Rezension Rezension (4/5*) zu Die Unschärfe der Welt: Roman von Iris Wolff.

nicigirl85

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6. Februar 2018
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Begegnungen mit Folgen...

Auf diesen Roman bin ich aufmerksam geworden, weil er auf der Longlist des deutschen Buchpreises stand. Gespannt begann ich zu lesen und musste feststellen, dass man auch auf recht wenigen Seiten sehr viel erzählen kann.

In der Geschichte geht es um die Familie von Florentine und Hannes, die in der Region Banat aufwachsen. Sie spüren am eigenen Leib die Gesetze und strenken Regeln des Ostblocks. Als Pfarrer hat der Staat ihn immer im Blick. Welchen Einfluss hat der Umbruch auf die vier Generationen der Familie?

Im Roman werden vier Generationen dargestellt, von denen nahezu jede in einem anderen politischen System aufwächst. Der Fokus liegt jedoch auf den handelnden Figuren, was ich mochte. Die politischen Einflüsse werden nur am Rand beleuchtet.

Das Leben von Florentine und Hannes habe ich als recht karg und arbeitsreich empfunden. Sie haben wenig, scheinen damit aber nicht unglücklich zu sein. Ihre ruhige und bedachte Art hatte schon etwas für sich.

Die Generation der Eltern hat Enteignung erlebt. Mir schien als wenn dieser Umbruch die Betroffenen irgendwie gebrochen hat. Vor dem Sozialismus genossen sie einfach mehr Freiheiten.

Die Kinder und Enkel haben das Glück einen neuen politischen Umbruch mitzuerleben zu dürfen, der ihr Leben verbessert.

Ich gehe deswegen nicht auf alle Figuren einzeln ein, weil ich sonst bereits zu viel vom Inhalt und den Zusammenhängen verraten würde. Jeder Abschnitt dreht sich um einen anderen Protagonisten und erst nach und nach wird klar wie derjenige zur Familie gehört.

Meine Lieblingsfigur hingegen war Benedikt, was wohl keine Überraschung ist. Seine Liebe zu den Büchern und sein Gespür anderen einen guten Roman zu empfehlen, das hat mir gefallen und ich konnte mich am besten mit ihm identifizieren. Seine Suche nach der Liebe hat mich ebenfalls berührt.

Sprachlich ist der Roman schlichtweg ein Gedicht. Es gab so viele Sätze, die ich mir beim Lesen herausschreiben musste, weil sie mich beeindruckt haben. Alles ist so gut beschrieben, dass man die Geschichte wie einen Film vor seinem inneren Auge abspielen sieht.

Mein einziger Kritikpunkt ist der Schluss. Hier überstürzen sich die Ereignisse und die Jahre stolpern nur so dahin, so dass ich beim Lesen etwas die Orientierung verloren habe. Hier hatte ich stark das Gefühl, dass man jetzt nun aber ganz schnell zum Ende kommen und jeden Handlungsstrang auflösen will. Das hätte es in meinen Augen gar nicht gebraucht.

Fazit: Ein sprachgewaltiger Roman, der mich gut unterhalten hat. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus. Gelungen!