1. Leseabschnitt: Beginn bis Seite 52

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
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Deine Kritik ist durchaus berechtigt. Nach dem ersten Lesen fühlte ich mich ebenso erschlagen wie du! Ich habe es mir dann noch einmal vorgenommen... Man kommt rein. Man muss sich vom Anspruch lösen, alles behalten zu wollen. Es gibt Geschichten, die sich sofort verankern., andere nicht. Auch die Flut der Namen: einige bleiben über das ganze Buch konstant. Die kann man verfolgen. Der Rest ist schmückendes Beiwerk.
Ich wünsche dir, dass du auch noch rein kommst. Fordernd ist er auf alle Fälle, der Barnes. Ein Intellektueller;)

Ich habe ein wenig das Problem, dass ich z. B. den Grafen als Figur gar nicht interessant finde. Ich kann nichts mit ihm anfangen. Jedes Wort über Pozzi interessiert mich und seine Freunde gehören mit dazu. Ich hoffe aber sehr, dass Pozzi mehr in den Mittelpunkt rückt. Diese Zeit war in der Medizin einfach ungeheuer spannend.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Womit ich ebenfalls hadere, ist dieser Kunstgriff die Person des Grafen Montesquiou über die fiktive Figur Des Esseintes aus dem Roman 'Gegen den Strich' zu beschreiben. Barnes schreibt so viel über dieses Buch, dass ich mich schon frage, weshalb ich nicht gleich das lesen sollte statt 'Der Mann im roten Rock'.

Dein Unbehagen liegt daran, dass wir zeitlich relativ weit weg sind. Hat nicht Ellen Berg einen heiteren Roman geschrieben, in dem Angela Merkel karikiert wird? Das verstehen wir sofort.

So ist das mit Robert Montesquiou. Für die damaligen Leser von A Rebours war die Sache pikant. Sie kannten Angela Merkel. Pardon. Sie kannten Robert Montesquiou und haben ihn sofort als Karikatur in A Rebours erkannt.

Das ist ein literarisches Schmankerl.

Ansonsten lohnt es sich, da und dort mal einen Namen/eine Person zu googeln. Und je mehr man über diese Zeitspanne liest, um so öfter tauchen bestimmte Personen wieder auf, und man denkt: Ah! Den kenne ich schon!

Man braucht bisschen Geduld dazu. So habe ich bei der Lektüre von "Unterwerfung" von M. Houellebecq z.B. Huysmans anstandslos hingenommen, von dem ich noch nie gehört hatte. Und hastdunichtgesehen taucht er im Mann mit dem roten Mantel wieder auf.

Dennoch verstehe ich dich gut. Es ist sozusagen so, wie sich ein neues Gebiet zu erobern. Und manchmal tut Barnes auch ein bisschen zu viel des Guten. Doch, da stimme ich dir zu.
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Sanfter Widerspruch: Ein Gebildeter. (Nun, es mag sein, dass er auch ein Intellektueller ist, Der Mann im roten Mantel ist mein erster Roman von ihm, aber hier scheint er als Gebildeter auf; das ist ein feiner Unterschied).
"Als Intellektueller wird ein Mensch bezeichnet, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder affirmativ Position bezieht. Dabei ist er nicht notwendigerweise an einen bestimmten politischen, ideologischen oder moralischen Standort gebunden." Wikipedia

Verstehe deine Kritik nicht, ehrlich gesagt:confused:
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Es kommt wohl drauf an, was man schon weiß. Je mehr man weiß, desto besser wird man unterhalten.

Da magst du recht haben. Ich verstehe nur Barnes Interesse für den Roman und den Grafen nicht. Es hat vielleicht seinen Grund, warum beide heute weitgehend vergessen sind? ;)

Sicher wäre es besser, mehr zu wissen, aber genau bei den Themen, über die ich mehr weiß und die mich interessieren (Stichwort: Joseph Lister, kommt aber vielleicht erst im zweiten Abschnitt?) wird es leider richtig knapp.

