Rezension Rezension (4/5*) zu Das Tartarus-Projekt von Gerd Schilddorfer.

parden

Bekanntes Mitglied
13. April 2014
5.835
7.675
49
Niederrhein
www.litterae-artesque.blogspot.de
Leider konnten wir zu diesem Buch keine Daten ermitteln.
Spannend, aber etwas zu kurz geraten...

Sind Sie sicher, dass die Fliege an der Wand tatsächlich ein lebender Organismus ist? Oder eine Mini-Drohne, die Ihnen auf Schritt und Tritt folgen kann, die Sie beobachtet und einen Strom von intimen Bildern und persönlichen Informationen in eine Cloud schickt? Daten, die Sie erpressbar machen, berechenbar, ausgeliefert all jenen, die darauf Zugriff haben. Doch es kann noch schlimmer kommen ...

Eine feuchtfröhliche Party im Nobelvorort Grünwald bei München endet in einem Horrorszenario – der Gastgeber, ein erfolgreicher Unternehmer, wird an die Heizung gekettet, verstümmelt, ermordet und angezündet. Michael Landorff, Journalist und Autor, der zu seiner eigenen Überraschung auf der illustren Einladungsliste stand, beginnt auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Dabei trifft er auf Alexandra Buschmann, eine professionelle Pokerspielerin, die ebenfalls eingeladen war, obwohl sie den Hausherrn nicht einmal kannte. Gemeinsam machen sie sich auf den Weg, die Hintergründe des grausamen Todes zu erforschen – und geraten dabei immer tiefer in ein Netz aus Geheimdiensten, Wirtschaftsinteressen und politischem Kalkül. Schon bald laufen sie um ihr Leben. Denn es geht um eine weltweite Bedrohung von ungeahntem Ausmaß – das Tartarus-Projekt...

Noch vor der Lektüre habe ich nicht schlecht gestaunt. Ein Roman von Gerd Schilddorfer - und dann gerade einmal etwas über 304 Seiten? Da bin ich anderes gewöhnt: die Thriller um den Abenteurer und Piloten John Finch haben 600 Seiten und mehr, und interessante und verzweigte Geschichten erzählen kann der Autor.

Aber dieses neueste Werk von Gerd Schilddorfer hat eben nichts mit John Finch zu tun - dies ist ein Stand-Alone, zumindest voraussichtlich. Ich war sehr gespannt, ob ein Fabulierer wie dieser Autor sich wirklich gelungen auf eine solch geringe Seitenzahl reduzieren kann. Gerd Schilddorfer selbst bezeichnet diesen Thriller quasi als 'Kurzgeschichte'...

Im Mittelpunkt des Geschehens steht der Journalist und Autor Michael Landorff, der zu Beginn der Erzählung ein wenig deprimiert und resigniert wirkt, weil er derzeit beruflich wenig erfolgreich ist und mit den Verlagen hadert. Zu seiner Überraschung wurde er zu der Party eines schwerreichen Unternehmers eingeladen, den er nicht einmal kennt. Aber das Catering ist hervorragend, die Spirituosen hochkarätig, was will man mehr?

Mit dem Ende der Party hätte allerdings niemand gerechnet: der Gastgeber wird brutal ermordet, die Hintergründe erscheinen mehr als mysteriös. Landorff stößt auf einen weiteren Partygast, den der Unternehmer ebenfalls unbekanntermaßen eingeladen hatte: Alexandra Buschmann, eine professionelle Pokerspielerin. Beide versuchen herauszufinden, was der Grund für ihre Einladung gewesen sein könnte. Ahnte der Gastgeber, dass er ermordet werden würde?

Landorffs Spürsinn und Buschmanns analytischer Blick fördern nach und nach einige unglaubliche Erkenntnisse ans Licht. Dabei erscheinen manche Hintergründe wie aus einem Science-Fiction-Roman - sind es aber nicht. Wenn man die gängigen Suchmaschinen bemüht, bekommt man Erstaunliches zu lesen - und kann Angst bekommen. Was heute schon Realität ist oder kurz davor scheint es zu werden - unfassbar.

Gerd Schilddorfer ist bekannt dafür, meist weniger bekannte historische Gegebenheiten in spannende Abenteuerromane zu verweben. Diesmal hält er sich an aktuelle Entwicklungen bzw. technische Möglichkeiten, die drohen, den Menschen eines Tages überflüssig zu machen. Das hat mir beim Lesen an der ein oder anderen Stelle reichlich Unbehagen eingeflößt. Aber was hätte man hier schönreden können?

Ein wenig hat dies für mich das Lesevergnügen getrübt, das ich ansonsten hatte. Denn nach einem behäbigen Einstieg - eine langweilige Party der Münchner Schickeria und Highsnobiety halt - nimmt der Thriller bald schon an Fahrt auf. Über mangelnde Action braucht man sich hier jedenfalls nicht zu beklagen, Geheimdienste treten hier en masse auf, und gefährliche Situationen gibt es an jeder Ecke.

Die kleinen Schwächen des Thrillers - die Ermittlungen reduzieren sich für mein Empfinden zu sehr auf bloße Gespräche mit den Geheimdiensten, die erstaunlich auskunftsfreudig sind, und das Verhalten einzelner Charaktere erschließt sich nicht schlüssig, weil die Hintergrundinformationen fehlen - schiebe ich tatsächlich auf die für diese Geschichte schlussendlich doch geringe Seitenzahl des Buches. Dadurch bedingt blieben letztlich auch einige Fragen offen, die ich gern beantwortet gehabt hätte.

Aber das ist Meckern auf hohem Niveau. Alles in allem bietet der Thriller spannende Lesestunden mit einem interessanten, wenn auch beängstigenden Hintergrund. Spannung, Action, Humor - eine unterhaltsame Mischung, die mir gut gefallen hat. Danke dafür!


© Parden

 

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