1. Leseabschnitt: 2007 - Beginn bis Seite 75

Naibenak

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2. August 2021
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Ihr Lieben, ich starte dann mal.
Bin jetzt Seite 43, an der Stelle, wo Juli beschließt, mit der crazy alten Dame, die sie lieb gewonnen hat, aus der Reha auszubüxen.

Juli ist hier 17 Jahre alt, wenn ich das richtig entnommen habe. Und bereits in einer Reha, weil sie sich häufig mit Selbstmordgedanken plagt und in jedem Fall Hilfe nötig hat. Oh ja! Juli ist aber ein richtig schnodderiges, freches Mädel, das sich nichts sagen lässt und das niemanden an sich ran lässt. Im Grunde aber ist sie unendlich erschöpft und gebrochen, hier einen Ansatz zu finden um zu helfen, erfordert m.M.n. wahnsinnig viel Fingerspitzengefühl.

Warum ist sie so am Boden? Juli erzählt es uns selbst in vielen kleinen Rückblenden. Ein Vater, der total gewalttätig ist. Der die Mutter regelmäßig schlägt und auch vor den Kindern nicht halt macht. Aus total nichtigen Gründen, völlig willkürlich. Eine Fassade (beide Eltern sind Anwälte), die auf keinen Fall Risse bekommen darf und aufrecht zu erhalten ist, koste es, was es wolle...

Das alles klingt so brutal und ich bin schon jetzt völlig in diesem Buch gefangen. Juli ist eine Erzählerin, die ich sofort mochte. Ihre rebellische Art sich zu wehren, ist berührend. Sie will leben, das merkt man eigentlich immer wieder deutlich zwischen den Zeilen. Sie weiß nur nicht, wie. Sie betäubt sich dann leider mit Alkohol, um die Tage zu "überstehen". Die alte demente Dame, die immer Schlagerlieder trällert, hat sie ins Herz geschlossen, weil sie nicht ständig auf sie einredet und trotz ihrer Krankheit eine ungezwungene Fröhlichkeit ausstrahlt. Und ihr ab und zu mal einen "Schuss" in den Kaffee kippt ;)

Beeindruckend bisher! Und bewegend! Tolle Schreibe auf jeden Fall! Ich freu mich auf das, was folgt!
 

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29. März 2022
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Mainz
Juli ist 16 und hat bereits als junger Mensch viel auszuhalten. Ihre Familie erweckt nach außen den Anschein einer Vorzeigefamilie, beide Eltern sind Anwälte, die Mutter ist wohl auch bildhübsch. Es gab wohl auch eine Zeit, wo die Welt weitgehend in Ordnung war und Juli unbeschwert mit ihrer Mutter zum Beispiel das Shopping genießen konnte.
Wir erfahren, dass Juli in der Reha ist infolge eines Geschehens, über das wir noch nichts erfahren. Es hat jedenfalls etwas mit massiver häuslicher Gewalt zu tun, die ihr und ihren Geschwistern widerfährt. Ihre Mutter bleibt passiv, der Onkel verschleiert Gewalttaten und die Nachbarn schauen weg.
Juli versteht ihre Mutter nicht, versteht ihre Umwelt nicht, rebelliert - wenn auch nur innerlich. Ich finde, ihre Gefühle werden durch die Sprache sehr gut transportiert. Mich berührt die Geschichte schon jetzt sehr. Ich kann sehr gut mit Juli mitfühlen.
Sofern man das bei einer Geschichte mit solch hartem Tobak sagen kann: das Buch begeistert mich und zieht mich in seinen Bann. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Ein wichtiges Buch zu einem sehr wichtigen Thema, über das nach wie vor mehr geredet werden muss!
 

