt bezogen auf die Festlegung (Commitment) auf einen Partner, welche das "Liebesbeziehung-Investment-Modell" (Rusbult & Buunk, 1993) heißt, das unter anderem (keine Angst ich hole nicht zu weit aus) besagt,
Folgende Faktoren erhöhen die subjektiv empfundene Zufriedenheit der Partner in einer Liebesbeziehung – Investment-Modell (Rusbult & Buunk, 1993):
  • Hohe Zufriedenheit:
    Hohe Erträge aus Partnerschaft, erhöhen Zufriedenheit und Festlegung
  • Geringe Qualität der Alternativen:
    Geringe Chancen auf bessere Alternativen (alternative Partner, Alleinleben, Substitution durch Freunde, Beruf etc.) erhöhen Festlegung.
  • Höhe der Investitionen:
    Je höher die Investition (Zeit und Energie, Opfer bringen, Freundeskreis aufbauen, gemeinsame Erinnerungen, Hobbies, Besitztümer) in die Partnerschaft, desto höher die Festlegung.
[Habe ich der Einfachheit halber mal von dieser Seite rauskopiert, damit ich nicht alles tippen muss: Quelle. Es wird auf der Seite gesagt, dass man den Text "zum Weiterverarbeiten" herunterladen darf. Deswegen hoffe ich, dass es mit der Quellenangabe zusammen für das Forum hier okay ist.]
Sie hat zwölf Jahre investiert neben vielen anderen energieraubenden Faktoren. Lipector stellt auch diese Überlegungen ganz großartig heraus!

P.S. Sollte ich euch zu viel fachsimpeln, sagt bitte auf jeden Fall Bescheid!!! :monocle ;)
 
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Renie

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Ich hätte es gut gefunden, wenn irgendwo im Buch die Entstehungsjahre der Kurzgeschichten vermerkt gewesen wären. Oder habe ich sie einfach nicht gesehen?
Das geht mir genauso. Da die Geschichten sich teilweise ähneln, muss es verschiedene Zyklen gegeben haben, die ich gern dem Lebensweg von Clarice zugeordnet hätte. Ich erhoffe mir von dem Nachwort ein paar Informationen dazu.
 

Renie

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Ich hatte zwischenzeitlich die Vermutung, dass es eine Metapher vielleicht für ein verlorenes Kind sein könnte. Sie will den Strauß nicht weggeben, hadert mit sich. Es ist ja ihrer. Und im Text gibt es die ein oder andere Stelle, bei der es um ihre Fruchtbarkeit geht, die Kinderlosigkeit. Aber mit der Idee bin ich mir überhaupt nicht sicher.
An ein Kind habe ich überhaupt nicht gedacht. Eine verrückte Idee, doch warum nicht? Da ich mich in diesem Erzählband generell schwer tue, durch die gedanklichen Irrungen und Wirrungen von Clarice durchzusteigen, würde ich ihr diese Symbolik zutrauen.o_O
 

Renie

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Sollte ich euch zu viel fachsimpeln,
Ich finde Deine Ausführungen hochinteressant, weil sie mir völlig andere Denkansätze liefern als ich sie selbst bei diesen Geschichten entwickle. In dem Zusammenhang stelle ich mir die Frage, für wen Clarice ihre Geschichten geschrieben hat. Otto-Normal-Lesern wie mir, die nicht über Dein Hintergrundwissen verfügen, bleiben im Unklaren und entwickeln diffuse Interpretationsversuche. Aber vielleicht ging es Clarice gar nicht darum, für andere zu schreiben, sondern sie hat nur für sich selbst geschrieben. Ich habe keine Ahnung und hoffe, dass das Nachwort ein paar Aufschlüsse gibt.
 

GAIA

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Ich habe keine Ahnung und hoffe, dass das Nachwort ein paar Aufschlüsse gibt.
Tatsächlich hadere ich mit mir, ob ich nicht jetzt (also nach dem ersten LA) einfach das Nachwort einschiebe. Das würde aber eigentlich meinem Grundsatz widersprechen, ein Buch von vorn bis hinten so zu lesen, wie es der Verlag mir „vor die Füße“ geworfen hat. Manchmal ist es ja so, dass sich ein Nachwort als ein getarntes viel besseres Vorwort mausert.
Auf jeden Fall habe ich, wie du auch, das Bedürfnis erst mehr zur Autorin und der Entstehungsgeschichte der Erzählungen zu erfahren, um später beim Lesen dieser vielleicht besser durchsteigen zu können.
 

Literaturhexle

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Aber vielleicht ging es Clarice gar nicht darum, für andere zu schreiben, sondern sie hat nur für sich selbst geschrieben. Ich habe keine Ahnung und hoffe, dass das Nachwort ein paar Aufschlüsse gibt.
Das ist eine gute Frage. Manche Erzählungen empfinde ich schon als sehr abgehoben. Gut möglich, dass sie sie in depressiven Phasen geschrieben hat, um ihr Krankheitsbild zu erfassen und zu verarbeiten. Manches ist auch entsprechend düster im Ton.
 

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Ich denke aber, es wäre ein Fehler alles mit unseren (modernen) Augen zu sehen - die Zeit und die Einstellung war halt ein mal eine andere! Wir sollten uns einfach auf diese Zeit einlassen, die Kurzgeschichten als....... ääähm Zeitdokument (?) sehen!
(Ich nehme mir das jetzt fest vor!!!!!)
Tatsächlich denke ich auch, dass es wichtig ist, die Zeit der Textentstehung im Blick zu haben. Die Vorstellungen von der Rolle der Frau haben sich ja sehr gewandelt im Laufe der Zeit und das scheint mir hier das Kernthema zu sein.
 

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Es kommt der Point of Return, alles wieder beim Alten.
Mich macht die Geschichte traurig. Wann ist sie verfasst worden, irgendwann inden 1940ern bis 1960ern? Damals sicher kein leichtes Unterfangen, einfach so den Mann zu verlassen. Heut aber auch nicht immer.
Ich habe das ganz ähnlich empfunden. Man denkt, der Ausbruch ist gelungen und dann, ganz am Ende, folgt die Ernüchterung.
 
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