Rezension Rezension (4/5*) zu Der falsche Preuße (Gryszinski-Reihe, Band 1) von Uta Seeburg.

Bibliomarie

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10. September 2015
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Ein Preuße ermittelt in München

Wilhelm Freiherr von Gryszinski, durch und durch preußisch, kommt zur Jahrhundertwende als Sonderbeamter nach München. Er soll im bayrischen Königreich die modernen Ermittlungsmethoden der Kriminalpolizei einführen, also Spurensuche, Fingerabdrücke und was es sonst als technische Neuerungen gibt.

Wider Erwarten gefällt ihm und seiner kleinen Familie der Aufenthalt im sinnenfrohen München sehr gut. Besonders die Küche hat es ihm angetan und seine Besuche auf dem Viktualienmarkt gehen nie ohne ein paar Schmankerln ab.

Dann sein erster Mordfall: Der bekannte Bierbeschauer Sperber wird tot an der Isar gefunden, eingehüllt in ein exzentrisches Cape aus Federn. Die Spuren sind ausgefallen, Gryszinski meint den Abdruck eines Elefantenfußes zu erkennen. Als Bierbeschauer hat Sperber sicher eine Menge Feinde, denn sein Urteil über die Reinheit des Biers kann über den Erfolg der Brauer entscheiden.

Bei seinen Ermittlungen trifft Gryszinski auf den neureichen „Exilpreußen“ Lemke, der seit seiner Heirat mit einer Brauereierbin im Geschäft mitmischen will.

Der historische Kriminalroman war ein Lesevergnügen von der ersten Seite an. Ein Zeit- und Sittenbild vom München des beginnenden 20. Jahrhunderts, farbig und lebendig beschrieben aus der Sicht eines preußischen Offiziers. Der Zusammenprall von bayrischer Gemütlichkeit und preußischer Korrektheit ergeben immer wieder witzige Szenen. Vor allem, wenn Gryszinski im Lauf der Zeit immer mehr zur bayrischen Lebensfreude neigt. Ich habe mich dabei bestens unterhalten. Uta Seeburg hat sich Figuren ausgedacht die lebensecht und mit vielschichtigen Charakteren ausgestattet.
Besonders gelungen fand ich seinen Gegenspieler, den dubiosen Geschäftsmann Lemke, der sich mit seinem Reichtum seine Bubenwünsche erfüllt. Seine Villa gleicht einem überdimensionalen Spielzimmer mit Eisenbahnwaggon, U-Boot und Fesselballon und vielen technischen Spielereien. Auch Gryszinskis Ehefrau ist toll porträtiert. Zwar scheint sie immer in einem Roman versunken zu sein, aber ihre Hinweise bringen ihn oft auf eine neue Spur.

Für mich war dieser historische München-Krimi eine richtige Entdeckung.


von: Martin Mosebach
von: Joachim B. Schmidt
von: Henning, Greta