Ein wichtiges und mutiges Buch. 'Wer bin ich?' - diese Frage steht am Anfang und Ende dieser ungewöhnlichen Autobiografie. Die Publizistin Carola Stern erzählt die Geschichte ihres Lebens, von Verstrickungen und Konflikten, Angst und Glück, Gelungenem und Misslungenem - aufrichtig, lebendig, ohne zu beschönigen und ohne abzurechnen. Nach Kriegsende heuert die einstige Jungmädelführerin Erika Assmus in einem Raketeninstitut der Russen im Harz als Bibliothekarin an. Sie träumt vom kleinen beschaulichen Glück und lässt sich zur Lehrerin ausbilden. Doch dann taucht ein 'Mr. Becker' vom amerikanischen Geheimdienst auf, und ihr Leben nimmt einen ganz anderen Verlauf: 'Eka' tritt in die SED ein, damit ihre kranke Mutter medizinisch versorgt wird. 1950 wird sie auf die Parteihochschule geschickt. Sie lernt die kommunistischen Phrasen und Parolen, aber nicht den Glauben an die Partei. Eines Tages wird sie denunziert. Eka flieht nach Westberlin, wird Assistentin am Institut für Politische Wissenschaft und beginnt unter dem Pseudonym Carola Stern zu schreiben. Doch mit dem Leben in der freien Welt kommt sie nicht zurecht. Aus einer tiefen Lebenskrise taucht sie mit der Erkenntnis auf, dass sie lernen muss, mit der Angst zu leben. Ihr 'drittes Leben ' beginnt... BESTSELLERKaufen
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Carola Sterns "Doppelleben", welch ein Genuss ist es gewesen, über das Leben dieser Frau zu lesen. Sie hat einen einmaligen Schreibstil, das habe ich schon bei ihrer Biografie über Rahel Varnhagen erleben können. Mit den letzten Sätzen in ihrem Buch spricht mir Carola Stern aus tiefstem Herzen:
[zitat]Doch schmerzt es mich, angesichts wachsender sozialer Ungerechtigkeit am Ende meines Lebens dazustehen ohne Antworten, ohne Perspektive, wie eine menschenwürdige Gesellschaft für alle erreicht werden kann. Es ängstigen mich Eigennutz und Habgier, die Unbarmherzigkeit von Unternehmern, die Resignation Betroffener, ihr Murren, das sich kaum noch in Empörung äußert, ein neuer Rechtsradikalismus und die Gleichgültigkeit, mit der er hingenommen wird. Ich bin einer jener "Gutmenschen" geworden, einer jener törichten Alten, die den Verlust von Werten, von Zivilcourage und Solidarität beklagen und von den Jungen oft belächelt werden. Das kann ich ertragen. Aber den Wandel des Zeitgeistes - ja, den würde ich noch gern erleben.[/zitat]
Carola Stern ist heute 86 Jahre alt. Als sie dies schrieb, war sie 76. Ich glaube nicht, dass sich ihr Wunsch noch erfüllt. Im Gegenteil.