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Das alles klingt so brutal und ich bin schon jetzt völlig in diesem Buch gefangen. Juli ist eine Erzählerin, die ich sofort mochte. Ihre rebellische Art sich zu wehren, ist berührend. Sie will leben, das merkt man eigentlich immer wieder deutlich zwischen den Zeilen. Sie weiß nur nicht, wie
So ergeht es mir auch. In Juli tobt eine ganze Bandbreite von Gefühlen, denen sie Luft macht. Mich berührt ihr Bericht auch sehr. Ich bin sehr gespannt, welche Entwicklung sie durchlaufen wird...
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Dieser erste Leseabschnitt hat mich vor allem wütend gemacht - wütend auf den Vater, den Onkel, aber auch die Mutter. Die ganze Familie scheint regelrecht erstarrt und unfähig irgendetwas zu tun, wenn der Vater seine gewalttätigen, unvorhersehbaren Wutausbrüche hat.
Sehr gut gefällt mir, dass der Fokus auf einer gebildeten, erfolgreichen, scheinbar heilen Familie liegt, die gerade durch ihren Status und ihren Einfluss bestens vertuschen kann, was hinter geschlossen Türen passiert.
Während der Kur fühlte ich mich wie im falschen Film und habe mich gefragt, warum eine solche Institution Juli überhaupt aufgenommen hat. Erklären kann ich mir das eigentlich nur mit dem Einfluss der Mutter bzw. des Onkels - die beiden werden sich eine entsprechende Diagnose ausgedacht haben. Juli tut mir vor allem leid. Sie bräuchte eine ganz anders geartete Hilfe. Ich bin froh, dass sie wenigstens das Glück hatte während der Kur, die alte Dame zu treffen auch wenn durch sie der Alkoholkonsum stieg ;-).
Die Autorin zeigt sehr gut die ambivalenten Gefühle, die zwischen Kindern und Eltern entstehen, wenn Gewalt im Spiel ist.
Neben der brutalen körperlichen Gewalt übt der Vater massiv psychischen Druck aus, macht seine Familie verbal nieder, droht, schürt Ängste und hat es geschafft, dass alle nach außen das Bild der netten Familie abgeben. Das ist krank, aber ich denke, dass dies leider sehr nah an der Realität ist. Irritierend fand ich in diesem Zusammenhang auch die Szene als Juli und ihre Mutter auf das Frauenhaus zu sprechen kommen. Sieht die Mutter die Parallelen zu den Frauen dort wirklich nicht? Juli wächst in einer Welt auf, in der der Vater ganz selbstverständlich auch die Mutter körperlich und seelisch verletzt, die das alles einfach nur über sich ergehen lässt. Der Mutter fehlt es an Präsenz - Juli vergleicht sie mit einem Gespenst. Auf der anderen Seite bespricht sie mit der 10jährigen Juli ihre Eheproblem - da möchte ich einfach nur laut schreien, wenn ich das lese.
Eine interessante Stelle war für mich als es um die Reinigung des Teppichs ging. Juli is überzeugt, dass auf dem Teppich Brunos Blut ist. Die Mutter will davon nichts wissen, sagt es sei Julis Kotze. An dieser Stelle hat es die Autorin geschafft, dass ich unsicher wurde, welcher Erinnerung ich trauen kann. Mir fiel bei dieser Szene nämlich das dem Roman vorangestellte Zitat ein: „Man kann mir nicht trauen. Denn ein verwundetes Herz, ist auch ein verwundeter Geist“.
Bisher finde ich den Roman sehr interessant und bin gespannt auf die weiteren Entwicklungen.
 
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Irisblatt

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Und bereits in einer Reha, weil sie sich häufig mit Selbstmordgedanken plagt und in jedem Fall Hilfe nötig hat.
Das ist bitter mit den Selbstmordgedanken. Diese Kurklinik fällt bei mir auch in die Kategorie der systematischen Kindeswohlgefährdung (kann man das bei einer Jugendlichen noch so sagen?). Sie ist da völlig fehl am Platz und wird von echter Hilfe ferngehalten, weil die Eltern die berechtigte Angst haben, dass die Zustände im Haus der Familie Ehre nach außen dringen.
 

