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ulrikerabe

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14. August 2017
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Wien
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Ich habe sehr viel Verständnis für Edvard. Sich aus "den Klauen" der Mutter zu befreien wenn diese nicht fähig ist, loszulassen, geht nicht schmerzberfreit.
Edvard hat "ihre Welt zusammengehalten". Aber auch damit seine eigene. Jetzt mit über 60 ist er vielleicht ein wenig spätpubertierend. Allerdings war es nicht nur der Tod seiner Mutter. Es war der Fund des Sparbuchs und somit vielleicht ein Hinweis auf den Verbleib des Vaters.

Ava lebt nach innen. "Über Stunden war sie allein mit ihren Stimmen". Auch sie har ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Mutter. otzdem vertraut sie ihr Kind während ihrer Abwesenheit der Mutter an. Wenn eine Fünfjährige zur Mutter sagt "Ich habe dich nicht mehr lieb". geht das ziemmlich tief rein. Mich verwundert, dass jemand mit der Persönlichkeit von Ava Journalistin ist.
 

MRO1975

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11. August 2018
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Als Egotripp empfinde die Reise nach Norwegen nicht. Alva hat monatelang dafür recherchiert und möchte eine Reportage machen, mit der sie eventuell sogar eine Festanstellung beim Sender bekommt. Dass sie dazu eine Fünfjährige nicht mitnehmen kann, scheint mir nachvollziehbar. Aber die Unterbringung bei der Mutter ist suboptimal. Ich denke eher, es wäre die Aufgabe des Vaters, sich um sein Kind zu kümmern - zumal er daran interessiert sein muss, dass seine Ex-Partnerin beruflich fußfasst und sein Kind in guten Händen ist.

Ich glaube einfach nicht, dass eine Freelancerin durch eine Kindergeschichte über magische Orte in Norwegen, die sie unbedingt selbst gesehen haben muss, eine Festanstellung bekommt. Auf mich macht das eher den Eindruck, dass Alva hier einen persönlichen Wunsch ausleben will.
 

parden

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13. April 2014
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Zwei Charaktere werden hier vorgestellt, die unabhängig von ihrem großen Altersunterschied und verschiedenen Lebensphasen beide noch nicht zu sich selbst gefunden haben.

Der eine jahrzehntelang gefangen im immergleichen engen Dorfleben und in einer Rolle, in die er zwangsläufig hineingewachsen ist. Nun, nach dem Tod der Mutter, ist er aus der Rolle entlassen und weiß nicht wohin mit sich. Einfach bei seiner alten Liebe weiterzumachen, die vor kurzem ins Dorf zurückgekehrt ist, kommt ihm wohl auch nicht richtig vor. Das gefundene Sparbuch gibt ihm den Anstoß, seinem Leben eine neue Richtung zu geben, wohin auch immer. Jedenfalls weg, mit aller Macht.

Die andere hadert mit sich seit sie denken kann. Ständig das Gefühl zu haben 'falsch' zu sein, stelle ich mir sehr anstrengend vor. Nicht den Erwartungen entsprechen aber auch nicht aus seiner Haut zu können. Sie versucht mit Musik alles zu überspielen, es weniger 'wirklich' und bedeutsam werden zu lassen, lebt dadurch aber am Leben vorbei und auch an der Chance zu erkennen, wer sie wirklich ist. Alva lässt nach ihrer großen Liebe niemanden mehr wirklich an sich heran, die Liebe ihrer Tochter macht ihr Angst. Das klingt alles irgendwie traurig. Doch auch sie macht sich auf den Weg, um sich womöglich selbst zu finden...
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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Ich glaube einfach nicht, dass eine Freelancerin durch eine Kindergeschichte über magische Orte in Norwegen, die sie unbedingt selbst gesehen haben muss, eine Festanstellung bekommt. Auf mich macht das eher den Eindruck, dass Alva hier einen persönlichen Wunsch ausleben will.
Warum nicht? Das Thema ist interessant und sie ist außerdem mit dem Chef liiert.
 
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parden

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13. April 2014
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Niederrhein
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Ich möchte die vorgestellten Charaktere nicht bewerten, wer kann schon sagen, was richtig oder falsch ist und wie er oder sie in bestimmten Situationen handeln würde? Ich mag die beiden auch nicht in Schubladen stecken wie 'psychisch krank' oder 'schwach' - Dass man mit den beiden im echten Leben womöglich nicht tauschen oder vielleicht auch eher nichts mit ihnen zu tun haben wollen würde, steht auf einem anderen Blatt... Ich finde es jedenfalls interessant, in Romanen auf unvollkommene Charaktere zu stoßen - und dass es hier eine Entwicklung geben wird, deutet ja schon der Klappentext an... :)

Sprachlich gefällt mir der Roman gut, einige der bereits erwähnten Zitate habe ich mir auch verklebzettelt. Allerdings empfinde ich die Erzählung bislang doch als recht düster, ich hoffe, es kommen im Verlauf einige Farbakzente und Lichtmomente hinzu... ;)
 

MRO1975

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11. August 2018
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Ich finde es jedenfalls interessant, in Romanen auf unvollkommene Charaktere zu stoßen - und dass es hier eine Entwicklung geben wird, deutet ja schon der Klappentext an... :)
Das finde ich auch. Denkt man sich solche Personen aus oder gibt es Vorbilder.

