Rezension Rezension (3/5*) zu Wilde Freude: Roman von Sorj Chalandon.

Anjuta

Bekanntes Mitglied
8. Januar 2016
1.639
4.794
49
62
Essen
Allzu holzschnittartige Figuren enttäuschen

Sorj Chalandon begleitet in seinem neuen Roman eine Frau – Jeanne - auf einer neuen Richtung, die ihr Leben nach Auftreten einer Krebserkrankung nimmt.
Jeanne ist Buchhändlerin in Paris und verheiratet mit einem Mann, der es nicht versteht, das Leid anderer mitzutragen und zu teilen. Das hat bereits vor Jeannes Erkrankung zum Erkalten der Gefühlswelt in dieser Ehe geführt, nachdem das Ehepaar ihren mit einer Behinderung aufwachsenden Sohn verloren hatten. Nun reagiert der Ehemann auf die Krebserkrankung Jeannes erneut sehr gefühlskalt und flieht, wann immer er kann, die Nähe seiner Frau. Jeanne ist deshalb mit ihrem Leid und der Verarbeitung ihrer Erkrankung zunächst ganz allein. Aber es scheint, dass sie zumindest eine Art Ersatz-Unterstützung in Brigitte finden kann, einer Frau, die sie bei den Krebstherapien triffst und mit der sie ihr Schicksal teilt und Zuspruch finden kann. Wie stark sich diese Unterstützung aber von der unterscheidet, die sie in ihrem bisherigen, normalen Leben erwartet hätte, das zeigt uns Chalandon sehr schnell. Jeanne taucht ein in die Welt einer Gruppe von drei Frauen, denen die Konventionen des gesellschaftlichen Miteinanders, wie Jeanne sie bisher kannte, wenig bedeuten. Sie leben ein unabhängiges, unkonventionelles Leben. Insofern Männer darin eine Rolle spielen, so sind sie vor allem der Vergangenheit zuzuordnen und ausnahmslos „Schweine“ der einen oder anderen Art, und sie sind vor allem auch Quellen des Leids der Frauen, die hier in dieser Gruppe aufeinandertreffen. Als eine der Frauen eine große Menge Geld benötigt, um den erpresserischen Forderungen ihres Ex-Mannes nachkommen zu können, um wieder Zugang zu ihrer geliebten Tochter zu erhalten, verschwören sich die 4 Frauen (inklusive Jeanne) zu einem verbrecherischen Coup. Aus vermeintlich hehren Motiven überfallen sie ein Juweliergeschäft und rauben teuren Schmuck, um ihn danach in Geld für die Auslösung der Tochter umzuwandeln. Doch alles ist am Ende nicht so wie gedacht. Die hehren Motive der Frauen zerbröckeln letztlich an der Realität.
Mein Fazit:
Dieser Roman konnte mich leider nicht überzeugen. Die Figuren sind allzu einfach gestrickt. Männer sind „Schweine“, während Frauen die empathischen Sozialwesen, die man allzu einfach zu Opfern machen kann, sind. Auf diese einfache Gesellschaftsstruktur baut Chalandon seine Story auf, die so allzu holzschnittartig und vorhersehbar wird. Sehr schade, denn sein vorheriger Roman „Am Tag davor“ schaffte gerade das Gegenteil: zu überraschen und durch Unerwartetes zu begeistern und zu unterhalten. Ich vergebe schwache 3 Sterne.