Rezension Rezension (5/5*) zu Das Volk der Bäume von Hanya Yanagihara.

G

Gelöschtes Mitglied 2403

Gast
Ein beeindruckendes Konstrukt!

Hier habe ich ein Buch gelesen, welches es mir inhaltlich nicht leicht gemacht hat!

Ein wirklich unsympathischer Hauptcharakter gibt Einblicke in seine Gedankenwelt. Der Arzt Norton Perina macht eine ungeheuer wichtige Entdeckung, ist also auf wissenschaftlichen Gebiet eine Koryphäe, menschlich dagegen zeigt Perina einige unschöne Züge, die sich gen Ende bis ins Unermessliche Steigern, ekelerregend sind. Und hier möchte ich vorwarnen, es geht um Kindesmissbrauch, nicht jeder Leser möchte so etwas lesen. Mit der Zeichnung des Hauptcharakters wird in diesem Buch eine Frage gestellt. was ist wichtiger bei einem Menschen, das Gute oder das Schlechte? Doch kann man beides gemeinsam bewerten? Oder muss man hier nicht trennen? Einerseits eine Koryphäe und andererseits ein Straftäter!

Gleichzeitig ist dieses Buch ein Bericht, wie die westliche Welt mit anderen Kulturen umgeht/umgegangen ist. Der Schutz einer anderen Kultur oder der Schutz der Tier- und Pflanzenwelt war der westlichen Welt lange vollkommen egal, erst nach und nach regten sich andere Geister, dennoch dauert eine Veränderung im Denken lange, wie man auch momentan beim Klimaschutz beobachten kann. In diesem Bericht wird dem Leser genauso die Frage nach seiner Bewertung des Geschehens gestellt. Besonders gut gelungen fand ich hierbei die Beschreibung des Lebens auf Ivu'Ivu, einer fiktiven mikronesischen Insel, deren Bewohner/ihre Kultur dennoch recht real gezeichnet ist, in ihrer Art manchmal an reale Kulturen erinnert. Oft habe ich bei der Lektüre an werke der Ethnographie aus der Zeit der Entdeckungen denken müssen. Der große westliche Beobachter und sein Blick auf eine andere Welt/auf eine andere Kultur mit der Brille der eigenen Wert- und Moralvorstellungen. Nicht immer korreliert so etwas.

Genauso interessant wie die Thematik ist auch der Stil des Buches. Die autobiographische Betrachtung von Perinas Leben durch ihn selbst, gespickt mit Beobachtungen und Meinungen eines Freundes von Perina machen dieses Buch zu etwas Besonderem, teilweise zwar etwas schwierig zu lesen, ich finde zum Beispiel, dass die Fußnoten sich nicht über mehrere Seiten hätten erstrecken dürfen. Aber auch das habe ich schon anderswo genauso gesehen. Die Schreibe Hanya Yanagiharas ist aber derartig intensiv und die Thematik so ungeheuer vielschichtig, dass man förmlich gezwungen ist 5 vollkommen verdiente Sterne zu vergeben. Genauso wie die Schreibe Yanagiharas derartig real rüberkommt, dass man sehr geneigt ist alles Geschriebene zu glauben. Dennoch ist dieses Buch eine Fiktion, die aber auf einem wahren Fall basiert, dem Fall von Gajdusek!