Allerdings empfinde ich die Erzählung bislang doch als recht düster, ich hoffe, es kommen im Verlauf einige Farbakzente und Lichtmomente hinzu... ;)
Ich finde die Stimmung auch etwas bedrückend. Hoffentlich wird es bald heller.
 

Die Häsin

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11. Dezember 2019
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Rhönrand bei Fulda
Ich bin in diesem ersten Abschnitt sehr gefesselt von der Sprache des Autoren und der Art, wie er mit wenigen Worten Bilder und Stimmungen schafft. Demgegenüber verliert es für mich an Bedeutung, dass an dem Leben der Protagonisten vieles für mich undurchsichtig und nicht nachvollziehbar bleibt: Mir hat sich nicht recht erschlossen, was Edvards Mutter eigentlich in dieser "Streichholzfabrik" getrieben hat, und ich kann auch nicht recht erkennen, wovon Alva eigentlich lebt bzw. wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellt. Aber das erscheint mir wie gesagt zweitrangig. Ein Beispiel: Die Szene in dem Gartenhaus, als Elsie Edvard eröffnet, dass sie weggehen will, und Edvard trotzdem erstmal nach seiner Mutter sehen will, "danach können wir reden", hätte mich vor einem Hintergrund von anderer erzählerischer Färbung, in einem Krimi zum Beispiel, so richtig geärgert - in diesem Fall empfand ich sie nur als einen einzelnen Klecks in einem ganzen fremdartigen impressionistischen Gemälde. Mir gefällt das Buch bisher sehr, sehr gut.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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. Ich finde es jedenfalls interessant, in Romanen auf unvollkommene Charaktere zu stoßen - und dass es hier eine Entwicklung geben wird, deutet ja schon der Klappentext an... :)
Das ist ja das Spannende an Büchern, die Figuren bei ihrer Entwicklung zu begleiten. Bei beiden ist jede Menge Potential zur Veränderung vorhanden.
 

RuLeka

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30. Januar 2018
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wovon Alva eigentlich lebt bzw. wie sie sich ihre berufliche Zukunft vorstellt.
Sie arbeitet freiberuflich bei einem Fernsehsender und wohin sie will, weiß sie selbst noch nicht so genau. Momentan verfolgt sie eine Idee für einen Film und hofft dafür auf eine Festanstellung, um endlich finanziell unabhängig zu sein.
 

Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Ich glaube einfach nicht, dass eine Freelancerin durch eine Kindergeschichte über magische Orte in Norwegen, die sie unbedingt selbst gesehen haben muss, eine Festanstellung bekommt. Auf mich macht das eher den Eindruck, dass Alva hier einen persönlichen Wunsch ausleben will.
Warum nicht? Eine gelungene Sendung wäre doch die beste Bewerbung!
 
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Barbara62

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19. März 2020
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Sie arbeitet freiberuflich bei einem Fernsehsender und wohin sie will, weiß sie selbst noch nicht so genau. Momentan verfolgt sie eine Idee für einen Film und hofft dafür auf eine Festanstellung, um endlich finanziell unabhängig zu sein.
Ich hätte eher an einen Radiosender gedacht, denn sonst hätte sie ja einen Kameramann oder eine Kamerafrau mitnehmen müssen. Komisch, auf die Idee Fernsehen bin ich gar nicht gekommen. Steht es explizit irgendwo?
 