Ich lese das Buch trotzdem nicht ungern, aber ich glaube nicht, dass es mir einen anhaltenden Bildungsfortschritt bringt, dafür sind es meist zu viele Personen, zu viele und zu knappe Anrisse. Ich bewundere jedoch Barnes Wissen und den souveränen Umgang damit.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
"Als Intellektueller wird ein Mensch bezeichnet, der wissenschaftlich, künstlerisch, philosophisch, religiös, literarisch oder journalistisch tätig ist, dort ausgewiesene Kompetenzen erworben hat und in öffentlichen Auseinandersetzungen kritisch oder affirmativ Position bezieht. Dabei ist er nicht notwendigerweise an einen bestimmten politischen, ideologischen oder moralischen Standort gebunden." Wikipedia

Verstehe deine Kritik nicht, ehrlich gesagt:confused:
Ach, Kritik. Ist Widerspruch, dazu noch ein sanfter, gleich in Grund und Boden kritisieren?
Ein Gebildeter gibt wieder, was er sich angelesen hat. Ein Intellektueller ist eigenständig geistig tätig, und erfindet Neues. Ist jemand, der eine Doktorarbeit schreibt, ein Intellektueller? Nicht notwendigerweise, meine ich.
 

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Es hat vielleicht seinen Grund, warum beide heute weitgehend vergessen sind?
HAHAHA.
Wie dieser Erfinder von Mellem? In Die Erfindung des Countdown?
Manchmal lohnt es sich durchaus, auch die B-Celebrities aus dem Dunkel zu holen.

Bisher (ich habe ja noch nicht so weit gelesen) kommt es mir so vor:
Barnes geht von dem Gemälde aus, das es ja wirklich gibt und spinnt darum die Geschichte der drei Männer. Man erfährt ja peu à peu mehr von ihnen.

Dreh -und Angelpunkt ist der erste Satz, ganz egal, wie viele "möglichen Anfänge" er dazu tut, er geht von seinem ersten Satz aus: "Im Juni 1885 kommen drei Männer nach London" .

Und dazu tut er jede Menge Details, was dazu passt: was er dazu tut, ist nicht beliebig, das ist ein fein gesponnenes und abgestimmtes Netz. Auch eigene Beurteilungen der Menschen und der Zeit/Umstände fließen ein, ich denke, das ist es, was manche unter uns als amüsant empfinden. Unterhaltsam.

Ich finde Barnes - vor allem im zweiten Teil - ein wenig wie diese Frau, deren Namen ich nicht kenne, die sich in den adeligen Kreisen bewegt und den neuesten Klatsch und Tratsch vom Adel berichtet (im Fernsehen). Vllt kriege ich ihren Namen raus. Privatfernsehen, glaube ich. Das habe ich jetzt nicht mehr. Heißt sie nicht Sonja Igendwas? Nö. Sibylle Weischenberg. Gefolgt von Vanessa Blumenhagen. Oder so.
 
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Emswashed

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9. Mai 2020
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Keine Frage, Herr Barnes hat ein immenses Fachwissen in den verschiedensten Gebieten und ist auch noch mehrerer Sprachen mächtig. Ich bedauerlicherweise nicht und so finde ich dieses Namedropping einfach nur anstrengend.

Den ersten Abschnitt habe ich auch zweimal gelesen. Auch mir fällt dieses Namedropping schwer. Aber es wird besser, manche Personen tauchen immer wieder auf, spätestens im 3. Abschnitt bist Du mit denen per du (haha, Wortspiel).
Vielleicht solltest Du erstmal mit weniger "Anspruch" lesen (mir hilft das manchmal), dann ist der Druck, alles verstehen und kennen zu müssen nicht so groß. Wäre schade, wenn Du die Lust an diesem Buch verlierst.
 

Sassenach123

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27. Dezember 2015
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Ich seh schon, im Gegensatz zu euch bin ich schrecklich unbelesen was die Klassiker angeht. Ich erkenne daher viele Zusammenhänge nach wie vor nicht. Mea Culpa.
Mich wundert wie ausufernd und ausschweifend das Leben der Großen und Bekannten zu dieser Zeit war. Pozzi scheint da ja fast noch ein Waisenknabe zu sein, wenn man so liest was andere getrieben haben.
Ich hoffe aber momentan sehr, dass wir bald mehr von Pozzis Leben als Arzt lesen werden. Auch wenn die Belle Époque interessant ist, könnte ich mich mit dem Buch besser anfreunden, wenn es diese Richtung nimmt, der Fokus sich etwas verlagert.
 