Irisblatt

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Das alles klingt so brutal und ich bin schon jetzt völlig in diesem Buch gefangen. Juli ist eine Erzählerin, die ich sofort mochte. Ihre rebellische Art sich zu wehren, ist berührend. Sie will leben, das merkt man eigentlich immer wieder deutlich zwischen den Zeilen.
Ich finde auch, dass man deutlich merkt, dass Juli leben will. Ich weiß nicht, ob ich sie mag. Bisher betrachte ich sie eher von außen und hege weder Sympathie noch Antipathie ihr gegenüber - sie tut mir einfach nur furchtbar leid und ich möchte gerne mehr über sie erfahren.
 

Irisblatt

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Juli versteht ihre Mutter nicht, versteht ihre Umwelt nicht, rebelliert - wenn auch nur innerlich. Ich finde, ihre Gefühle werden durch die Sprache sehr gut transportiert. Mich berührt die Geschichte schon jetzt sehr. Ich kann sehr gut mit Juli mitfühlen.
Sofern man das bei einer Geschichte mit solch hartem Tobak sagen kann: das Buch begeistert mich und zieht mich in seinen Bann. Ich bin gespannt, wie es weiter geht.

Ein wichtiges Buch zu einem sehr wichtigen Thema, über das nach wie vor mehr geredet werden muss!
Ich kann auch gut mit Juli mitfühlen - die Sprache passt sehr gut zu ihr, lässt sie für mich sehr lebendig und nah erscheinen. Obwohl Juli vieles nicht versteht, ist sie durchaus in der Lage zu reflektieren und sieht einige Missstände bereits ganz klar.
 

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Eine interessante Stelle war für mich als es um die Reinigung des Teppichs ging. Juli is überzeugt, dass auf dem Teppich Brunos Blut ist. Die Mutter will davon nichts wissen, sagt es sei Julis Kotze. An dieser Stelle hat es die Autorin geschafft, dass ich unsicher wurde, welcher Erinnerung ich trauen kann. Mir fiel bei dieser Szene nämlich das dem Roman vorangestellte Zitat ein: „Man kann mir nicht trauen. Denn ein verwundetes Herz, ist auch ein verwundeter Geist“.
Bei der Stelle hatte ich ebenfalls aufgehorcht. Ja, tatsächlich können Erinnerungen sich im Laufe der Zeit verändern und eine Eigendynamik bekommen. Mal sehen, was da noch kommt in diese Richtung.
 

Literaturhexle

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Ich glaube, indem man einfach immer Textstellen markiert und kopiert, eine nach der anderen. Wenn Du vorher nicht auf "antworten" clickst, kannst Du dann auf mehere Zitate gleichzeitig reagieren.
Nur immer darauf achten, dass du nach dem eigenen Beitrag auf die Return Taste drückst. Sonst erscheint er auch als Zitat :eek:
Einfach probieren!
 
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Irisblatt

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15. April 2022
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Siehst Du in der oberen Zeile die Gänsefüßchen?

Die sehe ich, kann sie aber nicht anklicken - sind grau hinterlegt.
Und dein Satz erscheint, wenn ich es jetzt einfach nur kopiere auch nicht als Zitat. Ich werde noch ein bisschen probieren - vielleicht klappt es am Rechner besser.
 

