Rezension Rezension (4/5*) zu Wenn es dunkel wird: Erzählungen von Peter Stamm.

Wandablue

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18. September 2019
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Brandenburg
Hallo, dein Unterbewusstsein spricht


In elf Kurzgeschichten lässt Peter Stamm aufleuchten, was passieren könnte, wenn unser Unterbewusstsein filmisch aufzeichnete, wie wir die ordentlichen und außerordentlichen Begebenheiten unseres Alltags verarbeiten.

Die elf Geschichten Stamms beginnen jeweils „ganz normal“, knüpfen am realen Geschehen an und bekommen immer dann, wenn das Unterbewusstsein zu arbeiten beginnt, einen Riß.

„Nahtigal“ handelt von einem geplanten Banküberfall. Wurde er zu Ende geführt? Jedenfalls hatte der Jugendliche, der auf diese Art seine Befreiung plante, seine Planung weit vorangetrieben. Noch dreißig Jahre später verfolgen ihn die Panik und das Chaos von damals. Das ist für mich die schwächste Geschichte.

Das schönste Kleid“ handelt von einem Wunschtraum. Wir Frauen, also die unscheinbareren unter uns, träumen natürlich von nichts anderem als davon, wie wir durch den spektakulärsten Auftritt ever den attraktivsten Kerl seit dem Colamän aus den Fängen aufgetakelter Weiber locken. Wirklich passiert? Wohl kaum.

„Supermond“ handelt vom Verschwinden und sich Auflösen. Wie wird der Tod sein? This was my favorite. „Sabrina2019“ handelt vom Seelenverkauf. Wie schnell und unbedacht gehen wir mit manche Situationen um, und bemerken nicht, was wirklich vorgeht. This story was second.

„Die Frau im grünen Mantel“ handelt von ärztlichen Versäumnissen. Immer wieder sucht die Frau im grünen Mantel den Arzt heim, der schon vor Jahren dieser einen Patientin mehr Fürsorge hätte zukommen lassen sollen. Richtig hinschauen, statt wegschauen. Es ist auch für Ärzte nicht immer alles leicht in ihrem Beruf.

„Cold Reading“ handelt von dem Wunsch, erkannt zu werden und dem Wunsch nach einer heilen Welt, dem Wunsch, dass schon alles gut wird. Dafür gehen Menschen zum Wahrsager und lassen auch sonst allerhand Scharlatanerie über sich ergehen. Ohne eine Prise Hoffnung läßt sich eben nicht leben. Und wenn sie vom Wahrsager kommt.

„Der erste Schnee“ führt zurück in die Kindheit. Männer vergessen im stressigen Berufsleben sich selbst und das, was ihnen wichtig ist.. Außerdem heiraten sie unterbewusst (immer) ihre Mütter. Strange. In „Dietrichs Knie“ handelt ein betrogener Ehemann unerwartet. Diese Story ist flacher als die anderen, aber dafür lustig und heiter. In „Wenn es dunkel wird“ bricht eine alte Schuld auf.

In „Mein Blut für dich“ erlebt ein alter Mann die Liebe seines Lebens. Und in der letzten Geschichte „Schiffbruch“ retardiert ein Brooker zum Kleinkind. Sich totstellten könnte helfen.


Man kann die Stories von Peter Stamm natürlich auch anders lesen. Wie immer man sie auch liest, der Leser wird nicht umhin können, diese Stories zu interpretieren. Sonst hat er nichts davon.

Die Kurzgeschichten haben einen Nachhall auf den zweiten Gedanken. Sozusagen. Zuerst flutschten die Geschichten, die flott und leicht geschrieben sind, so dahin, erst wenn man sie sich setten lässt und über sie nachdenkt, bekommen sie Tiefe. Seltsamerweise konnte die geneigte Leserin sich noch nach Tagen an alle elf Geschichten erinnern. Das muss doch etwas bedeuten.

Fazit: Das Unterbewusstsein arbeitet in uns allen. Manchmal gibt es ein paar Fetzen seiner Arbeit frei. Davon handeln diese Kurzgeschichten. Und deshalb haben sie alle eine Bruchstelle, die immer dann eintritt, wenn das Unterbewusstsein sich einschaltet, dann zieht es die Story weg von der Realität ins Surreale. Traumarbeit.

Wie man die vorliegenden Kurzgeschichte wertet, hängt stark davon ab, wie man sie interpretiert. Ein Quentchen weniger Uneindeutigkeit hätten die Geschichten vertragen.

Kategorie: Kurzgeschichten
Verlag: S.Fischer



 
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Literaturhexle

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Wie man die vorliegenden Kurzgeschichte wertet, hängt stark davon ab, wie man sie interpretiert. Ein Quentchen weniger Uneindeutigkeit hätten die Geschichten vertragen.
Das mit dem Interpretieren ist meine Stärke nicht.
Für mich ist das Abdriften ins Unterbewusstsein, wie du es nennst, Spinnerei, surreal und schwer greifbar. Ich tue mich einfach schwer damit.
Strange, skurril:confused:
 

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