Literaturhexle

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2. April 2017
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Der Autor geht ganz besonders mit der Sprache um. Da passt jedes Wort . Z.B. „...sein Zimmer betrat, das immer das Kinderzimmer geblieben war, das nie für ihn gewachsen war, das ihn ein Leben lang klein gehalten hatte...Sein beleidigtes, besserwisserisches Zimmer, das es Edvard nie verziehen hatte, erwachsen geworden zu sein.“
Die Sprache ist Hammer! Eine solch "realistische Poetik" habe ich selten gelesen. Sie gibt Figuren, Stimmungen und auch Gegenständen ein eigenes Leben und beschreibt sie auf wunderbare Weise. Das Kinderzimmer ist ein Beispiel, aber auch die Antiquitäten im Schuppen (S.55) und vieles andere... Man muss die Sätze richtig auf der Zunge zergehen lassen und auch zweimal lesen. Ich liebe das:rolleyes:!
Arme, arme Lina! D
Während ich Edvards vertrakte Lage verstehen kann, fehlt mir die Empathie für Alva fast völlig. Ich empfinde sie hochgradig verantwortungslos. Sie setzt ein Kind in die Welt, kümmert sich aber nur rudimentär darum und wie es ihr in den Zeitrahmen passt. Ab und zu ein bisschen heile Welt spielen, dann die Kopfhörer auf und abtauchen. Für mich ist sie emotional schwer gestört. Ihre Mutter mag zwar die Schwester vorgezogen haben, allerdings ist dies Alvas Perspektive und die meisten Kinder fühlen sich den Geschwistern gegenüber benachteiligt... Ob wir noch eine Ursache für ihre Bindungsschwäche erfahren? Die Musik ist doch eine Macke: immer dieselben Songs, die sie wieder zu sich holen und beruhigen. Arme Lina! Wirklich. Auch Alvas Anrufe kommen zur Unzeit. Alva müsste sich nach den Bedürfnissen des Kindes richten und nicht nach ihren eigenen.
Hier gibt es keine Klischees oder Plattitüden, jedes Wort sitzt, die Personen sind mehrdimensional und authentisch. Ich bin bisher sehr angetan, es macht mir richtig Spaß!
Besser kann man das nicht sagen. Mir gefällt es auch sehr.
die Mutter scheint mir ziemlich manipulativ, sie wollte die Liebe und Aufmerksamkeit Edvards nicht teilen. Interessanterweise hat sie aber das Sparbuch versteckt und nicht weggeworfen. Also wollte sie, dass Edvard es nach ihrem Tod findet.
Edvard ist ein sehr gründlicher Charakter. Er hat morgens immer alles gerichtet und sich nach dem weggehen nochmal umgedreht. dadurch fällt ihm gleich auf, dass sich im Raum etwas verändert hat. Ich nehme an, seine Mutter wusste, dass er das merken würde.
Sie hat das Geld aus lauter Stolz nicht angerührt, vermute ich, wollte es ihrem Sohn aber auch nicht vorenthalten. Was ja an sich ein fairer Zug ist.
Ich finde es jedenfalls interessant, in Romanen auf unvollkommene Charaktere zu stoßen - und dass es hier eine Entwicklung geben wird, deutet ja schon der Klappentext an..
Große Literatur handelt von beschädigten Menschen, sagte mal eine gebildete Frau zu mir;). Sie geben literarisch in der Regel einfach mehr her als Otto Normalverbraucher.
Momentan verfolgt sie eine Idee für einen Film und hofft dafür auf eine Festanstellung, um endlich finanziell unabhängig zu sein.
Ich bin zwar überzeugt, dass sie das wirklich vorhat. Doch wirkt sie sehr unstet, unzuverlässig und sprunghaft auf mich. Ich traue ihr im Moment keine ernsthafte Tätigkeit zu, wenn ich ehrlich bin.
[zitat]Mit den magischen Orten käme Ordnung in ihr Leben - Ordnung und Geld, und sie würden auch gemeinsam Urlaub machen können, wie es alle taten. S. 46[/zitat]
Sie ist sehr extrem in ihren Stimmungen: Himmelhochjauchzend-zu Tode betrübt. Sie hat zu hoch geschraubte Hoffnungen, da kann sie nur scheitern.
Tom hatte wahrscheinlich Recht, dass sie professionelle Hilfe braucht (S. 51)
 
Zuletzt bearbeitet:

RuLeka

Bekanntes Mitglied
30. Januar 2018
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Arme Lina! Wirklich. Auch Alvas Anrufe kommen zur Unzeit. Alva müsste sich nach den Bedürfnissen des Kindes richten und nicht nach ihren eigenen.
Alvas Verhalten in dieser Hinsicht ist für mich kaum erträglich. Einerseits hat sie ein sehr angespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter, gibt ihr die Schuld an ihrer verkorksten Kindheit. Das hindert sie aber nicht, ihre Tochter tagelang in die Obhut ihrer Mutter zu geben.
Aber ähnliches Verhalten erlebe ich auch im weiteren Umfeld. Da bringen Kinder viele Kilometer zwischen sich und ihre Eltern und erwarten dann aber, dass Mami und Papi jede Woche anreisen, um als Babysitter nützlich zu sein.
 

Barbara62

Bekanntes Mitglied
19. März 2020
3.898
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Baden-Württemberg
mit-büchern-um-die-welt.de
Sprachlich gefällt mir der Roman gut, einige der bereits erwähnten Zitate habe ich mir auch verklebzettelt. Allerdings empfinde ich die Erzählung bislang doch als recht düster, ich hoffe, es kommen im Verlauf einige Farbakzente und Lichtmomente hinzu... ;)
Du hast absolut recht, objektiv betrachtet ist es sehr düster. Aber bis ich es bei dir gelesen habe, habe ich das seltsamerweise gar nicht so empfunden. Ich frage mich, woran das liegt? Vielleicht daran, dass die Figuren spürbar im Aufbruch begriffen sind? Dass sie den Willen haben, etwas zu ändern?
 
12. Januar 2021
97
349
24
63
Hamburg
www.alexanderhaeusser.de
Das finde ich auch. Denkt man sich solche Personen aus oder gibt es Vorbilder.
Es ist wirklich interessant, wie die Figuren im Schreiben entstehen. Die Figuren werden aus verschiedenen realen Vorbildern zusammengesetzt. So verhält es sich wenigstens bei mir.

Ich finde die Stimmung auch etwas bedrückend. Hoffentlich wird es bald heller.