Literaturhexle

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Juli tut mir vor allem leid. Sie bräuchte eine ganz anders geartete Hilfe.
Ich weiß gar nicht, was sie in der Reha soll, wo ganz andere Krankheitsbilder behandelt werden. Offenbar sind ihre Schuppenflechte und die Kopfschmerzen der offizielle Grund. Strange. Aber die Eltern werden sie ja nicht in eine Klinik einliefern, wo man der wahren Problematik auf den Grund kommen könnte... Schweigen ist angesagt, Fassade ist alles. Schrecklich!
Die Autorin zeigt sehr gut die ambivalenten Gefühle, die zwischen Kindern und Eltern entstehen, wenn Gewalt im Spiel ist.
Unheimlich gut! das Buch erinnert mich an diesen Roman, den wir auch gemeinsam gelesen haben, mit einer sehr ähnlichen Thematik:
Man muss seine Eltern lieben. Das ist normalerweise so angelegt. Hier wird das Urvertrauen mit Füßen getreten, die Familienmitglieder gegeneinander ausgespielt. Alles dreht sich um den Vater: seine Stimmungen, seine Vorlieben, seine Meinung,... Ein Eiertanz Abend für Abend, um den Frieden zu erhalten. So wie er uns geschildert wird, ist er wirklich ein Psychopath- völlig unberechenbar!
vorangestellte Zitat ein: „Man kann mir nicht trauen. Denn ein verwundetes Herz, ist auch ein verwundeter Geist“.
Das Zitat habe ich auch gleich sehr aufmerksam zur Kenntnis genommen! Es könnte natürlich auch sein, dass uns Die Erzählerin Neues aus Münchhausen erzählt. Zwar ist mir das Ganze zu authentisch aufgebaut, aber trotzdem wäre es möglich.
 

Irisblatt

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15. April 2022
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Es könnte natürlich auch sein, dass uns Die Erzählerin Neues aus Münchhausen erzählt.
Das glaube ich nicht. Dafür wirkt es, wie du auch schon schreibst, zu authentisch. Einzelne Erinnerungen könnten sich aber durchaus im Laufe der Zeit verändert haben oder Julis Wahrnehmung weicht teilweise von der ihres Umfelds ab.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Eigentlich ist der Inhalt unerträglich. Nur die rotzige, teilweise sogar sakastisch bis witzige Sprache macht den Inhalt erträglich. Wie immer bin ich ohne Vorbereitung ins Buch gestolpert und musste zunächst mal lächeln: Wie kann ein junges Mädchen in eine Reha kommen mit lauter greisen Herrschaften??? Aber der Ernst der Lage hatte mich schnell eingeholt... Juli erzählt mit einer Art Galgenhumor. Sie kokettiert mit dem Freitod, meint es aber (noch) nicht ernst. Er ist eher eine Art Ausweg, wenn sie es nicht mehr aushält. Noch ist sie nicht gebrochen, nur angeknackst.

Mir gefallen die Nebenfiguren: Die demente Margot. Gefühle sind bei Demenzkranken meist noch intakt, auch wenn sonst kein Stein mehr auf dem anderen steht. Heißt es. Und das kommt hier auch gut heraus:
Dass sie trotz Nullverständnis die richtige Reaktion zeigt, wenn ich heule, beweist, dass sie immer noch ein guter Mensch ist. 13
Dass die anderen Kranken auch Juli für einen störenden Fremdkörper halten, ist nicht verwunderlich. Ausgerechnet die krebskranke Berta schaut tiefer:
Warum bist du eigentlich so schwierig, was haben sie mit dir gemacht? 58
Gänsehautfeeling.

Die Geschwister haben sich vertrollt. Die letzte beißen die Hunde. Die Konstellation wird sehr gut ausgeleuchtet. Schon oft hat man gelesen, dass die Frauen keine Partei ergreifen. Diese Mutter lässt sich in vielerlei Hinsicht demütigen, sucht Ersatzbefriedigung im Kaufrausch. Essen darf sie ja nicht;). Alle spielen Theater, um das Monster nicht zu wecken.

Juli hat offenbar lange funktioniert. Sie war die Beste in vielen Disziplinen. Dadurch genoss sie Vaters Wertschätzung ("Die kleine Zuchtfrau"). Jetzt ist etwas passiert. Was genau, wissen wir noch nicht.
Im Grunde ist der Vater doch ein Versager. Wie man als Anwalt auf eine windige Ferienanlage (mündlich!) hereinfallen kann, erschließt sich nicht. Wovon muss der Despot ablenken mit seinen Exzessen?

Aufgemerkt habe ich bei diesem Satz:
Hätte einer von uns geahnt, wie leicht das Problem zu lösen war, hätte Bruno sicher schon viel früher zurückgeschlagen. 27
Was kommt da noch?!