Xirxe

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19. Februar 2017
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Dein Unbehagen liegt daran, dass wir zeitlich relativ weit weg sind. Hat nicht Ellen Berg einen heiteren Roman geschrieben, in dem Angela Merkel karikiert wird? Das verstehen wir sofort.
Nein, das ist nicht der Grund für mein Unbehagen.
So ist das mit Robert Montesquiou. Für die damaligen Leser von A Rebours war die Sache pikant. Sie kannten Angela Merkel. Pardon. Sie kannten Robert Montesquiou und haben ihn sofort als Karikatur in A Rebours erkannt.
Frau Berg aber hat selbst einen Roman geschrieben, in dem sie wen auch immer karikiert. Herr Barnes schreibt über einen Roman, den jemand Anders geschrieben hat und dieser Andere karikiert eine Person. Das Ganze also über eine Ecke mehr und da frage ich mich natürlich: Da wäre es doch besser, dieses Buch direkt zu lesen anstatt über drei Ecken über den Inhalt informiert zu werden.
Ansonsten lohnt es sich, da und dort mal einen Namen/eine Person zu googeln. Und je mehr man über diese Zeitspanne liest, um so öfter tauchen bestimmte Personen wieder auf, und man denkt: Ah! Den kenne ich schon!
Normalerweise mache ich das auch, aber bei dieser Flut von Personen, von denen ich nicht weiss, bei welchen es sich lohnt und nicht, da mag ich nicht. Ich wollte ein Buch lesen und nicht gleich ein ganzes Geschichtslexikon dieser Zeit ;)
Da magst du recht haben. Ich verstehe nur Barnes Interesse für den Roman und den Grafen nicht. Es hat vielleicht seinen Grund, warum beide heute weitgehend vergessen sind?;)
Naja, so ganz vergessen nicht. Es werden noch immer Doktorarbeiten dazu geschrieben, der Autor ist Thema in anderen Romanen und seine Bücher sind noch immer erhältlich ohne dass man ein Antiquariat aufsuchen muss.
Sicher wäre es besser, mehr zu wissen, aber genau bei den Themen, über die ich mehr weiß und die mich interessieren (Stichwort: Joseph Lister, kommt aber vielleicht erst im zweiten Abschnitt?) wird es leider richtig knapp.
So geht es mir auch (dass mir die Themen zu knapp gehalten sind). Zu Joseph Lister und der Geschichte der Medizin in England kann ich Dir ein richtig tolles Buch empfehlen:
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
... ich glaube nicht, dass es mir einen anhaltenden Bildungsfortschritt bringt, dafür sind es meist zu viele Personen, zu viele und zu knappe Anrisse. Ich bewundere jedoch Barnes Wissen und den souveränen Umgang damit.
Ich kann Dir nur voll und ganz zustimmen.
 
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Literaturhexle

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2. April 2017
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Ich glaube, mich zu wiederholen: Es wird mir den nächsten LA besser. Wobei ich genieße, was ich verstehe und mitnehme. Ich googele beim weitem nicht jeden Namen nach!
Das Kolorit der Zeit interessiert mich, manche Autoren und ihre Schrullen, natürlich Pozzi, der Graf-naja,...
Ich bin auf Seite 200 und lese gerne weiter.
 

Wandablue

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Brandenburg
@Xirxe : Gut, dann hätten wir das geklärt.
Das Buch A Rebours hätte uns keine Freude gemacht, glaube ich. Es kommt noch öfters vor, weil der Graf M. eben Des Esseintes in dem Buch mehr oder weniger entsprach.
Es geht aber schon noch um mehr als nur um A Rebours.

@kingofmusic : Die Hexe hat doch früher angefangen als wir, (völlig ok), deshalb ist sie auch früher fertig. Wäre seltsam, wenn es anders wäre.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Zur Aufmachung des Buches: Ich lese parallel "Kunst sehen" von Barnes aus dem gleichen Verlag. Das Buch ist minimal kleiner und hat die gleiche Papierqualität und die schöne Bebilderung. Ich werde davon noch im Lesetagebuch erzählen.

Dieses Buch interessiert mich auch sehr. Ich denke, Barnes lehrt uns hier, Bilder genau zu betrachten, auf die Details zu achten. Da ich ein großer Kunstliebhaber bin, wäre das sicher was für mich.