Rezension Rezension (3/5*) zu Das Baby ist meins: Roman von Oyinkan Braithwaite.

Literaturhexle

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2. April 2017
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Buchinformationen und Rezensionen zu Das Baby ist meins: Roman von Oyinkan Braithwaite
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Skurriler Kurzroman aus Nigeria


Ich-Erzähler Bambi ist gerade wegen wiederholter Untreue bei seiner Freundin Mide rausgeflogen. Wo kann man mitten in der Nacht bei geltendem Corona-Lockdown ein günstiges Domizil finden? Bei der Familie. So bezieht er ein Zimmer im Haus seines verstorbenen Onkels, das jetzt seine Frau Auntie Bidemi mit dem Neugeborenen Remi alleine bewohnt. Welch eine Überraschung, als er neben der Tante auch noch des Onkels ehemalige Geliebte Esohe im Haus antrifft. Der Grund ihrer Anwesenheit mutet ziemlich skurril an: Die beiden Frauen streiten lautstark um den Säugling. Jede beansprucht die Mutterschaft für sich, Bambi soll die Position der Familie vertreten und die Nebenbuhlerin des Feldes verweisen. Doch so einfach ist das nicht!

Beide Frauen kämpfen mit ausgefahrenen Krallen, blutigen Traditionen und wenig Rücksicht auf das Kind um ihren Anspruch. Remi wird aus dem Schlaf gerissen, sporadisch gefüttert und zum Spielball der geifernden Frauen gemacht, bis schließlich Bambi die nächtliche Hege des Kindes übernimmt. (Wo er seine bemerkenswerten Kenntnisse gesammelt hat, bleibt im Dunklen). Obwohl Remi das Tohuwabohu relativ gelassen hinnimmt, ist keine Ruhe in Sicht. Jede Frau versucht, sich Vorteile zu verschaffen und Bambi auf ihre jeweilige Seite zu ziehen. Bambi eruiert die Möglichkeit von DNA-Tests, zieht Babyfotos heran – stichhaltige Indizien ergeben sich daraus nicht.

Die Frauen lassen nicht nach, führen vermeintliche Beweise ihrer Mutterschaft an. Bambi ist der Mann im Haus. Er will nicht nur ordentlich verpflegt und bedient werden, er soll auch Recht sprechen. Die Dialoge sind kurzweilig mit Esprit verfasst, auch wenn die gesamte Grundproblematik skurril anmutet. Die Figuren wirken auf mich so schablonenhaft, dass ich eine offene Gesellschaftskritik dahinter vermute, Nigeria ist noch patriarchalisch strukturiert. Die Einbeziehung der aktuellen Corona-Pandemie ist originell, legt aber auch den Verdacht nahe, dass der kleine Roman in relativ kurzer Zeit geschrieben wurde.

Die Kammerspiel-Atmosphäre bleibt bis zum Schluss erhalten. Bambi ist kein Sympathieträger, sondern ein Macho in Reinkultur. Er ist hin- und hergerissen zwischen Familiensolidarität und Esohes Attraktivität, zudem möchte er sich eigentlich aus dem Konflikt raushalten und nur den Kleinen beschützen.

Zum Ende hin ergeben sich noch ein paar neue Aspekte, die den Leser einerseits überraschen. Andererseits fehlt aber auch die schlüssige Begründung für den relativ friedlichen Ausgang. So richtig überzeugen konnte mich der Roman nicht, wenn ich ihn auch interessiert gelesen habe. Er kommt an den Vorgänger „Meine Schwester, die Serienmörderin“, der mich in vielerlei Hinsicht begeistert hat, nicht heran. Dennoch ist der überzogene Streit zweier Frauen um ein Baby unterhaltsam zu lesen. Das Buch ist hübsch gestaltet und hat in der Printausgabe 128 Seiten. Länger hätte man es auch auf keinen Fall ausweiten dürfen.




 
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