1. Kindheit/ Jugend vor Derry (Bloody Sunday)

20. Mai 2014
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sabine-schaefers.de
Gute Besserung, @parden!

Nachdem das Buch vorgestern auch bei mir eingetrudelt ist, habe ich sehr gespannt angefangen zu lesen, gespannt vor allem, weil ich keine Vorstellung davon hatte, was mich erwartet.

Ich bin beeindruckt. Sam Millars Sprache schafft trotz aller Geradlinigkeit manchmal fast poetische Bilder, auf ganz unaufdringliche Weise. Er bringt es fertig, den Schrecken, die Rohheit seiner Umgebung zu schildern und dabei Liebe und Nostalgie durchblicken zu lassen. Die Menschen, denen er begegnet ist, sind nie ganz und gar gut oder böse, sie sind halt menschlich. Auch die, die sich fies verhalten, trifft keine Verachtung. Dazu blitzt immer auch eine gute Portion Selbstironie durch. Alles in allem sehr sympathisch :)

Ehrlich gesagt, trotz des eigentlich ernsten, um nicht zu sagen dramatischen Themas, unterhalte ich mich sehr gut. So ein ganz klein bisschen habe ich den Verdacht, dass so manches blumige Detail, wie die Begegnung mit dem Mädchen auf der Schaukel, sagen wir ... etwas ausgeschmückt ist. Ich muss an den seligen Baron von Münchhausen denken - der hätte bestimmt seine Freude gehabt :D

Während Millar aber bei solchen kleinen, netten Episoden die schriftstellerische Fantasie durchgeht, verliert er über die traumatischen Erlebnisse wenig Worte. Das macht sie für mich um so präsenter, authentisch.
 

parden

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13. April 2014
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www.litterae-artesque.blogspot.de
Danke für die Genesungswünsche. Allmählich geht es mit dem Lesen - und da ich in dieser Woche noch krankgeschrieben bin, werde ich in den kommenden Tagen sicher einiges lesen und meine Eindrücke zum Buch hier schildern. Auch wenn alle anderen (vielleicht) schon fertig sind, bin ich sehr gespannt auf die Entwicklung...

Der erste Teil ließ sich zügig lesen, und ich fand es recht düster und bedrückend. Allein schon zu Beginn, wo man erfährt, dass 3/4 der männlichen Anwohner der Lancaster Street ohne Verhandlung eingesperrt wurden. Was für eine Chance hat man da, dem eigenen Leben eine komplett andere Wendung zu geben? Dann die Mutter (ich hatte auch verstanden, dass sie sich selbst umgebracht hatte und bin ganz überrascht, hier zu lesen, dass sie nur weggegangen sein soll...) und der Vater mit seinen Stimmungsschwankungen. Die Demütigungen als Junge, der hofft, dass alle seine Versuche, etwas umsonst oder im Tausch gegen etwas zu erhalten, vor seinen Kameraden verborgen bleiben. Armut, Einsamkeit und eine wenig einfühlsame Umgebung - da möchte man nicht tauschen. Und doch scheinen hier die Wurzeln einer später starken Persönlichkeit zu liegen. Was uns nicht umbringt, macht uns hart - der Gedanke kam mir beim Lesen.

Gefallen hat mir, dass die bedrückende Situation gut rüber kam ohne dass Sam Millar einzelne Szenen sonderlich ausschmückt - kein Selbstmitleid, sondern nüchterne Darstellung. Trotzdem kann ich es nicht immer gut ertragen.
 

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